Großer Fortschritt in Mukoviszidose-Forschung   

erstellt am
08. 10. 10

Rezeptorblockade gibt wieder Kraft zum Atmen
Salzburg (universität) - In Europa leiden rund 30.000 Menschen an Mukoviszidose (auch Cystische Fibrose, CF), einer erblichen und bislang unheilbaren Stoffwechselkrankheit. Aktuellste Forschungsergebnisse der Universität Salzburg unter der Leitung von OR Dr. Wolf-Dietrich Krautgartner in Zusammenarbeit mit der DFG Emmi Noether Forschungsgruppe um Prof. Dominik Hartl in München, können künftig zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität von CF-Patienten beitragen. Die Ergebnisse dieser Grundlagenstudie wurden in der September-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht.

Bei an Mukoviszidose erkrankten Patienten kommt es in der Lunge zu vermehrter Absonderung eines zähen Schleims. Ein wahrer Bakterienfänger, der häufige Entzündungen verursacht und die Atmungsfunktion negativ beeinflusst. Angelockt durch Botenstoffe, sogenannte Chemokine, sammeln sich bei den durch Mukoviszidose ausgelösten Entzündungen neutrophile Granulozyten (das sind weiße Blutzellen) im erkrankten Lungengewebe an. Diese eigentlich nützlichen, Bakterien fressenden Immunzellen bilden dort aber auch mikroskopisch kleine Netzwerke aus DNA und Proteinen, die sogenannten NETs (neutrophil extacellular traps). Bei Mukoviszidose-Patienten verursachen diese eine zusätzliche Schädigung des Atmungssystems.


Ein internationales Forschungsprojekt unter der Leitung Prof. Dominik Hartl (München/Tübingen), durchgeführt an der Abteilung für Elekronenmikroskopie des Fachbereichs Organismische Biologie der Universität Salzburg (Leitung OR Dr. Wolf-Dietrich Krautgartner), hatte zum Ziel, diesen schädlichen Vorgang in Zukunft medikamentös weitaus effizienter zu behandeln, als dies bisher möglich war. Das Forscherteam untersuchte Zellen aus den Lungen von Patienten sowie von sogenannten „CF-Mäusen“ – transgenen Mäusen, in denen künstlich ein Gendefekt, der Mukoviszidose hervorruft, erzeugt wurde. Dabei wurde der Chemokin-Rezeptor CXCR2 identifiziert, der bei Mukoviszidose-Patienten die NETs-Bildung auslöst. Wird dieser Rezeptor blockiert, kann die schädliche NETs-Bildung unterdrückt werden.

„Indem sie Bakterien bekämpfen, haben die NETs primär eine sehr positive Funktion. Jedoch nehmen sie durch eine vermehrte Bildung bei CF-Patienten äußerst schlechten Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Werden die CXCR2-Rezeptoren blockiert, und somit die Bildung dieser DNA-Netze verhindert, führt das zu einer deutlichen Verbesserung der Immunabwehr der Patienten“, so Ao. Prof. Walter Stoiber, stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Elektronenmikroskopie an der Universität Salzburg.

Atemwegsentzündungen bei Mukoviszidose effizient behandeln, ganz ohne Nebenwirkungen
Die Erkenntnis, dass die Bildung dieser Netze durch eine Blockade des Chemokin-Rezeptors CXCR2 verhindert werden kann, ist ein entscheidender Schritt bei der Entwicklung einer effizienten Behandlung der Mukoviszidose „Derzeit kommen unter anderem DNase-Sprays zum Einsatz, die NETs enzymatisch abbauen. Mit dem Ansatz, die NETs-Bildung von Anfang an durch eine Blockade des Chemokin-Rezeptors zu verhindern, lässt sich das Problem aber elegant lösen. Wir können die Krankheit damit zwar nicht heilen, aber zu einer Verbesserung der Lebensqualität und auch der Verlängerung der Überlebenszeit von CF-Patienten beitragen“, so Dr. Wolf-Dietrich Krautgartner. Für die Entwicklung anwendungsreifer Medikamente, die jene Rezeptoren blockieren, sind jedoch weitere Tests und klinische Studien erforderlich.

Perfekter Kompetenz-Mix
Dr. Ljubomir Vitkov, praktizierender Zahnmediziner und Gastforscher an der Universität Salzburg, beschäftigt sich seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Team der Abteilung für Elektronenmikroskopie mit der Untersuchung von Entzündungsvorgängen im Mundraum. Dass die NETs-Bildung auch bei der Parodontose eine wesentliche Rolle spielt, konnte dabei bereits nachgewiesen werden. Aufmerksam geworden durch die Publikationen Vitkovs, bot Prof. Dominik Hartl an, bei den Untersuchungen zur NETs-Bildung bei Mukoviszidose mitzuarbeiten. Unter Einbindung von Wissenschaftlern weiterer europäischer Universitäten mit unterschiedlichen Forschungskompetenzen entstand eine fruchtbare Kooperation. Das Ergebnis ist die Veröffentlichung dieser Grundlagenstudie als Titelgeschichte im Wissenschaftsmagazin Nature Medicine. Neben der Salzburger Forschungsgruppe und jener um Prof. Dominik Hartl in München waren Forscher der Universitäten Heidelberg, Tübingen, Amsterdam und Homburg/Saarland sowie des Helmholtz Zentrums München an den Untersuchungen maßgeblich beteiligt.

Mukoviszidose: Schleim als Bakterienfänger im Atmungssystem
Die Ursache dieser bislang noch unheilbaren Stoffwechselkrankheit ist ein genetischer Defekt. Dieser bewirkt eine Störung der Funktion exokriner Drüsen in der Lunge, aber auch in Bauchspeicheldrüse, Leber, Darm und Haut. In der Lunge bildet sich anstelle eines normalerweise flüssigen Sekrets zäher Schleim, der nur schwer wieder abtransportiert werden kann. Als idealer Nährboden für Bakterien führt dieser Schleim zu immer wiederkehrenden Lungenentzündungen, die das Lungengewebe dauerhaft schädigen.
     
zurück