Ionenkanalforschung: Meilenstein für Wirkung von Medikamenten   

erstellt am
26. 11. 10

Verleihung des Ilse und Helmut Wachter Preises an Forschungsgröße aus Amerika
Innsbruck (universität) - Am 27.11.2010 wird an der Medizinischen Universität Innsbruck zum sechsten Mal der renommierte Ilse und Helmut Wachter Preis verliehen. Preisträger 2010 ist Prof. William A. Catterall, führender Wissenschaftler in der Ionenkanalforschung. Er isolierte erstmals jene Proteine, welche in elektrisch erregbaren Zellen sog. spannungsaktivierte Natrium- und Kalziumkanäle bilden. An diesen wirken viele wichtige Arzneistoffe wie Antiepileptika, Lokalanästhetika oder Blutdrucksenker. Ein aus diesem Anlass stattfindendes Symposium zeigt, dass auch Innsbruck mit international anerkannten Forschungsgruppen an der Medizinischen Universität Innsbruck und an der Universität Innsbruck zum Europäischen Spitzenfeld in der Kalziumkanalforschung gehört.

Der diesjährige Wachter-Preisträger Prof. William A. Catterall ist einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Ionenkanalforschung. Er absolvierte den Großteil seiner postpromotionellen Ausbildung im Labor des Nobelpreisträgers Dr. Marshall Nirenberg an den National Institutes of Health (USA). Seit 1984 ist er Direktor des Instituts für Pharmakologie der University of Washington (Seattle, USA). Forschungsschwerpunkt von Prof. Dr. Catterall sind Ionenkanäle in elektrisch erregbaren Zellen, wie zum Beispiel Herzmuskel- oder Nervenzellen (Neuronen). Die Ergebnisse seiner Forschung haben große Bedeutung in der Pharmakologie. So helfen sie etwa auf molekularer Ebene zu verstehen, wie bestimmte schmerzhemmende Medikamente (Lokalanästhetika) oder Antiepileptika ihre pharmakologischen Wirkungen entfalten. „Catterall ist es gelungen, in der Proteinstruktur von Natriumkanälen jene Regionen zu lokalisieren, die für die Bindung dieser Arzneistoffe verantwortlich sind. Mithilfe eines breiten Analysenspektrums, wie molekularbiologischen und elektrophysiologischen Methoden, Computer-unterstützter Strukturanalyse und Proteomics (Erforschung der in einer Zelle vorliegenden Proteine) ist es ihm gelungen, wichtige Einblicke in die Funktion und Regulation dieser Ionenkanäle in Neuronen und im Herzen zu gewinnen“, erklärt der Vorstandsvorsitzender der Wachter Stiftung, Prof. Dr. Lukas Huber, Direktor des Biozentrums sowie der Sektion für Zellbiologie, Medizinische Universität Innsbruck. „Dies bildet eine wichtige Grundlage auch für die Entwicklung von neuen Arzneistoffen mit Selektivität für bestimmte Subtypen dieser Natriumkanäle. Insbesondere könnten dadurch neue Schmerzmittel entwickelt werden.“

Spannungsregulierung durch Ionenkanäle
Nervenzellen beispielsweise stehen über die so genannten Synapsen (Kontaktstellen) miteinander in Verbindung. Um den Informationsfluss zwischen den Zellen zu gewährleisten, müssen diese elektrisch erregbar sein. „Während Natriumkanäle vor allem einen Nervenimpuls über die Nervenfaser weiterleiten, sind Kalziumkanäle am Ende der Faser für die Freisetzung der erregenden oder hemmenden Überträgerstoffe (Neurotransmitter) verantwortlich. Diese Ionenkanäle bilden Öffnungen in der Zellmembran, welche bei Reizung der Zelle über ihre Spannungsfühler die Ionenpore öffnen und schließen können“, stellt Prof. Dr. Jörg Striessnig von der Abteilung für Pharmakologie und Toxikologie (Institut für Pharmazie) die Funktion dieser spannungsaktivierten Ionenkanäle vereinfacht dar. „Dabei erlauben Natriumkanäle nur den Einstrom von Natriumionen, während Kalziumkanäle Selektivität für Kalziumionen besitzen.“

Ionenkanäle als Angriffspunkte für Medikamente entdeckt
Der Preisträger Catterall hat die Bedeutung dieser Ionenkanäle in Nerven- und Muskelzellen erforscht. Catterall konnte zeigen, dass bestimmte tierische Gifte an diese Natriumkanäle binden. Er benutzte diese Toxine, um damit diese Kanäle zu markieren, was ihm in der Folge auch ermöglichte, diese biochemisch aus dem Gehirn zu isolieren. „Diese Entdeckung war bahnbrechend: Damit konnte gezeigt werden, dass mehrere Proteine am Aufbau dieses Kanals beteiligt sind. Erst so wurde es später möglich, die funktionell und pharmakologisch bedeutsamen Regionen innerhalb dieser Kanäle aufzuklären“, erklärt Prof. Striessnig. Das an der Erforschung von Natriumkanälen erworbene biochemische Knowhow konnte Catterall später auch erfolgreich zur biochemischen Charakterisierung spannungsaktivierter Kalziumkanäle einsetzen.

Erfolgreiche Ionenkanalforschung auch in Innsbruck
Auch an den beiden Innsbrucker Universitäten wird derzeit erfolgreich an Kalziumkanälen geforscht. An der Medizinischen Universität beschäftigt sich die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Bernhard Flucher (Sektion für Physiologie) mit der Lokalisation und Funktion von Kalziumkanälen in Muskel- und Nervenzellen. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Manfred Grabner (Sektion für biochemische Pharmakologie) untersucht Unterschiede der Funktion von Kalziumkanälen im Skelettmuskel von Säugetieren und in Fischen. Prof. Dr. Striessnig und seine MitarbeiterInnen (Pharmakologie und Toxikologie, Leopold-Franzens Universität) untersuchen die unterschiedliche Funktion verschiedener Subtypen von Kalziumkanälen und die Möglichkeit der Entwicklung spezifischer Kalziumblocker.

„Österreich, und hier im Speziellen gerade die beiden Universitäten in Innsbruck, können international sichtbare Erfolge vorweisen – und ihre Grundlagenforschung in diesem Bereich liefert wichtige Erkenntnisse, welche für die Entwicklung neuer Arzneimittel auf Basis der Modulation von Kalziumkanälen, wie etwa neuer möglicher Parkinsontherapeutika, von großer Bedeutung sind“, erklärt Prof. Dr. Huber.

Fakten Ilse und Helmut Wachter Preis
Der Ilse- und Helmut Wachter Preis - mit einer Preissumme von € 15.000.- einer der weltweit hochdotierten Wissenschaftspreise - wird für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Medizinischen Forschung verliehen. Er ist eine Einrichtung an der Medizinischen Universität Innsbruck. Sie geht auf den Lebenswunsch von Univ.-Prof. Dr. Helmut Wachter zurück, dem jetzt emeritierten Ordinarius für Analytische Chemie an der Medizinischen Universität, der durch diesen Preis seine Verbundenheit mit der Medizinischen Universität zum Ausdruck bringen und deren Ansehen in der Welt fördern wollte.
Er rief zu diesem Zweck 1994 die Ilse und Helmut Wachter Stiftung an der Medizinischen Universität Innsbruck ins Leben und stattete sie mit einem namhaften Grundvermögen aus. Die Stiftung wurde durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr sowie die Universität Innsbruck wohlwollend gefördert und durch private Zuwendungen vermehrt.

Die "Ilse und Helmut Wachter Privatstiftung" verfolgt den Zweck, durch Verleihung eines Geldpreises im Rahmen der Medizinischen Universität Innsbruck für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Medizin die medizinischen Wissenschaften zum Wohle der Menschheit zu fördern und so zum Ansehen der Medizinischen Universität Innsbruck beizutragen.
     
Informationen: http://www.wachterstiftung.org    
     
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