Jeder vierte Gewerbebetrieb findet keine Facharbeiter   

erstellt am
12. 07. 10

St. Pölten (nöwpd) - Handwerk und Gewerbe in der Ostregion schlagen Alarm: In Niederösterreich und Wien finden mehr als 10.000 Gewerbe- und Handwerksbetriebe keine geeigneten Fachkräfte, weil es den Stellenbewerbern an der geforderten Qualifikation mangelt. Die Misere beginnt schon bei den Lehrlingen: Viele Jugendliche, die die Schule verlassen haben und ihre Berufsausbildung starten wollen, sind "nicht reif für einen Lehrvertrag", bringt es Renate Scheichelbauer-Schuster, neue Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk in der NÖ Wirtschaftskammer, gegenüber dem NÖ Wirtschaftspressedienst auf den Punkt.

"Dabei fehlen den jungen Leuten weniger die Kenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen, als vielmehr soziale Kompetenzen, wie Pünktlichkeit, Kommunikation oder Teamfähigkeit", stellt Scheichelbauer-Schuster fest. Bei so manchem angehenden Lehrling vermisse sie auch den "gesunden Hausverstand". Das sei in den Ballungszentren schlimmer als im ländlichen Raum, so die Spartenobfrau.

Hatte im Vorjahr bei einer Befragung der KMU-Forschung Austria noch jeder fünfte Gewerbe- und Handwerksbetrieb in Niederösterreich über Fachkräftemangel geklagt, war es heuer bereits fast jeder vierte. "Diese Entwicklung beeinträchtigt natürlich auch die Geschäftstätigkeit. Damit wir mehr qualifizierte Lehrlinge bekommen, muss die Berufsinformation in den Schulen ausgebaut werden", fordert Scheichelbauer-Schuster. Auch die Maturanten wolle man in Zukunft verstärkt für Tätigkeiten in Gewerbe und Handwerk gewinnen. Zur Zeit bildet die Wirtschaftssparte in Niederösterreich 10.000 Lehrlinge in den verschiedensten Berufen aus.

In dasselbe Horn stößt auch Walter Bornett, Leiter der KMU-Forschung Austria. Zu glauben, man könne in Österreich das Problem des Fachkräftemangels mit Ein- und Zuwanderung lösen, sei eine Illusion. "Die Mobilitätsbereitschaft in den Nachbarstaaten wird bei uns maßlos überschätzt. Werktätige aus Ostungarn pendeln ja nicht einmal nach Westungarn, obwohl sie schon dort merklich mehr verdienen würden", erklärt Bornett.

Die Gewerbe- und Handwerksbetriebe bräuchten die Fachkräfte dringend, zumal im 2. Quartal 2010 "ein zartes Hoffnungspflänzchen" am Konjunkturhorizont erschienen sei. "Es geht wieder leicht aufwärts, so dass die Branche - wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt - bis zum Ende des Jahres in Niederösterreich um 2.000 bis 3.000 Arbeitsplätze mehr wird bereitstellen können", sagt Bornett. Mit einem Gesamtjahresumsatz von fast zwölf Milliarden Euro, einem Exportvolumen von 700 Millionen und 125.000 Beschäftigten seien die 35.000 NÖ Gewerbe- und Handwerksbetriebe ein "heterogener Riesenkonzern".
     
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