LH Durnwalder: Über-, Rück- und Ausblick   

erstellt am
13. 08. 10

Bozen (lpa) - Einen politischen Über-, Rück- und Ausblick hat Landeshauptmann Luis Durnwalder am 12.08. gegeben. Grund dafür war die bereits traditionelle Sommerpressekonferenz im Ferienhaus des Landeshauptmanns in Pfalzen. Ebenfalls Tradition hat die Aufteilung des Durnwalderschen Rundum-Blicks: von Europa über Rom bis nach Bozen.

Als „nicht so bewegt wie sonst“ hat Durnwalder etwa das vergangene Brüsseler Polit-Halbjahr bezeichnet, nachdem man in der Mitte des laufenden Planungszeitraums stecke. In Südtirol sei man allerdings, so der Landeshauptmann, an einen guten Punkt angelangt, wenn es um die Umsetzung der EU-Programme geht. „Wir haben bereits rund 60 Prozent der insgesamt 700 Millionen Euro EU-Gelder in Südtirol verpflichtet und sind damit anderen Regionen um Längen voraus“, so Durnwalder, der deshalb auf noch folgende Umschichtungen von Mitteln aus anderen Regionen hofft.
Was die Zukunft der EU-Agrarpolitik betrifft, so kämen auf die Berglandwirtschaft große Neuerungen zu, die sich vor allem aus dem Auslaufen der Milchquoten-Regelung ergeben. Allerdings habe man bereits die Zusage, dass das Berggebiet auch nach 2013 entsprechende Berücksichtigung finden werde: „Wir denken hier etwa an eine Fortführung der Ausgleichszulage, an eine Marke für Qualitätsprodukte aus dem Berggebiet oder an die Förderung der Erzeugergenossenschaften“, so der Landeshauptmann.

Im Zusammenhang mit der EU hat Durnwalder heute auch das Thema Brennerbasistunnel (BBT) und dessen Zulaufstrecken angeschnitten. Diese müssten gebaut werden. „Es liegt nun an allen Beteiligten, sich entsprechend dafür einzusetzen“, so der Landeshauptmann, der heute auch wieder auf die damit zusammenhängenden Anliegen rund um eine mögliche Verlängerung der Konzession für die Brennerautobahn sowie um die Sicherstellung der Querfinanzierung einging. Der im staatlichen Finanzgesetz gemachte Vorschlag einer gemischten BBT-Promotorengesellschaft zwischen Brennerautobahn- und Eisenbahngesellschaft sowie der Staatsstraßenverwaltung ANAS will Durnwalder so nicht einfach gutheißen. „Es hängt wesentlich davon ab, welche Rolle der Brennerautobahn-Gesellschaft in dieser neuen Gesellschaft zugestanden wird und es darf nicht dazu kommen, dass diese lediglich als Finanzier der ANAS auftritt“, so der Landeshauptmann.

Was das Verhältnis zu Rom betrifft, so beschrieb Durnwalder dieses als „weiterhin etwas kühl“, als „korrekt, aber nicht freundlich“. In Sachen neue Kompetenzen und Ausbau der Autonomie herrsche Stillstand, der Steuerföderalismus „schläft“ und in der 6er-Kommission gehe auch nicht viel voran. „Bis auf die Neuregelung des Zweisprachigkeits-Nachweises ist nichts vorangegangen, nur bei der Neuregelung der Aufteilung der Kontrollen zwischen Land und Rechnungshof scheint eine Lösung nahe“, so der Landeshauptmann. Hier geht es vor allem um die im Mailänder Abkommen zur Finanzierung der Autonomie getroffene Vereinbarung, wonach künftig das Land für die Rechnungs-Kontrollen in seinen Körper- und Gesellschaften zuständig sein soll.

Das Mailänder Abkommen selbst hat Landeshauptmann Durnwalder als großen Erfolg gewertet, „der in der heutigen Situation so sicher nicht mehr zustande kommen könnte“. Zwar habe auch das Land finanziell Federn lassen müssen, allerdings in verkraftbarem Ausmaß. Wichtig sei zudem, dass das Abkommen einen Passus enthalte, wonach es lediglich in beiderseitigem Einverständnis abgeändert werden dürfe. „Wir haben hier also Sicherheit für die Finanzierung der Autonomie geschaffen“, so Durnwalder.

Teil des Mailänder Abkommens ist auch eine mögliche Übernahme der Postverteilung durch das Land. Innerhalb 15. September soll es einen konkreten Vorschlag für ein Pilotprojekt im Pustertal geben. „Wir denken an die Zusammenlegung der Dienste der Post mit anderen Diensten, etwa jenen der Tourismusvereine“, so Durnwalder. Aber auch in bestimmten Geschäften könnten Dienste der Post angeboten werden. „Sicher kommt es dazu, dass spezielle Dienste nur in größeren Postämtern geleistet werden“, erklärte heute der Landeshauptmann. Darüber hinaus könne die Postverteilung im Berggebiet auch von Freiberuflern übernommen werden, etwa von Bauern im Nebenerwerb.

Neuwahlen auf römischer Ebene hält der Landeshauptmann mittlerweile für wahrscheinlich. Dies auch, weil die amtierende Regierung nicht imstande sei, die Wahlversprechen nach weniger Steuern, weniger Bürokratie und mehr Leistungen umzusetzen.

Auf Landes-Ebene nannte Durnwalder heute die Wirtschaftskrise als ersten Punkt. Die Krise habe Südtirol nicht so dramatisch erfasst, wie andere Gebiete. „Das ist ein Beweis dafür, dass unsere klein strukturierte, auf Familienunternehmen aufbauende Wirtschaft flexibel auf Änderungen reagieren kann und damit auch krisensicherer ist“, so der Landeshauptmann. Auch wenn in anderen Gebieten krisenbedingt ein Wirtschaftsabschwung eingetreten sei, habe Südtirol stets einen – wenn auch geringen – Aufschwung verzeichnet. „Das verdanken wir ganz sicher auch unserer Autonomie, dank derer wir uns auf die örtlichen Verhältnisse einstellen können“, so Durnwalder, der auch auf die bereits spürbare Erholung von der Krise hingewiesen hat: So werde in Südtirol mit einem Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,5 Prozent gerechnet, der Export habe sogar um 6,4 Prozent angezogen. „Und mit diesem Aufschwung einher geht auch das Wachstum des Verkehrs um 2,4 Prozent“, erklärte der Landeshauptmann mit Verweis auf all jene, die bereits ein dauerhaftes Sinken des Verkehrs prognostiziert hatten.

Optimismus sei auch bei den Unternehmen zu spüren. So blickten 72 Prozent der Firmen in Südtirol optimistisch in die Zukunft, nur sechs von 43 Sparten erwarteten sich eine schwierige Entwicklung. Nach wie vor auf Platz eins rangiere Südtirol auch in Sachen Pro-Kopf-BIP (34.000 Euro pro Einwohner, der italienische Schnitt liegt bei 26.300 Euro).

Für das Haushaltsjahr 2011 rechnet Durnwalder mit steuerlichen Mindereinnahmen von 80 bis 90 Millionen Euro und gleichzeitig einem Anstieg der Ausgaben (etwa für Gehalts- oder Rentenanpassungen) von rund 120 Millionen Euro. „Kürzungen werden also notwendig sein, etwa im Bereich der öffentlichen Bauten, wo genau wir aber den Rotstift ansetzen, müssen wir noch sehen“, so der Landeshauptmann.

Zufrieden zeigte sich Durnwalder mit den Umfrageergebnissen zur Politik der Landesregierung, die 58 Prozent der Befragten als gut einschätzen (im Vorjahr waren es 52 Prozent gewesen), auf der Notenskala erreicht die Landesregierung eine 7,41, während der Landtag etwa bei 7,14 oder der Staat bei 6,62 liegen.

Einen Blick nach vorn warf der Landeshauptmann auf die politischen Vorhaben im Herbst. „Es stehen einige heikle Entscheidungen an“, so Durnwalder. Allen voran nannte er heute das Landesgesetz zur Einwanderung. „Dieses muss klar regeln, welche Hilfen Einwanderer erhalten, wie sie zu einer Wohnung kommen, wie in der Schule mit ihnen umgegangen wird“, so der Landeshauptmann. Das Gesetz müsse aber auch klare Vorgaben enthalten, wie die Integration vorangetrieben werden könne. „Wenn wir uns nicht darum kümmern, werden es andere tun, mit all den Schäden, die sie anrichten“, so Durnwalder, der vor allem auf die Bedeutung verwiesen hat, nicht nur Einwandererkinder, sondern auch deren Eltern in die Südtiroler Gesellschaft einzugliedern.

Das zweite heikle Gesetzesvorhaben, das der Landeshauptmann heute nannte, ist jenes zur Direkten Demokratie. Hier gelte es vor allem über die vorgeschriebene Anzahl von Unterschriften für einen Referendumsantrag und – damit zusammenhängend – über das Beteiligungsquorum zu verhandeln. „Es liegen bereits einige Vorschläge vor, die wir als Diskussionsgrundlage ansehen“, so Durnwalder.

Auch der Dauerbrenner Toponomastik hatte heute wieder seinen Platz bei der Sommerpressekonferenz. Sie müsse geregelt werden, und zwar bald, auch wenn bis dato nie jemand den Mut gehabt hätte, das Thema aufzugreifen. „Vielleicht waren diese Verzögerungen aber auch förderlich, ist das Klima in Südtirol doch viel besser als noch vor einigen Jahren“, so der Landeshauptmann. Letztendlich brauche es guten Willen und Hausverstand, wolle man das Problem lösen. „Ich werde nie damit einverstanden sein, dass alle Tolomei-Namen übernommen werden, wir müssen aber Namen anerkennen, die ins Kulturgut der Sprachgruppen eingegangen sind“, so Durnwalder. In diesem Zusammenhang hat der Landeshauptmann auch noch einmal zum Schilderstreit Stellung genommen und seinen Kompromissvorschlag wiederholt: alle Gemeinde- und Katastergemeindenamen müssten zweinamig aufgeführt, daneben auch alle übersetzbaren Begriffe übersetzt werden. „Der AVS bereitet sich bereits auf eine solche Lösung vor, die 90 von der Regierung vorgegebenen Tage werden aber wohl verstreichen, ohne dass es eine Anpassung aller Schilder geben wird“, so Durnwalder.

Neuerlich eine Lanze gebrochen hat der Landeshauptmann heute für die Errichtung des Wissens- und Technologieparks in Bozen. „Er ist notwendig für die Koordinierung von Forschung und Entwicklung, für Beratung und die Ansiedlung innovativer Unternehmen“, so Durnwalder, der angekündigt hat, demnächst mit den Wirtschaftsverbänden reden zu wollen.

Zwei große Reformvorhaben hat Durnwalder heute auch angesprochen: die Oberstufenreform, deren Schulverteilungsplan im Winter anstehe, sowie die klinische Reform. In Sachen Schulverteilung erwartet sich der Landeshauptmann einigen Widerstand, weil es Doppelgleisigkeiten abzubauen gelte, selbiges sei wohl auch für die klinische Reform der Fall: „Zwar wird die Grundversorgung in allen Krankenhäusern aufrecht erhalten, die landesweiten, spezialisierten Dienste aber nur an bestimmten Krankenhäusern angeboten werden“, so Durnwalder. „Und um die wird man sich reißen.“

Auch im Bereich der Energie stünden Neuerungen an. Mit Trient habe man sich, so der Landeshauptmann, mittlerweile über die Vorgehensweise beim E-Werk von St. Florian geeinigt. So solle Südtirol die Konzession vergeben, Steuereinnahmen und Erträge würden aber zwischen Bozen, Trient und Enel aufgeteilt. Auch was die Übernahme des Stromverteilungsnetzes betrifft, sei man in Verhandlungen. „Wir müssen schauen, baldmöglichst zu einem Abschluss zu kommen, weil ansonsten die Investitionen ins Leitungsnetz auf Eis gelegt werden“, so Durnwalder. Gänzlich neu sei schließlich ein Vorschlag des Gemeindenverbands zur Beteiligung am Energiegeschäft: „Bekanntlich haben wir den Gemeinden einen Anteil von 20 Prozent angeboten, aber darauf bestanden, dass der Verteilungsschlüssel von den Gemeinden ausgearbeitet wird“, so der Landeshauptmann.

In Sachen Mobilität kündigte Durnwalder eine Überprüfung von Leistungen und Tarifen an. „Wir weisen die bei weitem geringsten Tarife auf, selbst bei einer Verdoppelung wären wir immer noch abgeschlagen am Ende der Liste“, so der Landeshauptmann, der eine erträgliche Anpassung ankündigte. Was die Dolomitenpässe und die dafür vorgesehene Verkehrsregelung betrifft, so legte Durnwalder die Verantwortung dafür heute in die Hände der Ladiner. „Ich bin der Meinung, dass es die Ladiner sein sollten, die die Entscheidung für oder gegen eine Maut, für oder gegen eine Beschränkung treffen sollten“, so der Landeshauptmann, der heute auch unterstrich, dass der Bau einer Überetscher Bahn ausschließlich mit Landesmitteln nicht in Frage komme, stattdessen aber an ein PPP-Projekt oder eine Beteiligung der Gemeinden gedacht werden müsse.

Hingewiesen hat Durnwalder heute auch auf den Übergang von 24 Schutzhütten ans Land, die mit Anfang 2011 anstehe. „Mein Wunsch wäre nach wie vor, dass eine gemeinsame Gesellschaft aus Land, AVS und CAI die Hütten führt und instand hält, während das Land für die außerordentliche Instandhaltung aufkommt“, so der Landeshauptmann, der nun allerdings fürchtet, dass eine Einigung der beiden Alpenvereine im Gefolge des Schilderstreits schwieriger geworden sei. „Notfalls muss das Land einspringen und die Hütten zunächst selbst führen“, so Durnwalder.

Angesprochen hat der Landeshauptmann heute zudem das Problem des Extremismus`in Südtirol. Er verwies erneut auf das Maßnahmenpaket der Landesregierung, auf die Einbeziehung der Jugendarbeit und die Bedeutung der Schule: „Sie hat vielleicht noch nicht umgesetzt, was wir uns von ihr in Bezug auf einen lebendigen, umfassenden Geschichtsunterricht erwarten“, so Durnwalder.

Ein Thema war zudem das Verhältnis zwischen Land und Landeshauptstadt. Bozen verfüge, so der Landeshauptmann, über eine Stadtregierung mit einem guten Rückhalt in der Bevölkerung. „Mit ihr gemeinsam müssen wir nun die wichtigsten Themen voranbringen“, so Durnwalder, der als Beispiele den Bauleitplan oder die Lösung der Verkehrsproblematik nannte. Auch in Sachen Neuordnung des Bahnhofsareals stünden Entscheidungen an. So soll im Jänner 2011 das Siegerprojekt stehen, über deren Umsetzung dann zu beraten sei. Und auch das Bibliothekenzentrum sei nun umzusetzen. „Es interessiert den Nutzer dabei sicher nicht, wer im Verwaltungsrat eines solchen Zentrums sitzt, solange er schnell und unkompliziert seine Bücher oder anderen Medien bekommt“, so der Landeshauptmann.
     
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