Schon mal von Weihnachten träumen ...   

erstellt am
03. 12. 10

Wie unser Gehirn Zeitreisen in Zukunft und Vergangenheit unterscheidet RUB-Neurowissenschaftler untersuchen Gedankenwanderungen
Bochum (universität) - Schon mal von Weihnachten träumen durfte eine Gruppe von Testpersonen am Institut für Kognitive Neurowissenschaft der RUB. Während einer Kernspinuntersuchung stellten sich die Probanden konkrete Ereignisse vor, die sie in den kommenden Feiertagen erleben könnten. Was wirklich stattgefunden hatte, erinnerten sie kurz nach Weihnachten wiederum unter Laborbedingungen. Mit diesen Untersuchungen zum Jahreswechsel 2008/2009 wollte Dr. Julia Weiler (Abteilung Neuropsychologie, Prof. Dr. Irene Daum) herausfinden, was im Gehirn passiert, wenn wir auf Zeitreisen gehen und wie es Erinnerungen von Zukunftsgedanken unterscheidet. Die Ergebnisse deuten nun auf zwei Mechanismen hin, denen die Menge an Sinnesinformationen und unterschiedliche zeitliche Aktivierungsmuster zugrunde liegen.

Neues Versuchsdesign für Zeitreisen
Bei mentalen Zeitreisen in die Vergangenheit und den bislang viel weniger erforschten in die Zukunft sind ähnliche Hirnareale aktiv. Wie das Gehirn beide Richtungen unterscheidet, erforscht Julia Weiler mit einem neuen Versuchsdesign: 18 Probanden hatten sich kurz vor Weihnachten insgesamt 30 Ereignisse vorgestellt, und gleich nach Weihnachten erinnerten sich diese Personen ebenfalls während einer Kernspinuntersuchung (Magnetresonanztomographie, MRT) an 30 Ereignisse, die tatsächlich stattgefunden hatten. "Damit ließ sich der Inhalt von Erinnerungen und Vorstellungen, anders als in vorherigen Studien, sehr ähnlich halten", hebt Dr. Weiler hervor. So dachte etwa ein Teilnehmer detailreich an die in Kalifornien verbrachten Weihnachtstage zurück: "Ich sehe eine Gurke, die an einem Baum hängt und all den anderen typisch amerikanischen Weihnachtsschmuck." Zukunftserlebnisse fallen oft etwas abstrakter aus: "Ich habe überlegt, ob es vielleicht Schoko-Mousse anstatt Bayerischer Creme zum Weihnachtsessen gibt und habe die Weingläser auf dem Tisch gesehen. Aber nicht mehr, keine Menschen und Handlungen."

Wie das Gehirn die "Reiserichtung" unterscheidet
Anhand der MRT-Aufnahmen zeigte sich eine Reihe von Unterschieden in den Aktivierungsmustern für Erinnerungen und Zukunftsgedanken: Bei Zeitreisen in die Vergangenheit stärker aktiv waren Hirnareale, die Informationen des Sehsinns verarbeiten. Bereits Erlebtes/Gesehenes scheint hier quasi erneut aktiviert zu werden. Neurowissenschaftler nehmen an, dass die Menge an Sinnesinformationen in Erinnerungen und Zukunftsgedanken dem Gehirn hilft, beide Zeitrichtungen zu unterscheiden. Jedoch kann das nicht der einzige Unterscheidungsmechanismus sein. Julia Weiler fand auch Unterschiede in den Zeitverläufen der Aktivierungen. So war der Hippocampus - eine insbesondere für das Gedächtnis wichtige Gehirnstruktur - viel früher bei Zeitreisen in die Vergangenheit aktiv; andere Hirnstrukturen waren schneller an Zukunftsgedanken beteiligt. Mithilfe entsprechender EEG-Untersuchungen fand die Neurowissenschaftlerin auch Hirnstrukturen, die in beide Richtungen agieren, jedoch zeitlich abhängig vom jeweiligen Inhalt der Vorstellung.

Erinnerungen kombinieren oder Gedächtnisspuren folgen
Auch wenn beim Vor- und Rückwärtsreisen durch die Zeit ähnliche Hirnareale beteiligt sind, werden diese doch ganz unterschiedlich beansprucht. Während wir uns die Zukunft ausmalen, kombiniert das Gehirn eine Vielzahl von Informationen verschiedener Erinnerungen. Dagegen wird bei einer Zeitreise in die Vergangenheit nur eine Gedächtnisspur aufgerufen. Diese Asymmetrie in den Anforderungen scheint sich in den zeitlichen Aktivierungsmustern niederzuschlagen und könnte ein Schlüssel für die Unterscheidung von Zukunft und Vergangenheit sein.
     
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