Erster Nachweis für ein römerzeitliches Bad in Nordtirol   

erstellt am
09. 09. 10

Neue Erkenntnisse zur römerzeitlichen Verbauung im Bereich der Graßmayr-Kreuzung in Innsbruck - Wilten. Erster Nachweis für ein römerzeitliches Bad in Nordtirol durch Ausgrabungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum
Innsbruck (tiroler landesmuseen) - In Absprache und bester Zusammenarbeit mit Amtsvorstand Dipl.-Ing. Dr. Walter Zimmeter und Dipl.-Ing. Alexander Zecha, beide Stadtmagistrat Innsbruck/Amt für Tiefbau, führten die Vor- und Frühgeschichtlichen und Provinzialrömischen Sammlungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum im Vorfeld zur geplanten Untertunnelung der Graßmayr-Kreuzung in Innsbruck - Wilten von Mai bis Anfang September d. J. im Nordwestbereich der Kreuzung erste, von der Stadt Innsbruck und vom Land Tirol finanziell getragene archäologische Sondierungen auf geschichtsträchtigem Boden im Nahbereich des römischen Kastells Veldidena durch.

Im südlich von Haus Leopoldstraße 54 gelegenen, parallel zur Anton-Melzer-Straße verlaufenden ca. 300 m2 großen, zuletzt als Firmengelände genutzten Grabungsareal auf den GP 746, 747 und 1851 (Katastralgemeinde Wilten, Stadt Innsbruck) erbrachte die Abtiefung ganz im Westen Fundamentmauern spätneuzeitlicher, im Laufe des 20. Jahrhunderts abgebrochener Gebäude. Anlässlich deren Errichtung war großflächig die tief liegende römerzeitliche Kulturschicht zerstört worden, in ungestörten Bereichen konnte die Mächtigkeit dieser Kulturschicht, aus der zahlreiche Kleinfunde aus Keramik und Metall geborgen wurden, noch mit fast einem Meter dokumentiert werden.

Abgesehen von Kabel- und Leitungsgräben erwies sich hingegen als nahezu ungestört der längs dem Gehsteig der Leopoldstraße verlaufende Ostabschnitt des Grabungsgeländes, hier war es möglich, erstmals für Nordtirol die Reste eines römischen Bades (balneum) auf einer Fläche von knapp 100 m2 teilweise freizulegen. Erhalten waren die Fundamente der Nord- und der Westfront, die südliche Gebäudeseite ist unter der Anton-Melzer-Straße zu erwarten, der östliche Gebäudebereich verläuft unter der Leopoldstraße. Auch wenn somit der größere Bereich des Badkomplexes derzeit unter der Asphaltdecke im Verborgenen liegt, ermöglichte die Ausgrabung dennoch wie ein Fenster in die Römerzeit den Einblick in die mehrräumige Badeanlage: Insgesamt konnten zwei Räume mit zugehörenden Apsiden (halbrunde Räume) und ein trapezoider Anbau im Norden zur Gänze, die Reste eines weiteren Apsidenraumes sowie der Ansatz eines weiteren Raumes vom örtlichen Grabungsleiter Mag. Anton Höck teilweise untersucht werden. Alle drei mit halbrunden Nischen ausgestatteten Räume waren mit der für römische Bäder charakteristischen Unterbodenheizung (Hypokaustheizung) ausgestattet: Der mit Ziegelsplitt gemagerte Estrichfußboden mit einer Stärke von ca. 40 cm ruhte auf den in regelmäßigen Abständen gesetzten Hypokaustpfeilern aus Ziegeln. Nach dem Auflassen des römischen Bades erhielten sich die Hypokaustpfeiler in ihrer Position und Höhe durch den Versturz des Fußbodens und das nachfolgende Eindringen von anstehendem Bodenmaterial.

Aufgrund der unterschiedlichen Höhen der Hypokaustpfeiler und weiterer technischer Beobachtungen lassen sich die freigelegten Räume des römerzeitlichen Bades detailliert ansprechen: Der südlichste, unter die Anton-Melzer-Straße reichende und daher nur teilweise ergrabene Apsidenraum mit Wandheizung aus Hohlziegeln kann als Warmbad (caldarium) bezeichnet werden, in welchem einst durch die Unterboden- und Wandheizung eine Temperatur von 40 bis 50° C bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit herrschte. Die beiden nördlich anschließenden, beinahe gleich großen quadratischen Räume mit einer lichter Breite von jeweils etwa 3,8 m werden als Aufenthaltsräume mit gemäßigter Temperatur und trockener Luft (tepidarium) anzusprechen sein, der östlich anschließende Trakt wird als kombinierter Umkleideraum mit Kaltbad (frigidarium) genutzt worden sein. Somit zählt das Bad zu dem am häufigsten vertretenen sog. Reihentyp, bei dem die einzelnen Räume in der Abfolge des Badevorgangs hintereinander aufgereiht liegen.

Von der technischen Einrichtung besonders hervorzuheben sind die Abwasservorrichtungen, die sich jeweils an der Außenkante der beiden nördlichen Apsiden erhalten haben: Hierbei handelt es sich einerseits um einen Sickerschacht, der das - vom leider nicht mehr erhaltenen Becken der nördlichen Apsis - gebrauchte Wasser in den gewachsenen Schotter abführte. Andererseits führte ein zweiter Abwasserschacht mit Überlauffunktion zu einem kanalartigen Bereich für das warme Abwasser des ebenfalls nicht mehr vorhandenen Beckens der mittleren Apside. Aus dieser kanalartigen Rinne stammen auch die für die chronologische Einordnung des Bades wichtigsten Kleinfunde der Benützungsphase, welche wohl beim Badevorgang verloren gegangen waren: Es sind dies insbesondere Münzen aus dem späten 3. und dem 4. Jahrhundert nach Christus. Sie erlauben eine Datierung des Bades in die spätrömische Zeit, somit in jene Zeit, als im Bereich Neurauthgasse/Frauenanger große Nachschubhallen der Militär- und Straßenstation Veldidena standen, die im späten 4. Jahrhundert nach Christus ummantelt und zum Kastell ausgebaut wurden.

Auch wenn der unmittelbare Bereich der Graßmayr-Kreuzung bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als potentielle archäologische Funderwartungszone bekannt ist - 1843 wurden hier anlässlich der Erweiterung der Landstraße im sog. Suster-Acker in drei Meter Tiefe drei römerzeitliche Körpergräber freigelegt - vermitteln die neuen Erkenntnisse zur römerzeitlichen Verbauung des Nahbereichs des Kastells Veldidena, dass mit Spannung den archäologischen Folgeuntersuchungen des Ferdinandeums einerseits im Bereich des Bades, andererseits im Zuge der Umsetzung des geplanten Bauprojekts ‚Untertunnelung Graßmayr-Kreuzung' entgegenzusehen ist.

Weiterführende Literatur zur vorrömischen und römischen Besiedlung von Innsbruck - Wilten:
Wolfgang Sölder (Red.), Ur- und Frühgeschichte von Innsbruck. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 25. 1. - 22. 4. 2007 (Innsbruck 2007, ISBN 978-3-900083-13-7)
     
Informationen: http://www.tiroler-landesmuseen.at    
     
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