BBT, Euregio, Doppelstaatsbürgerschaft: LH Durnwalder bei ORF-Pressestunde   

erstellt am
06. 12. 10

Wien / Bozen (lpd) - Ein weiter thematischer Bogen wurde am 05.12. in der ORF-"Pressestunde" mit Landeshauptmann Luis Durnwalder gespannt: von der wirtschaftlichen und politischen Situation Italiens über BBT, Euregio und den "Südtiroler Staatssozialismus" bis hin zur Forderung nach einer Doppelstaatsbürgerschaft für die Südtiroler.

Befragt von ORF-Redakteur Andreas Pfeifer und Alois Vahrner, Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung, äußerte sich Durnwalder zunächst über die wirtschaftliche Situation Italiens und dabei - mit Blick auf die Staatsverschuldung - seine Bedenken, dass die wirtschaftliche Schieflage zu einem generellen Misstrauen der Bürger der öffentlichen Verwaltung gegenüber führen könne. "Wenn Italien weiter so wirtschaftet, dann besteht diese Gefahr, auch weil in Rom kaum konkrete Anliegen angegangen und stattdessen Ressourcen vergeudet werden, um politische Probleme zu lösen", so Durnwalder.

Die wirtschaftliche Situation Italiens habe selbstverständlich auch Auswirkungen auf Südtirol. "Wir haben die Verpflichtung, uns an den Sparbemühungen zu beteiligen, tun dies aber nicht durch Einzahlungen in den Solidaritätsfonds, sondern durch eine konkrete Entlastung des Staates", so der Landeshauptmann, der zudem betonte, dass auch in Südtirol selbst gespart werde. Dies, indem man "die verfügbaren Mittel nicht in die Bürokratie, die Verwaltung investiert, sondern in die von uns als prioritär eingestuften Bereiche", so Durnwalder.

Auch zur politischen Situation in Italien sowie zum Verhältnis zwischen Rom und Bozen wurde der Landeshauptmann befragt. Durnwalder sprach von einem "Tauwetter", das sich in den letzten Wochen abgezeichnet habe und das seinen konkreten Ausdruck darin finde, dass bereits in der nächsten Woche einige neue Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut vom Ministerrat genehmigt werden sollten. Das Tauwetter sei, so der Landeshauptmann, einerseits auf die öffentlichen Klagen aus Südtirol zurückzuführen, dass die Entwicklung der Autonomie auf Eis liege, zudem aber auch auf die prekären Mehrheitsverhältnisse in Rom, zu denen Durnwalder betonte: "Wir gehören keinem politischen Block an, wir drängen uns niemandem auf, wir verkaufen uns nicht, reden aber mit allen."

Auf die Entwicklung der Euregio angesprochen, unterstrich der Landeshauptmann, dass sich mehr tue, als man wahrnehme. "Ich denke an den BBT, die Universitäten, die Naturparks, die Sicherung der Flüsse, aber auch an die Zusammenarbeit der Vereine und Verbände", so Durnwalder. Das Problem sei, dass aufgrund der immer noch fehlenden Ratifizierung des Madrider Abkommens, bis dato eine institutionalisierte Zusammenarbeit nicht möglich gewesen sei. Durch die Gründung eines Europäischen Verbunds territorialer Zusammenarbeit zwischen Innsbruck, Bozen und Trient werde diese Problematik aber aus der Welt geschafft. "Der Antrag zur Gründung des EVTZ liegt nun in Rom und ich bin zuversichtlich, dass wir die Genehmigung bald erhalten", so der Landeshauptmann.

Zur Sprache kam heute in der ORF-Pressestunde auch der Bau des Brennerbasistunnels (BBT) und dessen Finanzierung. "Dieser Tunnel wird nicht gebaut, um Süd- und Nordtirol zu verbinden, sondern den Norden Europas mit dem Süden", so Durnwalder. Zum BBT gebe es keine Alternative, die bestehende Strecke werde für den lokalen Verkehr gebraucht, sei aber ungeeignet, den internationalen Güterverkehr abzuwickeln. In Sachen Finanzierung gab sich der Landeshauptmann sicher, dass sowohl Österreich als auch Italien zu den Verpflichtungen stehen würden. "Der BBT wird gebaut, auch wenn er vielleicht nicht 2022, sondern erst 2025 oder 2026 eröffnet werden kann", so Durnwalder.

Die Finanzierung des BBT von Seiten Italiens werde nicht zuletzt über die Querfinanzierung aus Autobahn-Einnahmen gesichert. So weise derzeit alles in Richtung einer Vergabe der 2014 auslaufenden Konzession für die Brennerautobahn an eine neu zu gründende Korridor-Gesellschaft, der Eisenbahn, ANAS, Brennerautobahn-Gesellschaft und die Länder Südtirol, Trentino und Verona angehören sollen. "Die Anteilseigner der Autobahn-Gesellschaft wären mit der Auszahlung einer Mindestdividende zufrieden, der Rest der Einnahmen könnte in die Finanzierung des BBT fließen", so der Landeshauptmann.

Auf die Forderung nach der Doppelstaatsbürgerschaft für die Südtiroler angesprochen, betonte Durnwalder zunächst, dass eine solche grundsätzlich zu begrüßen wäre. "Nur müssen zunächst alle Folgen analysiert werden, ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass Österreich sehr erfreut darüber wäre, wenn es plötzlich 350.000 Staatsbürger mehr hätte, die zwar mitbestimmen wollen aber nicht mitzahlen", so der Landeshauptmann, der bezweifelte, dass in dieser Angelegenheit eine schnelle Entscheidung fallen würde.

Er sei, so Durnwalder, immer ein Realist und Pragmatiker gewesen. "Es geht in der Politik darum, Realisierbares zu verfolgen und nicht irgendwelchen Träumen nachzurennen oder den Leuten falsche Hoffnungen zu machen." Selbiges gelte für die Unterschriftensammlung für eine Volksabstimmung über das weitere Schicksal Südtirols. "Diese Unterschriftensammlung ist sinnlos, weil eine solche Abstimmung ohnehin ein Grundrecht jedes Volkes ist", so der Landeshauptmann. "Die Frage ist nur, wann man von diesem Grundrecht Gebrauch macht und ob man sich zu einem Zeitpunkt darauf berufen kann, wenn man täglich die Autonomie lebt und sich zu ihr bekennt." Sein Fazit: "Wir lassen uns sicher nicht irgendwo hineinmanövrieren, wo wir nicht mehr herauskommen und dann international vielleicht ausgelacht werden."

Zur Sprache kam schließlich auch das wirtschaftliche Modell Südtirol, das, so Moderator Pfeifer, auch schon als "Südtiroler Staatssozialismus" tituliert worden sei. "Wenn man unser öffentliches Engagement in der Wirtschaft betrachtet, muss man sich vor Augen halten, dass wir in den letzten zwanzig Jahren sehr viel haben anstoßen mussten, wir mussten die Infrastruktur schaffen und in zahlreichen Bereichen Aufbauarbeit leisten", so Durnwalder. Er sei durchaus für eine stärkere Beteiligung der Privaten, etwa in PPP-Modellen, auch für einen Rückzug des Landes aus bestimmten Bereichen, nur: "In diesen Fällen müssen sich auch die Privaten einschalten und entsprechendes Engagement zeigen", so der Landeshauptmann.
     
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