Wien: Barocke Särge aus der Michaeler Gruft werden restauriert   

erstellt am
13. 07. 10

Ein kulturhistorisches Denkmal der Sonderklasse, das auch für die Menschen von heute eine religiöse Botschaft hat
Wien (pew) - Ein Wiener kulturhistorisches Denkmal der Sonderklasse, das auch für die Menschen von heute eine religiöse Botschaft hat, wird restauriert: Die barocken Särge aus der Michaeler Gruft. Bei einer Pressekonferenz im Michaeler-Refektorium wurde das großangelegte Projekt am 12.07. von Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Landeskonservator Friedrich Dahm und der Wiener Diözesankonservatorin Elena Holzhausen gemeinsam mit dem Pfarrer von St. Michael, P. Peter van Meijl, vorgestellt. P. van Meijl schilderte aus Erfahrung, welche „therapeutische“ Auswirkung die Begegnung mit der Michaeler Gruft vor allem auf junge Menschen hat: „Sie verstehen, dass gut leben kann, wer auch gut sterben kann“. „Die Gruft dokumentiert mit ihren Särgen den Umgang der Menschen im 17. und 18. Jahrhundert mit dem Tod und auch das Selbstverständliche Hineinnehmen des Lebens in den Tod und des Todes in das Leben“, sagte die Wiener Diözesankonservatorin Elena Holzhausen bei der Pressekonferenz.

Mit mehr als 250 Särgen ist die Michaeler Gruft nördlich der Alpen ein singuläres Denkmal der sonst für den mediterranen Barock typischen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Todes. Die historischen Lüftungskanäle der weitläufigen Gruftanlage waren in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts geschlossen worden, wodurch es zu einer dramatischen Verschlechterung des Raumklimas kam. Zusammen mit dem Einfall des australischen Rüsselkäfers wurde damit dem Zerfall der historischen Särge Tür und Tor geöffnet, auch die Trauerkleidung der Bestatteten war gefährdet.

Ab 2004 konnte mit Hilfe des Bundesdenkmalamtes die Temperatur und Luftfeuchtigkeit wieder auf das ursprüngliche Niveau gesenkt werden. Die Restaurierung von zunächst 50 Särgen ist jetzt die zweite Etappe des Sanierungswerks. Die ersten sechs Särge wurden unmittelbar nach der Pressekonferenz in eigens gezimmerten Transportkisten Richtung Restaurierungswerkstätte abtransportiert. Die Kosten für die Restaurierung der 50 Särge betragen 550.000 Euro; der Betrag wird gemeinsam vom Kulturamt der Stadt Wien, dem Bundesdenkmalamt, der Erzdiözese Wien und der Pfarre St. Michael aufgebracht. Stadtrat Mailath-Pokorny erinnerte bei der Pressekonferenz daran, dass die Stadt Wien in den letzten zehn Jahren insgesamt rund 20 Millionen Euro in die Restaurierung von Sakralbauten investiert hat. Das sei ein Ausdruck des Bekenntnisses der Stadt zur Bedeutung der Sakralbauten für Identität, Geschichte und Kultur Wiens. In diesem Zusammenhang würdigte der Stadtrat die gute Zusammenarbeit mit der Erzdiözese Wien und den Pfarrgemeinden.

Für die Särge in der Michaeler Gruft ist eine der wichtigsten Restaurierungsmaßnahmen die Bekämpfung von Holzschädlingen und Pilzbefall. Die vorhandenen Schimmelpilze werden abgesaugt, durch konstante Luftzirkulation wird ein Wiederbefall verhindert. Das Bundesdenkmalamt gewährleistet eine fachgerechte Restaurierung der Särge nach den international anerkannten Regeln der Restaurierungspraxis, so Landeskonservator Friedrich Dahm.

P. van Meijl bezeichnete bei der Pressekonferenz die Michaeler Gruft als ein „Biotop“, einen Ort des Lebens. Nach dem Besuch der Gruft sehe man bei vielen Menschen einen „Glanz entspannter Gelassenheit“ in ihren Augen. „Jetzt habe ich keine Angst mehr vor dem Tod“, sei die Aussage vieler jugendlicher Schüler. Obwohl die Symbolsprache der Vorfahren auf jedem Sarg eindrucksvoll mit dem Hinweis „memento mori“ (denk daran, dass auch du einmal sterben wirst) zu lesen sei, vermittle die Michaeler Gruft den heutigen Besuchern vor allem die Botschaft „memento vivere“ (denk daran, dass du ab jetzt zu leben hast). Das sei eine Einladung, das eigene Leben nicht „wegzuwerfen“, „wegzusaufen“ oder „wegzuspritzen“.

Viele Zeitgenossen verdrängen vieles, was mit dem Thema „Sterben“ und „Tod“ zu tun hat, erinnerte der Pfarrer der Michaelerkirche. Beim Besuch in der Michaeler Gruft werde gerade das Verdrängte auf natürliche Weise wieder bewusst gemacht, sodass die Menschen seelisch und religiös gesunden könnten – nicht zuletzt dank des Einsatzes der hoch motivierten „Gruft-Führer“. Der historische Raum spreche die Sprache der Ergriffenheit und der Echtheit, betonte P. van Meijl: „Wer in die Michaeler Gruft hinunter steigt, steigt in sich selber hinunter“.
     
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