Nationalratsdebatte zur Griechenland-Hilfe  

erstellt am
19  05. 10

 Faymann: Bürger haben das Recht, gehört zu werden
Der Bundeskanzler verstärkt Druck auf Regulierung der Finanzmärkte und fordert europäische "Wirtschafts- und Sozialregierung" als Antwort auf die Griechenlandkrise
Wien (sk) - "Die Länder der Eurozone sind unterschiedlich - in Struktur, Wirtschaftskraft, Schattenwirtschaft, Korruption. Es gibt keine absolute Vergleichbarkeit. Wir stehen vor der Aufgabe, auf diese Unterschiede zu reagieren und gemeinsame soziale und wirtschaftspolitische Grundlagen zu schaffen", eröffnete Bundeskanzler Werner Faymann am Vormittag des 19.05. die Nationalratsdebatte über das Hilfspaket für Griechenland. Der Bundeskanzler sprach sich für eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung aus, aber nur, wenn damit eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialregierung gemeint sei. "Wenn es aber darum geht, Maßnahmen vorzugeben, wie wir unsere Budgetziele zu erreichen hätten, dann sagen wir nein."

Faymann stellt die Frage nach den Konsequenzen, die jetzt aus der Krise gezogen werden: "Sind wir bereit, nach drei Jahren Krise die Konsequenzen zu ziehen? Bringen wir eine europäische Rating-Agentur zustande, damit nicht länger Privatfirmen in den USA unsere Firmen und ganze Staaten bewerten? Wir brauchen eine Finanzmarktaufsicht, die der Rede wert ist. Die Hedgefonds unter die Lupe zu nehmen allein reicht nicht aus. Wir müssen die Automatik, von einer Krise in die nächste zu schlittern, gemeinsam und entschlossen unterbrechen." Österreich habe die Krise gut gemeistert, unterstrich der Bundeskanzler unter Verweis auf die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit und die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. "Unsere Klein- und Mittelbetriebe haben eine große Bedeutung für die Beschäftigungspolitik. Sozialpartner und Regierung halten zusammen. Österreich steht besser da als viele andere Länder in Europa." In der Zukunft werde es entscheidend sein, wer die Nase vorne habe bei Bildung und Ausbildung, bei Forschung und Entwicklung. Die Bedeutung dieser Bereiche müsse sich im Budget niederschlagen. "Alle Vorschläge und Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, werden von uns auf ihre soziale Gerechtigkeit und auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft."

Regeln für den Finanzmarkt
Zur Regulierung der europäischen Finanzmärkte sagte der Bundeskanzler: "Bisher haben wir nur viele Überschriften - Finanztransaktionssteuer, Finanzmarktaufsicht, eigene Rating-Agentur, Verbot von Leerverkäufen, Regeln für den Finanzmarkt. Für die Umsetzung dieser Vorhaben müssen wir uns jetzt massiv einsetzen." In Bezug auf seine gestrige Reise nach Berlin zur gemeinsamen Präsentation einer europäischen Bürgerinitiative mit Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier meinte der Bundeskanzler: "Im Herbst werden die Durchführungsbestimmungen für die europaweite Volksbefragung in die Tat umgesetzt. Die Bürger haben das Recht gehört zu werden und ihre Meinung zur Notwendigkeit einer Finanztransaktionssteuer, einer europäischen Finanzmarktaufsicht, zum Verbot von hoch spekulativen Geschäften oder hinsichtlich einer europäischen Rating-Agentur kund zu tun. Für all das werde ich mit meinen deutschen Freunden massiv in Europa werben."

Die Transaktionssteuer stehe in Österreich außer Diskussion, die Frage sei nur noch, welche Qualität sie habe und welchen Anteil sie bei der Bezahlung der Krise übernehmen werde. "Das ist noch ein weiter Weg, da will ich niemandem Sand in die Augen streuen", so Faymann, der sich für die nationale Umsetzung einer Börsenumsatzsteuer als ersten Schritt aussprach.

"Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise sind selbstverständlich am besten international durchzusetzen. Wenn das nicht möglich sein sollte, dann auf europäischer Ebene. Aber wenn die Alternative wäre, gar nichts zu tun, dann werden wir natürlich auf nationaler Ebene tätig. Letztlich brauchen wir alle drei Ebenen zur Bewältigung der Krise."

 

 Pröll: EU-Rettungsschirm nicht aus Jux und Tollerei
ÖVP-Finanzsprecher Stummvoll enttäuscht über Opposition - hätte sich Schulterschluss erwartet
Wien (övp-pk) - Die internationale Krise ist in der Zwischenzeit vor der Haustür jedes Einzelnen angekommen. Ein ganzes Wirtschaftssystem und eine Währung stehen auf dem Spiel. Deshalb war es wichtig, dass wir die Verantwortung in Brüssel wahrgenommen und Haftungen übernommen haben. Das sagte ÖVP-Finanzminister Josef Pröll in der Nationalratsdebatte zum Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz. Und Pröll weiter in Richtung Opposition: "Glaubt irgendjemand hier im Haus, dass 16 Euro-Finanzminister und 27-Ecofin-Minister aus Jux und Tollerei Pakete in einer Dimension schnüren, wie sie Europa noch nie gesehen hat?" Diese Krise betreffe jeden, und er lade alle Parlamentsparteien in dieser sehr bedrohlichen Zeit zur konstruktiven Mitarbeit ein, so Pröll abschließend.

Stummvoll: Euro-Schutzschirm und Schuldenbremse
"Angesichts der Tagesordnung hätte dieser Sitzungstag ein wirklich großer Tag für das Parlament sein können. Denn wir beschließen heute den Schutzschirm für den Euro (,unser Geld‘) und das Bundesfinanzrahmengesetz, die Schuldenbremse für die nächsten vier Jahre", sagte ÖVP-Finanzsprecher Abg. Dr. Günter Stummvoll anlässlich der Debatte über das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz im Nationalrat. Enttäuscht zeigte er sich aber vom Verhalten der Opposition. Gerade bei Punkten, die das existenzielle Interesse wie die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger um ihr Geld betreffen, hätte er sich einen politischen Schulterschluss erwartet: "Es wäre ein schönes Signal an die Bürger gewesen."

Mit diesem Thema könne man kein politisches Kleingeld wechseln, verwies Stummvoll auf eine Umfrage, wonach sich 81 Prozent der Bevölkerung für dieses Rettungspaket aussprechen. "Die Menschen sind viel vernünftiger als manche von der Opposition glauben. Wir machen das Paket nicht den Griechen zuliebe, sondern im Eigeninteresse", verwies Stummvoll auf die allein sieben Milliarden Euro an österreichischem Investment in Griechenland. Bei einer Pleite hätte Österreich auf einen Schlag fünf Milliarden verloren. "Wir haben dank unseres Finanzministers eine intelligente Lösung gefunden", zeigte sich der Abgeordnete froh darüber, dass "die Verantwortung für unser Land und den Euro in den Händen dieser Regierung ist. Was hier geleistet wurde, wird vielleicht nicht von der Opposition anerkannt, aber sicher von den Bürgerinnen und Bürgern.".

 

Vilimsky: Banken und nicht Bürger sollen für Griechenland zahlen
Genau diese Banken, die satte Gewinne eingefahren hätten, seien nun im Zuge einer Gläubigerkonferenz zur Verantwortung zu ziehen
Wien (fpd) - Ganz im Gegensatz zur Darstellung der Bundesregierung, zeigte der freiheitliche Generalsekretär NAbg. Harald Vilimsky auf, dass es selbstverständlich auch Alternativen zum vorliegenden Rettungspaket für Griechenland gebe. So könne man etwa im Zuge einer Gläubigerkonferenz Griechenland entschulden und das Land aus der Eurozone entlassen.
Es seien die Verursacher und nicht die Bürger zur Verantwortung zu ziehen, forderte Vilimsky, der darauf verwies, dass die Banken, die jetzt nach staatlicher Hilfe rufen würden, in der Vergangenheit prächtig an den griechischen Anleihen verdient hätten. So seien etwa Gelder die sich die Banken um ein Prozent Zinsen von der EZB geholt hätten um zehn Prozent Zinsen in griechische Anleihen investiert worden. Das heiße 9 Prozent Rendite fürs Nichtstum ohne Risiko, so Vilimsky.

Genau diese Banken, die satte Gewinne eingefahren hätten, seien nun im Zuge einer Gläubigerkonferenz zur Verantwortung zu ziehen, so Vilimsky. Dies sei ein ganz normaler Vorgang, wie er in der Wirtschaft täglich praktiziert werde, zeigte Vilimsky diese Alternative auf. Mit einer wiedereingeführten und gegenüber dem Euro abgewerteten Drachme, könne so der griechische Konjunkturmotor ordentlich angekurbelt werden, ohne dass alle anderen Euro-Länder mit in den Abgrund gerissen würden, so der freiheitliche Generalsekretär. Sollte man den derzeitigen Weg weiter gehen, würden die Probleme nicht kleiner sondern noch größer werden, warnte Vilimsky. "Die kleinen Leute in Griechenland und Österreich können nichts für die Krise, die die Banken verursacht haben", betonte Vilimsky. Es sei daher nicht einzusehen, warum hier der Steuerzahler und nicht der Verursacher zur Kasse gebeten werde, schloss Vilimsky.

 

Bucher: Wir brauchen endlich Mut zur Wahrheit!
Wir sind nicht über den Berg, jetzt geht die Krise los!
Wien (bzö) - Wenn Finanzminister die Öffentlichkeit über die Belastungen der EU wegen Griechenland informiert, dann "richtig und vom tatsächlichen Betrag von 750 Milliarden Euro", mahnte BZÖ-Bündnisobmann Abg. Josef Bucher in seinem Debattenbeitrag zur österreichischen Beteiligung an der Griechenland-Hilfe. 50 Milliarden, die Pröll unter den Tisch fallen hatte lassen, entsprechen dem österreichischen Budget - "Sie haben die richtige Sichtweise verloren!" Bucher verlangte: "Wir brauchen endlich Mut zur Wahrheit!"

"Sie denken an Partei", richtete Bucher an SPÖ-Klubobmann Cap, "die ÖVP denkt an die Banken- nur das BZÖ denkt an die Steuerzahler", so Bucher. "Sie werfen mit Milliarden herum, als hätte man das Geld abgeschafft", kommentierte der BZÖ-Bündnisobmann das 100-Milliarden-Bankenpaket und nun noch 5,7 Milliarden Hilfe für Griechenland. "Sprechen Sie von den richtigen Beträgen und lügen Sie uns nichts vor", verlangte Bucher von Pröll, der einen geringeren Betrag genannt hatte

Mit dem Euroschutzschirm mit 15 Milliarden zusätzlicher Haftung und Garantien von den Steuerzahlern werde ein bedrohlicher Kreislauf in Bewegung gesetzt. Die hunderten Milliarden, die die Regierungen in die Bankenrettung gepumpt haben, würden zu Steuererhöhungen führen. "Nach den Wahlen kommt ein Rot-Schwarzes Steuerpaket, dass uns schwindlig wird", warnte Bucher.

Bucher kritisierte, dass "über Nacht hunderte Milliarden zur Bankenrettung zur Verfügung gestellt wurden, aber keine Bankenkontrolle installiert wurde". Nur Steuererhöhungen und Belastungen stünden im Raum. Gleichzeitig sei die Regierung immer vorschnell bei Auflagen gegen KMU?s, die mit überbordender Bürokratie konfrontiert werden, "aber Banken und Spekulanten können tun, was sie wollen - das gehört abgestellt!"

Das 15-Milliarden-Europaket führe zu weiteren Verschuldungen, Steueraufkommen und Wirtschaftswachstum werden dies laut Bucher nicht kompensieren können. Deshalb forderte der BZÖ-Bündnisobmann rasch Reformen, weil Österreich eine dramatische Verschuldung drohe. "Ich verlange Mut zu Reformen, damit sich auch nächste Generationen noch rühren können", erklärte Bucher. Da sei es blanker Hohn von Pröll, Inserate zu schalten, um den Steuerzahlern zu zeigen, wie hoch ihre Schulden sind.

"Wir brauchen ein Geld-Schutz-Paket für den Euro und für die Steuerzahler", forderte Bucher. Dazu zählen ein europäischer Währungsfonds, eine europäische Ratingagentur, eine Spekulationssteuer und eine funktionierende Finanzmarktaufsicht. Zusätzlich brauche es einen Sanktionsmechanismus, denn zahnlose Vereinbarungen reichten nicht, um an der Krise schuldige Länder zur Kasse zu bitten.

An Finanzminister Pröll richtete Bucher: "Wir sind nicht über den Berg, jetzt geht die Krise los! Wir werden uns warm anziehen müssen, wenn wir dies gemeinsam überwinden wollen!"

 

 Glawischnig: Grüner Klub stimmt nicht ohne glaubwürdige Begleitmaßnahmen zu
Zwei Grüne Pro-Stimmen signalisieren Notwendigkeit der Rettungspakete
Wien (grüne) - In ihrer Parlamentsrede betonte die Grüne Klubchefin Eva Glawischnig, wie "notwendig und unverzichtbar" die Rettungspakete für Eurozone und Griechenland sind. "Aber ebenso unverzichtbar ist es, Maßnahmen zu setzen, die die Ursachen bekämpfen. Solche Maßnahmen werden seit Jahren von Rednerpulten in Österreich wie auch Europa gepredigt, aber deren Umsetzung kommt nicht."

Die Grüne Bundessprecherin ortet einen "massiven Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik. Der Raubtierkapitalismus muss endlich gezähmt werden. Die Menschen fragen sich, wer regiert, wer reguliert eigentlich wen? Warum wird die Finanztransaktionssteuer über Jahre verschleppt? Warum setzt die österreichische Regierung keine Initiativen in der EU? Stattdessen kündigt Bundeskanzler Faymann eine BürgerInnen-Initiative an! Die Bevölkerung brauchen Sie nicht mehr überzeugen, Herr Faymann, die ist seit langem überzeugt. Als Regierungschef sollten Sie versuchen, Ihre europäischen Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen."

Glawischnig ist vollkommen unverständlich, warum nicht zeitgleich mit dem Beschluss des 750-Mrd.-Euro-Pakets Begleitmaßnahmen wie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer beschlossen wurden. "Das Griechenland-Paket war nicht alternativlos. Die Gläubiger hätte man mit ins Boot holen müssen, die Schulden des Landes bereits vor Monaten umstrukturieren. Griechenland wird es nicht schaffen - Finanzminister Pröll weiß das. Er wird nachverhandeln müssen, die Gläubiger dazuholen."

Um zu zeigen, dass die Grünen dennoch die Unverzichtbarkeit der Rettungspakete anerkennen, werde es nicht einstimmig abgelehnt werden. Glawischnig: "Es wird von uns zwei Pro-Stimmen geben. Der Rest der Stimmen unseres Klubs ist dann zu bekommen, wenn die Regierungsparteien uns beweisen, dass es ihnen mit weiteren Maßnahmen ernst ist. Vor allem die Kanzlerpartei SPÖ kann ein Zeichen setzen: Stimmen Sie unserem Antrag zu, eine österreichische Spekulationssteuer einzuführen, solange es keine europäische Umsetzung einer solchen Steuer gibt. Machen Sie endlich Nägel mit Köpfen. Wenn nicht, schwächen Sie Europa und verspielen das Vertrauen der Bevölkerung in ein extrem wichtiges Projekt vollends."
 
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