Mitwirkungspflicht für Asylwerber  

erstellt am
07. 09. 10

Faymann: Asylrecht durch Mitwirkungspflicht an klare Regeln gebunden
Unbestritten bleibt das Recht auf Asyl ein Menschenrecht
Wien (sk) - "Nur klare Regeln schaffen auch Klarheit darüber, unter welchen Bedingungen Asyl gewährt wird", sagte Bundeskanzler Werner Faymann beim Pressefoyer nach der Ministerratssitzung am 07.09. Die Mitwirkung der Asylwerber an der Überprüfung ihrer Identität und ihrer Asylgründe gehöre dazu. Es gehe nicht darum, dass diese Menschen nicht auf der Straße gesehen werden, sondern darum, dass in Ruhe Dokumente überprüft und Gespräche geführt werden können. "Das muss in maximal einer Woche erledigt sein", präzisierte der Kanzler. Die weitere Vorgangsweise: In der Ministerratssitzung am 19. Oktober werde die Innenministerin die Regierungsvorlage präsentieren, die dann in die parlamentarische Begutachtung gehe. Die Koalitionspartner seien mit unterschiedlichen Standpunkten in die Diskussion gegangen, trotzdem sei es gelungen, eine gute Lösung zu finden. "Diese Lösung schafft Klarheit und ist verfassungskonform", sagte Faymann.

 

Fekter: Anwesenheitsverpflichtung in der Erstaufnahmestelle
Die Asylbehörde braucht dieses Instrument, damit auch die Asylsuchenden rasch Klarheit bekommen ob Österreich oder ein anderes Land für das Verfahren zuständig ist
Wien (bmi) - "Wer Asyl will, muss greifbar sein. Daher habe ich im Jänner dieses Jahres die Anwesenheitspflicht am Beginn des Asylverfahrens vorgeschlagen", sagte Innenministerin Maria Fekter im Rahmen der Pressekonferenz am 07.09. Die Anwesenheitsverpflichtung ist nach dem Fremdenrechtsänderungsgesetz (FrÄG) 2009 eine weitere wichtige Maßnahme, um die Hintertür für Missbrauch zu schließen und die Vordertür für all jene offen halten zu können, die unsere Hilfe brauchen.

"In den ersten Tagen haben die grundlegenden Einvernahmen und die ersten wichtigen Verfahrensschritte durch die Asylbehörde zu erfolgen", sagte die Innenministerin. Wer in dieser Zeit die Erstaufnahmestelle (EAST) ungerechtfertigt verlässt, kann festgenommen und in die Erstaufnahmestelle zurückgebracht werden (bei Terminversäumnis beziehungsweise drohendem Terminversäumnis)

Die Asylbehörde braucht dieses Instrument, damit auch die Asylsuchenden rasch Klarheit bekommen ob Österreich oder ein anderes Land für das Verfahren zuständig ist. "Die Asylwerber sind durch durchgehende Anwesenheit in der Erstaufnahmestelle zur Mitwirkung am Asylverfahren verpflichtet", betonte Fekter in diesem Zusammenhang. Die Anwesenheitsverpflichtung ist keine Haft; ebenso ist die Erstaufnahmestelle kein Gefängnis, sondern ein Gelände mit entsprechender Infrastruktur. Dadurch sind die Asylwerber für das Bundesasylamt jederzeit verfügbar, das zu rascheren und effizienteren Verfahren führt. So soll auch ein Abtauchen der Asylsuchenden in die Illegalität gleich zu Beginn des Verfahrens verhindert werden.

Derzeit werden die fremdenrechtlichen Gesetze - Fremdenpolizeigesetz, Asylgesetz, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - von über 100 Behörden (unter anderem Bezirkshauptmannschaften, Bundespolizeidirektionen) vollzogen. Die Bundesregierung bekennt sich zur Bündelung aller fremdenrechtlicher Behördenzuständigkeiten in I. Instanz (Asyl-, Aufenthalt und Niederlassung sowie Fremden¬polizei) in einem einheitlichen Bundesamt. Vorbild dafür ist das international ausgezeichnete und anerkannte Bundesasylamt. Im BM.I wird daher noch heuer eine interministerielle Projektarbeitsgruppe mit dem Ziel eingerichtet, ein umsetzungsreifes Konzept für die Errichtung eines Bundesamtes für Asyl und Migration vorzulegen.

Eckpunkte der Regelung für die Aufenthaltspflicht

  • Dauer von maximal 120 Stunden (= 5 Tage), wobei das Wochenende und Feiertage nicht eingerechnet werden (somit 7 Tage) – hat das Bundesasylamt schon früher alle Erkenntnisse, dann endet die Anwesenheitspflicht früher.
  • Die Asylwerber müssen sich in dieser Zeit durchgehend in der EAST für das Bundesasylamt zur Verfügung halten und somit anwesend sein.
  • Ein Verlassen der EAST innerhalb dieser Zeit ist – von wichtigen Gründen wie etwa Einlieferung in ein Spital; Vorführung vor Gericht; Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen (z.B. Beistandspflichten gegenüber der Kernfamilie) - nicht zulässig. Die Ausnahmen orientieren sich an der geltenden Rechtslage § 12 Asylgesetz hinsichtlich gerechtfertiges Nichteinhalten der Gebietsbeschränkung.
  • Bei ungerechtfertigtem Verlassen der EAST kann der Asylwerber nach Einzelfallprüfung festgenommen und in die EAST zurückgebracht werden, wenn durch das Verlassen ein Termin versäumt wird oder eine Terminversäumung droht.

 

Strache: Fekter/Darabos-Pakt ist nichts anderes als Asyl-Wahlkampfgag
Bundesregierung will bevölkerung wieder einmal vor Wahlen verschaukeln
Wien (fpd) - "Der von Bundesministerin Fekter und Bundesminister Darabos ausgehandelte Kompromiss zur Mitwirkungspflicht ist nichts anderes als ein Asyl-Wahlkampfgag, der dazu dienen soll, der Bevölkerung vorzugaukeln, dass die Bundesregierung nicht völlig eingeschlafen ist", kommentierte der freiheitliche Bundesparteiobmann HC Strache die "Scheinlösung". "Fünf Tage Aufenthaltspflicht für Asylwerber sind ein Witz", so Strache, der forderte, die Zeit auf die Dauer des Asylverfahrens - also bis zu einem halben Jahr - auszudehnen.

"Tatsächliche Asylwerber dürften kein Problem mit freier Kost und Logis, mit ärztlicher Versorgung und Obsorge durch den Staat haben, denn sie sind in Sicherheit und müssen nicht mehr um ihr Leben fürchten", so Strache. Scheinasylanten jedoch würden weder mit der jetzigen noch mit anderen Regelungen eine Freude haben, gehe es ihnen doch ausschließlich darum, in unser Sozialsystem zuzuwandern, so Strache, der voraussieht, dass die Scheinasylanten die 120 Stunden auf der sprichwörtlichen linken Backe absitzen werden, um dann im Untergrund zu verschwinden.

Als besonders absurd bezeichnete Strache die Begründung Fekters, wonach der gegenwärtige Passus "totes Recht" sei, da man von Asylwerbern nicht erwarten könne, dass sie die Grenzen der Bezirke Vöcklabruck (für die Erstaufnahmestelle Thalham) beziehungsweise Baden (für Traiskirchen) genau kennen. "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht", betonte Strache, der sich über Fekters eigentümliche Rechtsauffassung nur wundern kann. Mit der gleichen Begründung könne jemand auf der Autobahn 200 fahren und dann sagen, dass es ihm nicht bekannt gewesen sei, dass dies in Österreich nicht gestatte sei, so Strache, der der Bundesregierung vorwarf, die Österreicherinnen und Österreicher im Vorfeld von Wahlen wieder einmal verschaukeln zu wollen, wie dies ja auch beim Budget der Fall sei.

 

Grosz: Mitwirkungspflicht ist löchrige Mogelpackung
Wer untertaucht verzichtet automatisch auf seinen Antrag
Wien (bzö) - Für den stellvertretenden BZÖ-Obmann und Menschenrechtssprecher Gerald Grosz ist die sogenannte Mitwirkungspflicht von ÖVP-Fekter und SPÖ-Darabos nichts anderes als "eine löchrige Mogelpackung. SPÖ und ÖVP präsentieren vor den Landtagswahlen Asyl-Placebos ohne Wirkung", so Grosz. Das BZÖ fordert, dass ein Asylwerber, der vor der Erstabklärung das Erstaufnahmezentrum verlässt, automatisch seines Asylantrages verlustig geht. "Wer geht, muss automatisch gehen. Wenn ein Asylwerber versucht unterzutauchen, dann ist davon auszugehen, dass er kein Interesse daran hat, legal in Österreich zu leben, also muss dann sein Asylantrag auch automatisch als nicht mehr existent betrachtet werden", erklärt Grosz.

Ein weiterer klassischer Schwachpunkt ist für Grosz, dass es binnen der fünf Tage keine verpflichtende Erstabklärung gibt, ob der Asylwerber überhaupt eine Chance hat, in Österreich bleiben zu können. "Wer beispielsweise aus einem sicheren Nachbarland nach Österreich kommt, hat nach Dublin II keinerlei Asylanspruch in Österreich. Die Mitwirkungsflicht Marke SPÖVP ist nichts anderes als der übliche Regierungsmurks. Bevor Fekter und Darabos über eine solche Mitwirkungspflicht diskutieren, hätten sie eher eine Mitdenkpflicht bei Regierungsmitgliedern berücksichtigen sollen. Das BZÖ verlangt eine schärfere und sinnvolle Regelung, die nicht nur vorgibt wirksam zu sein, sondern auch wirklich wirkt", bekräftigt Grosz.

 

 Korun: SPÖ geht wegen Wienwahlen vor Strache und Fekter in die Knie
Was gestern für SPÖ noch verfassungswidrig war, dem stimmt sie heute zu
Wien (grüne) - "Die SPÖ ist angesichts der Wienwahl wieder einmal vor Strache und Fekter in die Knie gegangen: Noch vor kurzem hat sie das kollektive Einsperren von AsylwerberInnen wegen Verfassungswidrigkeit abgelehnt. Nun wird dem Einsperren bloß ein beschönigendes Ettikett verpasst, das macht es weder besser noch verfassungskonform", kritisiert Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen. Die Grünen bestehen angesichts des starken Verdachts auf Verfassungswidrigkeit vor der Beschlussfassung auf ein Hearing mit VerfassungsexpertInnen im Innenschuss des Parlaments.

Im Juli hat Ministerin Fekter noch festgestellt, dass 93,5(!) Prozent der AsylwerberInnen in der Vergangenheit beim Asylverfahren selbstverständlich mitgewirkt haben. "Nun sollen 100 Prozent festgenommen werden können, wenn sie die Erstaufnahmestelle verlassen, obwohl fast alle kooperieren. Das ist eine völlig überschießende Strafmaßnahme", so Korun.

Die Asyl- und Migrationsagenden in einer Behörde, nämlich dem Bundesamt für Migration zusammenzufassen, könnte sinnvoll sein. "So lange aber dieses Bundesamt im Polizeiministerium bleibt, ist kaum ein Fortschritt zu erwarten. Die Grünen fordern ein eigenes Migrationsministerium. Dorthin sollten diese Agenden übertragen werden."

 

Küberl: Mitwirkungspflicht ja, Anwesenheitspflicht überzogen
Unschuldige Menschen werden kriminalisiert
Wien (caritas) - "Auch wenn die Anwesenheitspflicht von Asylwerbern jetzt "Mitwirkungspflicht" genannt wird, ändert es nichts an der Tatsache, dass Menschen hier unrechtmäßig in "Haft" gehalten werden", kritisiert Caritas-Präsident Franz Küberl den von Ministerin Fekter und Minister Darabos präsentierten Gesetzesentwurf. "Jetzt eben um ein paar Tage kürzer". Es gibt ja bereits eine im Gesetz vorgeschriebene Mitwirkungspflicht, die bei weitem ausreicht, wenn sie vollzogen wird. Ein genereller Freiheitsentzug riskiert bewusst, dass das verfassungs-, menschen- und europarechtlich garantierte Recht auf persönliche Freiheit verletzt wird.

Küberl bezeichnet diese Maßnahme als vollkommen überzogen. "Stellt man die Zahlen der angeblich Untergetauchten den Zahlen der Asylwerber gegenüber (22.500 sind derzeit anhängig), verschwanden 860 Personen in den ersten 7 Monaten des Jahres 2010. Diese Zahl verdeutlicht, dass das Untertauchen ein geringes Problem im Asylverfahren ist. Außerdem geht die Zahl der Asylwerber konsequent zurück. Allein im Vergleichszeitraum 2010 zum Vorjahr ist sie über 32% gesunken. "Hier wird wieder einmal zu Lasten der Asylwerber Wahlkampf betrieben", so Küberl.

"Wir brauchen qualitätsvollere Asylverfahren. Vor allem in der ersten Instanz fehlt es an Juristen", fordert Caritas-Präsident Küberl. "Wenn man in fünf bis sieben Tagen entscheiden will, müssen auch die Asylwerber in den Erstaufnahmezentren wie Thalham eine unabhängige Rechtsberatung in Anspruch nehmen können und das ist derzeit nicht vorgesehen."

Die Caritas begrüßt die Errichtung eines Bundesamtes für Asyl- und Migrationfragen und drängt darauf, dass das Hauptaugenmerk dieses Amtes auf der Integration von Zuwanderern sein soll und eine Entpolizeilichung dieses sensiblen Bereiches bringt. "Selbstverständlich wird es politisch klug sein, dieses beim Bundeskanzleramt anzusiedeln, weil es eine Querschnittsmaterie ist", meint Küberl.  

 

Chalupka: Bundesamt für Migration - Gute Idee, aber am falschen Platz
Wenig verantwortungsbewusster Umgang mit Grundrechten
Wien (diakonie) - "Es entspricht unserer Erfahrung, dass Asylwerber höchstes Interesse haben und Bereitschaft zeigen, am Asylverfahren mitzuwirken. Dazu gibt es auch im derzeit geltenden Fremdenrecht strenge Regelungen der Mitwirkungspflicht. Der heute präsentierte Entwurf der Innenministerin enthält keine wesentlichen Neuerungen, auch dürfen sich Asylwerber bereits jetzt schon nicht außerhalb der Bezirksgrenzen während des Zulassungsverfahrens aufhalten. Sie dürfen bereits jetzt nicht einmal zum Besuch eines Rechtsanwaltes oder zur Ausübung ihrer Religion die Bezirksgrenzen überschreiten.", so Diakonie-Direktor Michael Chalupka.

Die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit der letzten Fremdenrechtsnovelle wird um ein Detail erweitert, nämlich dass während fünf Werktagen das Erstaufnahmezentrum gar nicht verlassen werden kann, ohne die Chance auf Asyl zu gefährden. "Alle sechs Monate eine neue Fremdenrechtsnovelle zu präsentieren und ganze Passagen des gerade beschlossenen für ungenügend zu erklären, zeugt nicht von verantwortungsbewusstem Umgang mit der Grundrechtsmaterie", so Chalupka.

Bundesamt für Migration
Zum Bundesamt für Migration betont Chalupka: "Die Idee eines eigenen Ressorts für Migrationsfragen ist wichtig und wird von uns schon jahrelang gefordert. Dass diese wichtigen Migrationsagenden nun dem Innenministerium unterstellt sein sollen, ist sachlich falsch. Bei der Migration und Integration spielen Themen wie soziale Versorgung, Gesundheit, Arbeitsmarkt und Bildung eine weit wichtigere Rolle, als der polizeiliche Aspekt. Weiters bleibt abzuwarten, wie die Bundesländer auf den Entzug ihrer Kompetenzen reagieren werden."

Die Diakonie bleibt bei ihrer Forderung der Schaffung eines eigenständigen Ressorts für Asyl und Migration. Dann und nur dann, mache ein Bundesamt für Asyl und Migration Sinn.  
 
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