Schwungräder speichern Öko-Energie    

erstellt am
11. 10. 10

Auf der Suche nach Energiespeichermethoden verbindet man an der Technischen Universität (TU) Wien modernste Technologie mit bewährten Ideen: High-Tech-Schwungräder sollen Energie stundenlang konservieren.
Wien (TU) - Was nützt eine Solarzelle, wenn man den elektrischen Strom tagsüber erzeugt, aber erst in der Nacht benötigt? Was nützt ein Windkraftwerk, wenn die stärksten Böen nicht genutzt werden können? Energie stundenlang effizient speichern zu können ist ein wichtiges Forschungsziel, ganz besonders im Zusammenhang mit alternativen Energieformen wie Photovoltaik oder Windkraft. An der TU Wien versucht man nun dieses Problem mit elektronisch geregelten Schwungradspeichern zu lösen.

Mächtige Karbonfaserschwungmassen sollen in Zukunft Energie speichern. „Ein erster Prototyp wiegt 160 kg und erreicht eine Drehzahl von 500 Umdrehungen pro Sekunde“, erklärt Alexander Schulz, der gemeinsam mit Prof. Johann Wassermann Forschungsprojekte zu dieser Thematik am Institut für Mechanik und Mechatronik der TU Wien leitet. In einem einzelnen Rotor ist dabei eine Energie von mehreren Kilowattstunden gespeichert – genug, um einen ganzen Haushalt stundenlang zu versorgen, solange die Sonneneinstrahlung für Photovoltaik nicht stark genug ist.

Schwebende Schwungräder
Schwungräder werden bereits heute als Kurzzeit-Energiespeicher eingesetzt. Allerdings führen Reibungsverluste dazu, dass schon nach Minuten ein beträchtlicher Teil der gespeicherten Energie für die Nutzung verloren geht. Der rotierende Karbonzylinder bewegt sich an der Außenseite mit bis zu 3400 km/h – also etwa viermal so schnell wie ein Jumbojet. Wenn er sich im Vakuum stundenlang ohne große Reibungsverluste drehen soll, muss ein berührungsloses Magnetlager verwendet werden. Die Entwicklung solcher Schwungräder wurde erst durch extrem starke Permanentmagnete aus einer Neodym-Eisen-Borverbindung interessant. „Der ganze Rotor schwebt mit etwa einem Millimeter Abstand zum Stator“, erklärt Prof. Wassermann. Allerdings genügt es nicht, den Rotor einfach magnetisch zu lagern. Das Lager muss sich selbstständig an den jeweiligen Betriebszustand des Rotors anpassen und kleine Abweichungen ständig korrigieren. „Schon allein die Wärmeausdehnung des Rotors verändert seinen Abstand zum
Magnetlager und kann zu Problemen führen“, meint Harald Sima, einer der Wissenschaftler, der am Projekt arbeitet. Aus diesem Grund werden komplexe mechatronische Komponenten entwickelt, mit denen die Position des Rotors ständig genau erfasst und gegebenenfalls mit Elektromagneten rasch reguliert werden kann. Das System optimiert sich laufend selbst.

Intelligente Elektronik
Wenn das Schwungrad dazu dienen soll, Energie stundenlang ohne große Verluste zu speichern, darf auch die Steuerelektronik nicht viel Energie benötigen. Darin liegt eine der größten Herausforderungen für das Forschungsteam. „Jeder Steuerungseingriff mit den aktiven Magnetlagern erfordert Energie, doch der permanente Energiebedarf, der unter normalen Betriebsbedingungen auftritt, soll bei diesem System minimiert werden“, erklärt Alexander Schulz. Viele anspruchsvolle Forschungsfragen – von der Regelungselektronik bis zum Rotordesign – müssen dafür gelöst werden.

Umweltfreundlicher Lösungsansatz
Gewöhnliche Akkus weisen eine sehr eingeschränkte Lebensdauer auf und bestehen zum Teil aus ökologisch bedenklichen und zudem nur schwer verfügbaren Materialien. Hier soll das Schwungrad-System punkten: 25 Jahre soll die Lebensdauer des neuen Energiespeichers betragen, und selbstverständlich darf keine Gefahr vom hochtourigen Rotor ausgehen. Die komplette Lagerung inklusive Regelungselektronik ist redundant ausgelegt, sodass selbst ein Ausfall einzelner Komponenten nicht zu einem ernsten Problem führt. In diesem Fall kann der Rotor unbeschädigt zum Stillstand gebracht werden. Die Forschungsarbeit des Flywheel-Teams an der TU Wien mündete bereits in zwei Patentanmeldungen. Bis man einen Schwungrad-Energiespeicher für zuhause kaufen kann, wird wohl noch einige Zeit vergehen, doch Interesse von Kooperationspartnern aus der Industrie zeichnet sich bereits ab.
     
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