Kompetenzpaket passiert Ministerrat  

erstellt am
13. 10. 10

 Bandion-Ortner: "Wer singt, geht frei!"
Einführung einer Kronzeugenregelung im Strafrecht
Wien (bmj) - "Mit der heutigen Einigung im Ministerrat zur Einführung einer Kronzeugenregelung im Strafrecht setzt Österreich einen europaweiten Benchmark" so Justizministerin Claudia Bandion-Ortner am 12.10.

"Ein Strafverfahren ist kein Rätselraten. Es reicht nicht Straftaten zu behaupten oder sie zu glauben. Sie müssen bewiesen werden. Kriminelle Strukturen können oft nur dann aufgebrochen werden, wenn aussagewilligen Beteiligten ein hinreichender Anreiz zur Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden geboten wird. Klar ist, dass die Kronzeugenregelung ein ausreichendes Maß an Berechenbarkeit für Kronzeugen, Öffentlichkeit und Verfahrensbeteiligte aufweisen muss" betonte Bandion-Ortner, die darauf hinwies, dass bei der Ausgestaltung der Kronzeugenregelung auf einen hohen Grad an Transparenz und ausreichende Kontrollmechanismen geachtet wurde.

Im Wettbewerbs- und Kartellrecht werden bereits jetzt rund 90% aller Verstöße durch Kronzeugen aufgedeckt. Für den Kronzeugen besteht hier jedoch bloß kartellrechtlicher Schutz, strafrechtlich konnte bisher mit voller Härte gegen ihn vorgegangen werden. Dies wird sich nun ändern.

Darüber wird die Kronzeugenregelung zur Aufklärung schwerwiegender Taten - wegen Straftaten mit einer Strafdrohung über fünf Jahre sowie in Korruptions- und Wirtschaftsfällen und um führend Beteiligte einer kriminellen Struktur auszuforschen - eingesetzt. In diesen Fällen hat ein Kronzeuge aber trotz seiner Kooperation eine Geldbuße, gemeinnützige Leistungen oder Probezeit zu leisten, wenngleich keine Freiheitsstrafe. Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind Sexualdelikte und Straftaten mit Todesfolge.

"Kein Täter kann sich sicher sein, dass sich nicht ein anderer an die Staatsanwaltschaft wendet und das Tatgeschehen aufdeckt." Im Wesentlichen soll der Staatsanwaltschaft ermöglicht werden Leistungen wie Geldbuße oder gemeinnützige Arbeit aufzuerlegen statt Anklage zu erheben, wenn freiwillig beweiserhebliche Informationen geliefert werden, die noch nicht Gegenstand eines Verfahrens gegen den Kronzeugen sind. Weitere Voraussetzungen sind die Offenlegung der eigenen Taten, volle Kooperation und vor allem wahrheitsgemäße Aussagen. "Kurz: Wer das Lied der Wahrheit singt, geht frei" so die Ministerin, die darauf hinwies, dass es vergleichbare Regelungen bereits seit 1978 in den USA, seit 1996 in der EU und seit 2001 in Deutschland gibt.

Ein Recht auf Aufnahme in ein Kronzeugenprogramm besteht nicht, denn die Kronzeugenregelung dient dazu, Straftaten aufzuklären, die sonst unentdeckt oder unaufgeklärt bleiben würden. Beabsichtigtes Inkrafttreten der Kronzeugenregelung ist der 1. Jänner 2011.

Im Detail:

In Zukunft sollen sich etwa spezialisierte Staatsanwälte schwerpunktmäßig mit Finanzermittlungen befassen, abzuschöpfenden Vermögenswerten nachspüren und nach Genehmigung durch das Gericht alle Vermögenswerte, die durch oder für eine Straftat erlangt wurden, unmittelbar für verfallen erklären, erklärte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner: "Wir werden in der neu aufgestellten zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption Spezialisten haben, die sich mit Finanzermittlungen beschäftigen und nicht locker lassen, dass das Vermögen, das für verfallen erklärt werden kann, auch gefunden wird.“
Bandion-Ortner betonte außerdem, dass es ein Vorteil für die Opfer sei, wenn diese sich nunmehr 30 Jahre lang an den Bund wenden können, um ihren Schaden aus der Straftat aus den verfallenen Vermögenswerten ersetzt zu erhalten. Dadurch werde das geltende System der Abschöpfung der Bereicherung wesentlich verbessert und internationalen Standards angeglichen.

Transparenz wird erhöht
Ein weiterer Punkt des Kompetenzpakets ist die Erhöhung der Transparenz bei staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen. Die Justizministerin wies darauf hin, dass Ermittlungsverfahren zum Schutz der Ermittlungen, der Beschuldigten, der Opfer und Zeugen aus gutem Grund nicht öffentlich seien. Allerdings sorge dies nicht selten für Mutmaßungen und Verschwörungstheorien, die in der Justiz nichts zu suchen hätten.

Dem will die Ministerin mit einem Mehr an Transparenz entgegenwirken: „Transparenz schafft Klarheit und Vertrauen. Denn allen soll klar sein: Die Justiz hat nichts zu verbergen.“

Bei Verfahren, die von besonderem öffentlichem Interesse sind, soll die Begründung der Verfahrenseinstellungen durch die Staatsanwaltschaften daher in Zukunft veröffentlicht werden. Auch die Opfer sollen besser informiert werden, aus welchen Gründen ein Verfahren eingestellt wurde und erhalten zukünftig auf Wunsch eine ausführlichere Begründung einer Einstellung.

Die Position des unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten wird gestärkt und ausgebaut, indem er die Möglichkeit erhält, gegen Einstellungen in einer Reihe von Fällen das Gericht anzurufen.

Bandion-Ortner: "Verstärkter Kampf gegen Wirtschaftskriminalität durch Ausbau der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft"

Ausbau der Korruptionsstaatsanwaltschaft
„Die Justiz braucht eine Stärkung der Kompetenz in Wirtschaftstrafsachen und eine konzentrierte Form der Aus- und Fortbildung in diesem Bereich“, sagte Bandion-Ortner zum ebenfalls im Ministerrat abgesegneten Vorhaben, die Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien in eine "Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption" umzubauen.

Der einzig richtige Weg im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und Korruption sei die Nutzung von Synergieeffekten und die Zusammenfassung der Ressourcen in einer zentralen bundesweit zuständigen Behörde, so Bandion-Ortner, die davon ausgeht, dass jährlich etwa 500 Fälle in die Zuständigkeit dieser Behörde fallen werden. 37 bis 40 Staatsanwälte und mindestens sieben Experten sollen ab 1. Juni 2011 dort ihre Tätigkeit aufnehmen und sich mit Betrug, Untreue, Veruntreuung, Förderungsmissbrauch und Kridadelikten beschäftigen. Weitere Tätigkeitsfelder sind die organisierte Schwarzarbeit und Pyramidenspiele, wenn eine größere Zahl von Menschen geschädigt wurde, Bilanzdelikte, Finanzstraftaten und der neue Abgabenbetrug über 5 Mio. Euro Schaden.

Ausbildung verbessern
Damit reagiere die österreichische Justiz auf die Tatsache, dass sie in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren mit einer zunehmenden Zahl "großer Wirtschaftsstrafsachen" befasst sei, erläuterte Bandion-Ortner.

Nicht zuletzt wird ab dem Frühjahr 2011 ein eigener justizinterner wirtschaftsorientierter Ausbildungslehrgang für (angehende) Richter und Staatsanwälte für die Anhebung der individuellen Wirtschaftskompetenz sorgen. Neben externen Vortragenden, wie erfahrenen Wirtschaftsexperten sind Praxiszuteilungen, etwa in der FMA, bei der Finanz, aber auch in Rechtsabteilungen großer Unternehmen geplant.

 

 Steinhauser: Kronzeugenregelung droht Entschärfung durch Regierungsparteien
Personelle Aufstockung bei Ausbau der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft notwendig
Wien (grüne) - "Die grundsätzliche Stoßrichtung zur Kronzeugenregelung teile ich. Es bleibt aber zu befürchten, dass es im Parlament von Seiten der ÖVP und SPÖ Versuche geben wird, die vorgeschlagene Regelung wieder zu entschärfen", reagiert der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, auf die Vorschläge von Justizministerin Bandion-Ortner. So gibt es Gerüchte, dass die Kronzeugenregelung nur befristet werden soll, während man offiziell von Evaluierung redet. "Eine Befristung der Kronzeugenregelung wäre das falsche Signal", so Steinhauser und weiter: "Viele Gesetze, die verändert werden, müssen natürlich auch evaluiert werden. Was aber nicht sein kann, ist, dass eine Regelung, die unter öffentlichem Druck eingeführt wird, dann einfach still auslaufen soll".

Den Vorschlag, dass die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft nun auch für Wirtschaftskriminalität zuständig sein soll, sieht Steinhauser nicht grundsätzlich negativ. "Es ist aber schade, dass dieser weitreichende Vorschlag nicht schon im Entwurf vorgesehen war. Eine intensive Diskussion darüber wäre wünschenswert gewesen", so Steinhauser. "Eine ausreichende personelle Ausstattung ist aber notwendig, sonst erleben wir einen justizpolitischen Super-Gau".
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament vertretenen Parteien –
sofern vorhanden! Die Reihenfolge der Beiträge richtet sich in der Regel nach deren
Mandatsstärke im Parlament bzw. nach der Hierarchie der Personen. Die Redaktion

 
zurück