Die Pflege im Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde im Bundesrat   

erstellt am
06  05. 10

Hundstorfer: Pflegeberufe sind Jobmotoren
Wien (pk) - Die 784. Sitzung des Bundesrats wurde am 05.05. unter dem Vorsitz von Bundesratspräsident Peter Mitterer mit einer Aktuellen Stunde eröffnet. Thema waren die "Herausforderungen und Chancen im Pflegebereich", zuständiger Ressortminister Sozialminister Rudolf Hundstorfer. MandatarInnen der Freiheitlichen und der Grünen brachten gemeinsam eine Dringliche Anfrage an Finanzminister Josef Pröll ein, und zwar "betreffend desaströse Finanzsituation der Gemeinden".

In der Aktuellen Stunde meinte Bundesrat Reinhard TODT (S/W) als erster Redner, die Gesellschaft habe die Verpflichtung, dass alle Bürger unabhängig von ihrem Alter ihr Leben aktiv gestalten könnten. Es sei die Aufgabe der Gesellschaft, dafür die Grundlagen zu schaffen. Der Redner äußerte die Besorgnis, dass die Armut im Lande weiter zunehmen werde, was perspektivisch vor allem ältere Menschen betreffen werde. Dem müsse mit geeigneten Maßnahmen gegengesteuert werden, unterstrich Todt. Dies illustrierte der Redner sodann anhand des Pflegebereichs, wobei er dem Bundesminister für seine Aktivitäten dankte. In diese Richtung, so schloss Todt, müsse man weitergehen, um die Zielsetzungen in Richtung eines Lebens in Würde auch im Alter bestmöglich erreichen zu können.

Bundesrat Michael HAMMER (V/O) sprach von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern, um den wichtigen Bereich der Pflege zeitgemäß zu gestalten. Hier brauche es nicht nur die erforderlichen Grundlagen, sondern auch ein breit aufgefächertes Angebot und das entsprechende Personal. Nach wie vor sei es erstrebenswert, in den eigenen vier Wänden von den eigenen Angehörigen gepflegt zu werden. Dazu müsse aber das diesbezügliche Angebot in Richtung der Angehörigen attraktiv sein, denn es dürfe nicht sein, dass die Pflege von Angehörigen dazu führe, dass man im Alter dann selbst in Schwierigkeiten gerät. In Oberösterreich denke man bereits in diese Richtung und schaffe diesbezügliche Angebote, hielt Hammer fest. So sollte vor allem das ehrenamtliche Engagement stärker gefördert und unterstützt und die Attraktivität der Pflegeberufe verbessert werden, unterstrich der Redner.

Bundesrat Elmar PODGORSCHEK (F/O) konstatierte massive Veränderungen in unserer Gesellschaft, was dazu führe, dass immer mehr Menschen nicht in ihrem eigenen Umfeld gepflegt werden könnten. Es sei eine zentrale Aufgabe des Sozialstaats, auch diesen Menschen eine ansprechende Versorgung im Alter zu garantieren. Konkret votierte der Redner für eine zeitgemäße Qualität der Ausbildung in Pflegeberufen und für einen ansprechenden sozialen Rahmen in diesem Bereich. Auch wäre eine bundeseinheitliche Einrichtung als Träger für den Pflegebereich anzudenken, um den Zugang zu diesem Angebot im Interesse der Pflegebedürftigen zu erleichtern.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER erklärte, Österreich habe eines der besten Systeme in Sachen Pflegegeld. Im internationalen Vergleich zeige sich, dass in Österreich doppelt so viele Leute von dieser Einrichtung profitierten als in Deutschland. Österreich gab im Jahr 2008 insgesamt 2,1 Mrd. Euro für Pflegegeld aus, dazu kämen noch einmal knapp 1,7 Mrd. Euro an Sachleistungen. 1,33 Prozent des BIP wende Österreich für seine Pflegebedürftigen auf. Das Pflegegeldsystem funktioniere seit 1993 hervorragend, Österreich leiste mithin auf diesem Gebiet Vorbildliches.

Sodann ging der Minister auf einzelne Detailaspekte des Pflegebereichs ein und kündigte weitere Aktivitäten auf diesem Gebiet an, um das hohe Niveau in der Pflege auch weiterhin halten zu können. Hier müsse vor allem im urbanen Bereich nachgebessert werden, um auch dort die Rahmenbedingungen zu optimieren. Generell sei man aber gut auf dem Weg, erklärte das Regierungsmitglied.

Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) unterstrich die Brisanz des Themas und erinnerte an die Debatte um den "Pflegenotstand" im Jahr 2006. Nach wie vor bestehe auf diesem Gebiet Handlungsbedarf, zumal es in seiner Bedeutung auch weiterhin zunehmen werde. Man müsse rasch und zukunftsorientiert handeln, es brauche ein zeitgemäßes Pflegemanagement und eine ansprechende Attraktivierung der Pflegeberufe. Auch die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden, wie es generell bessere Rahmenbedingungen und Strukturen brauche, um die Pflege auch in Zukunft abzusichern.

Bundesrätin Monika KEMPERLE (S/W) sprach die Altersstruktur an, die sich immer mehr in Richtung alte Menschen verschiebe, was bedeute, dass in 20 Jahren jeder neunte Bürger über 75 Jahre alt sein werde, was ein entsprechendes Ansteigen der Pflegebedürftigkeit zur Folge haben werde. Andererseits sehe es derzeit am Arbeitsmarkt nicht gerade optimal aus, sodass eine Investition in den Pflegebereich doppelt positiven Effekt haben werde. Dazu müssten allerdings auch die Rahmen- und Arbeitsbedingungen im Pflegebereich optimiert werden. So brauche es einen qualitativen und quantitativen Ausbau des Betreuungsangebots und auch weiterhin die Zurverfügungstellung der erforderlichen Mittel.

Bundesrat Edgar MAYER (V/V) wies auf die steigende Zahl von Langzeitarbeitslosen hin und regte an, den Betroffenen entsprechende Qualifikationsmaßnahmen anzubieten, um sie im Tourismus und im Pflegebereich einsetzen zu können. In Vorarlberg gebe es bereits ein entsprechendes Projekt für langzeitarbeitslose Frauen, erklärte er.

Generell fürchtet Mayer, dass der bestehende Personalmangel im Pflegebereich weiter anwachsen werde. Er wertete in diesem Sinn eine Initiative im Bereich der Pflegeberufe und eine dringende Aufwertung des Berufsbildes für erforderlich. Nach wie vor leisten Mayer zufolge Familien einen Großteil der Pflegearbeit, so würden etwa in Vorarlberg derzeit 90 % der Pflegebedürftigen zu Hause betreut.

Bundesrat Johann ERTL (F/N) gab zu bedenken, dass sich Österreich historisch gesehen in einer einmaligen Situation befinde. Noch nie habe es so viele alte Menschen gegeben. Es gebe aber wenig taugliche Modelle für die Gestaltung des Alltags hochbetagter Menschen, bemängelte er. Auch sei im Bewusstsein der Bevölkerung das Begriffspaar alt und krank eng verwoben. Ertl glaubt, dass die Betreuung älterer Menschen in Zukunft Teil einer normalen Lebensbiographie von Frauen sein werde und die Betreuung von Müttern und Vätern nahtlos an die Betreuung von Kindern anschließen könnte. Gefordert sieht der Bundesrat die Politik, die für adäquate Pflegeeinrichtungen zu sorgen habe und Menschen ein Altern in Würde ermöglichen müsse.

Bundesrat Peter ZWANZIGER (A/K) wies auf ein Pilotprojekt in Kärnten hin, das eine zentrale Planung für die 12 bestehenden mobile Pflegedienste zum Ziel habe. Durch eine zentrale Steuerung des Mitarbeitereinsatzes sollen ihm zufolge leere Kilometer durch lange Anfahrtswege des Pflegepersonals vermieden werden. Schließlich habe eine Untersuchung gezeigt, dass die MitarbeiterInnen von mobilen Pflegediensten nur 60 % ihrer Arbeitszeit für Pflege und Betreuung aufbringen, während 40 % für Verwaltung und Fahrzeit aufgehen. In einem ersten Pilotversuch hätten 15 % der Kilometer und 10 % der Kosten eingespart werden können, skizzierte Zwanziger.

Sozialminister Rudolf HUNDSTORFER unterstrich in einer zweiten Wortmeldung, die Pflegeberufe seien derzeit einer der größten Jobmotoren. Das AMS habe das Schulungs- und Qualifikationsangebot in diesem Bereich zuletzt verdoppelt, schilderte er, für Absolventen gebe es eine hohe Vermittlungsquote. Allerdings merkten Hundstorfer zufolge manche Betroffene nach einiger Zeit, dass dieses Berufsfeld nichts für sie sei. Um den Pflegeberuf für ältere ArbeitnehmerInnen attraktiver zu machen, strebt Hundstorfer alternative Arbeitszeitmodelle an.
     
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