Viertel mit großem Image-Faktor: Zwölf Jahre Soho in Ottakring   

erstellt am
03  05. 10

Wien (rk) - Am Beginn der Erfolgsgeschichte von Soho in Ottakring Ende der 90er Jahre standen zig leere Geschäftslokale im abgewohnten, etwa 18 Hektar großen Gürtelviertel zwischen Ottakringer Straße, Brunnengasse und Neulerchenfelder Straße. Binnen drei Monaten, so Soho-Erfinderin Ula Schneider im Gespräch mit der Rathauskorrespondenz, wurde 1999 mit "wirklich wenig Geld" ein für Wien neuartiges Kulturfestival aus der Taufe gehoben: Leere Greißlerläden, aufgelassene Textilgeschäfte verwandelten sich in Kunsträume, temporäre Galerien oder schräge Kochsalons. Das mediale Echo war entsprechend, Soho lockte oftmals zum ersten Mal Kunst affines Publikum über den Gürtel. "Kontinuität und Ausdauer, aber auch das Mitmachen von "local heroes" spielen bei Kunst-Projekten dieser Art eine wichtige Rolle", bestätigt auch der Wiener Stadtplaner Udo Häberlin, der von Seiten der MA 18 (Stadtplanung) mit Kollegen die Rolle der Kunst beim Thema Stadterneuerung untersucht hat. Für Soho spielt so gesehen der bekannte Delikatessen-Hersteller Hans Staud eine wichtige Rolle. "Dieses lokal angesiedelte Unternehmen übernimmt bis heute eine wichtige Brückenfunktion", meint Häberlin.

Soho entwickelte sich über die Jahre weiter. Übergeordnete Motti, wie etwa "Welten sichten" (2003) oder "under construction"(2006) stellten sich ein, das diskursive Element bekam größeren Platz eingeräumt. Für Schneider, die im 8.000 Einwohner-Viertel auch wohnt, war die Öffnung der Kunst in Richtung öffentlicher Raum und soziale Belange besonders wichtig. Kunst und Kultur als soziale Einmischung: Einiges ging dabei schief, vieles bleibt in guter Erinnerung, etwa die "Othello in Ottakring"-Produktion von Tina Leisch vor fünf Jahren, bei der aus den Fenstern eines leerstehenden Hauses in der Brunnengasse Richtung Straße gespielt wurde. Oder "Paradiesgarten. Betreten verboten" der Gruppe bauchplan mitten auf dem Yppenplatz, wo vor vier Jahren Anrainer gärtnerische Patenschaften für das Grün übernahmen. Vor zwei Jahren erschien im Springer-Verlag eine umfassende Festival-Dokumentation ("Soho in Ottakring. What's up? Was ist hier los?").

10.000 BesucherInnen im Gründungsjahr 1999, 13.0000 drei Jahre später, 16.000 im Jahr darauf, 20.000 BesucherInnen im vergangenen Jahr: Das zweiwöchige Kulturfestival mit hohem multikulturellem Engagement, welches 2008 mit dem mit 11.000 Euro dotierten Würdigungspreis für interkulturellen Dialog ausgezeichnet wurde, stieß auch europaweit bei Stadtplanern auf Interesse. Vorträge und Einladungen führten Schneider und ihre Partnerin Beatrix Zobl nach Belfast, Leipzig und Luzern. Die Fragestellung war überall die gleiche: Gibt es ein Patentrezept, mit Kunst und Kultur in Schieflage befindliche Viertel einer Stadt aufzuwerten?

Die Antwort, die Häberlin und Schneider darauf geben, läuft auf ein "eher Nein" hinaus. Patentrezepte und kopierbare Festival- Anleitungen gibt es nicht: Dafür sind die Variablen vor Ort zu wichtig, wie auch die Institutionen-Landschaft der jeweiligen Stadt. Bei Soho spielt etwa die Gebietsbetreuung Ottakring - vor über 30 Jahren gegründet und die erste ihrer Art - eine ebenso wichtige Rolle, wie das politische und finanzielle Commitment von Bezirksvorstehung, Kulturamt, aber auch der Wirtschaftskammer Wien mit ihren Lokal-Förderungen. "Ohne das damalige Servicecenter Geschäftslokale hätte das erste Soho-Festival gar nicht stattfinden können." Auch Szenelokale wie das "Kent" konnten sich etablieren, vor drei Jahren eröffnete die Caritas die Brunnenpassage, ein Kulturort mit stark sozialer Ausrichtung. Seitens der Stadt gab es neben Förderungen für Soho in den letzten Jahren auch Geld für Haussanierungen, vor allem floss öffentliches Geld in die Sanierung des Brunnenmarktes und des Yppenplatzes, die in nächster Zeit abgeschlossen und mit dem Fest "Der Markt tanzt" am 29. Juni gefeiert wird.

Heute ist Soho ein gut etabliertes, wienweit beachtetes Festival, irgendwo zwischen Kunst, Bobo-Zeitgeist, funktionierendem Marktgeschehen und Stadterneuerung angesiedelt. Ängste über eine womögliche Verdrängung der Anwohner durch wohlhabendere Schichten ("Bobo-Effekt") haben sich laut Häberlin nicht bestätigt. "Mietpreisbindung und Kündigungsschutz stellen da einen Riegel dar." Und: "Wien setzt nicht auf Eyecatcher-Viertel, um andere Gebiete zu übertünchen, sondern verfolgt einen Kurs, der auf einen Gesamtmix für die ganze Stadt abgestellt ist."

Schneider, die als Künstlerin mit Metall-Skulpturen arbeitet, hat übrigens bis 2003 auch eigene Arbeiten beim Festival gezeigt, etwa ein aus Blech in Originalgröße geschweißtes Motorrad, welches die auf Leinwand projizierte Höhenstraße entlangfuhr. Seither bleibt der 50jährigen für eigenes Kunstschaffen immer weniger Zeit: Die Festivalplanung zehrt am Zeitbudget des kleinen, heute dreiköpfigen Teams. Momente des "Hut drauf hauen" gab es ebenso, wie die Lust, neue Projekte anderswo in Wien zu starten. Was daraus wird, ist ungewiss. Das heurige Soho, welches sich unter dem Titel "Kick the Habit" mit Alltagsrassismus auseinandersetzt, startet am 08.05. ab 17.00 Uhr.
     
Informationen: http://www.sohoinottakring.at    
 
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