90 Jahre Bundesrat: Festakt im Parlament   

erstellt am
02. 12. 10

"Bundesrat ist kein Gegenpol zum Nationalrat sondern eine Ergänzung"
Wien (pk) - Am 1. Dezember 1920 trat der österreichische Bundesrat zu seiner ersten Sitzung zusammen. Aus diesem Anlass lud Bundesratspräsident Martin Preineder am 01.12. zu einer "Feierstunde" in den Sitzungssaal der Länderkammer. Festredner war der ehemalige Bundesratspräsident Herbert Schambeck, außerdem kamen neben Preineder auch der Vorsitzende der ÖVP-Bundesratsfraktion Gottfried Kneifel, der langjährige Fraktionsvorsitzende der SPÖ im Bundesrat Albrecht Konecny und die Vorsitzende der FPÖ-Bundesratsfraktion Monika Mühlwerth zu Wort.

Preineder konnte zur Feierstunde neben zahlreichen ehemaligen Mitgliedern des Bundesratspräsidiums auch die Vorarlberger Landtagspräsidentin Bernadette Mennel, ihre Amtskollegen aus der Steiermark und aus dem Burgenland, Manfred Wegscheider und Gerhard Steier, den Wiener Stadtrat Michael Ludwig und ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf begrüßen.

Preineder: Den Bundesrat aktiver in die Gesetzgebung einbinden
Seine Eröffnungsrede leitete Preineder mit einem Zitat von Jakob Reumann, dem ersten Vorsitzenden des Bundesrats, ein. Reumann betonte bei der ersten Sitzung der Länderkammer, dass "die neue Bundesverfassung den Ländern eine Rechtsstellung gibt, die sie zu wahren Gliedstaaten eines Bundesstaats macht und die volle Gleichheit zwischen Bund und Ländern vorsieht." Gleichzeitig äußerte er aber auch den Wunsch, dass der Bundesrat die legislative Tätigkeit des Nationalrats nicht behindern möge.

Preineder folgert daraus, dass der Bundesrat nicht als Gegenpol zum Nationalrat geschaffen, sondern als Ergänzung zu diesem gesehen worden ist. Auch heute sei der Bundesrat kein "Tiger", der seine Zähne zeige, sondern eine Eule, die sich um ihr regionales Revier kümmere, bekräftigte er.

Die öffentliche Diskussion werde allerdings von "Föderalismus versus Zentralismus" geprägt und in der "veröffentlichten Meinung" die Reibungsflächen zwischen Bund und Ländern in den Vordergrund gestellt, bedauerte Preineder. Der tägliche reibungslose Ablauf bei der Verwaltung von Bundesgesetzen durch die Länder werde hingegen nicht gesehen. Für Preineder geht es, wie er sagte, nicht um Machtdenken, sondern um eine klare und sinnhafte Arbeitsteilung zwischen Gemeinden, Bundesländern, Bundesstaat und EU.

Dem Bundesrat wohne ein eigener Geist inne, hob Preineder hervor. Er agiere nicht populistisch, sei konsens- und nicht konfliktorientiert, lösungs- und nicht problembezogen und fühle sich den Menschen in den Regionen verpflichtet. Mit den neuen Mitwirkungsrechten in EU-Angelegenheiten sei der Bundesrat außerdem zu einem Sprachrohr und einem verlängerten Arm der Länder und der Regionen in Brüssel geworden.

Für die Zukunft sprach sich Preineder für eine intensivere Einbindung des Bundesrats in die Arbeit der Landtage und eine aktivere Mitgestaltung an der Gesetzwerdung aus. Er sieht den Bundesrat zudem als Treiber und Mahner der Verwaltungsreform.

Schambeck: Ideal des Bundesstaats und Realität stimmen nicht überein
Festredner Herbert Schambeck erinnerte in seinem Vortrag an die Gründung der Republik Österreich und wies darauf hin, dass das 1920 verabschiedete Bundes-Verfassungsgesetz ein Zwei-Kammer-System mit dem Nationalrat als Volksvertretung und dem Bundesrat als Ländervertretung vorsah. Der Bundesrat könne ebenso wie der Nationalrat den Begriff Parlament für sich in Anspruch nehmen, betonte er. Das B-VG war für ihn ein Kompromiss zwischen der vor 1867 geltenden Dezemberverfassung und den Erfordernissen der demokratischen Republik und der Bundesstaatlichkeit.

Trotz der in der Verfassung verankerten Gleichheit von Bund und Ländern habe Österreich allerdings von Anfang an zentralistische Züge aufgewiesen, gab Schambeck zu bedenken. Die österreichische Politik sei immer von einem Spannungsverhältnis zwischen dem Ideal des Bundesstaats und seiner Realität begleitet gewesen.

Dass Österreich im Jahr 1945 seine Einheit wahren konnte, ist nach Ansicht von Schambeck ein wesentliches Verdienst der Bundesländer. Erst nachdem die Länder die in Wien gebildete Bundesregierung anerkannt hätten, sei diese auch von den westlichen Alliierten akzeptiert worden. In der Folge habe der Bundesrat den Weg Österreichs vom Wiederaufbau bis zur Wiedererlangung der vollen Souveränität durch den Staatsvertrag begleitet, führte Schambeck aus.

In den letzten Jahrzehnten habe der Bundesrat, so Schambeck, sukzessive mehr Rechte bekommen. So wurde ihm etwa 1984 ein absolutes Vetorecht gegen Verfassungsänderungen eingeräumt, die eine Schmälerung der Kompetenzen der Länder zum Inhalt haben. Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union könne er zu allen Vorhaben der Europäischen Union Stellungnahmen abgeben. In Bezug auf die neue Möglichkeit der Subsidiaritätsrüge und der Subsidiaritätsklage sei der Bundesrat dem Nationalrat gleichgestellt. Der Bundesrat sei Sprachrohr der Länder in Brüssel, stimmte Schambeck mit Bundesratspräsident Preineder überein.

Kneifel: Wer wachsen will, braucht Wurzeln
Gottfried Kneifel, Vorsitzender der Bundesratsfraktion der ÖVP, kam in seiner Rede auf die Bedeutung des föderalen Prinzips zu sprechen. Österreich habe sich, wie er ausführte, völlig freiwillig für den Weg des Föderalismus entschieden. Dass dieses Modell gut sei, zeige sich nicht zuletzt daran, dass den Regionen in vielen Staaten Europas zunehmend mehr Gewicht zukomme. Das steigende Ansehen des Föderalismus sah Kneifel dabei mit dem Fortschreiten der Globalisierung verbunden: Dem Ruf nach Weltoffenheit stehe heute der Wunsch nach Verwurzelung gegenüber. Denn nur wer Wurzeln habe, sei tragfähig und könne wachsen, stand für den Bundesrat fest.

Föderalismus und Subsidiarität seien damit auch besonders wirksame Mittel gegen Politikverdrossenheit, zeigte sich Kneifel überzeugt. Im Falle komplexer (Gesetzes-)Materien, die nicht leicht vermittelbar sind, müssten die Bürgerinnen und Bürger auf ihre VolksvertreterInnen vertrauen können. Für die Schaffung einer solchen Vertrauensbasis müsse sich, wie Kneifel ausführte, auch die Länderkammer des Parlaments einsetzen. Vertrauen brauche es überdies zwischen Bund und Ländern, Ländern und Gemeinden und schlussendlich zwischen nationalen Parlamenten und Europäischer Union.

Der Bundesrat müsse auch am europäischen Gestaltungsprozess teilhaben, indem er jene Instrumente nutzt, die ihm seit Verabschiedung der Lissabon-Begleitnovelle zur Verfügung stehen, appellierte Kneifel. Die Europäische Union solle für die BürgerInnen im Alltag spürbar werden, die Mitglieder des Bundesrats übernehmen dabei die Rolle des "Bodenpersonals".

Mühlwerth: Bundesrat muss eine schlagkräftige Länderkammer werden
Monika Mühlwerth blickte in ihrer Funktion als Vorsitzende der Freiheitlichen Bundesratsfraktion auf die Geschichte der Länderkammer zurück: Dabei hätte seit ihrer Gründung ein angespanntes Verhältnis zwischen Bund und Ländern geherrscht, was auch mit dem Verfassungskompromiss des Jahres 1929 nicht gänzlich überwunden werden konnte, skizzierte sie. Und auch die Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Bundesrat nach seiner Wiedereinführung 1945 zugestanden wurden, waren "endenwollend", kritisierte Mühlwerth. Zwar habe es immer wieder Reformen gegeben, diese hatten jedoch nie grundlegenden Charakter und seien damit eher als "Reförmchen" zu bezeichnen, stellte sie fest.

Das Bekenntnis zum föderalen Prinzip stehe dennoch außer Frage, zumal die Vergangenheit zeige, dass die Bundesländer durchaus etwas bewegen könnten. Machtdemonstrationen der Landeshauptleute wären jedoch fehl am Platz: Diese müssten, so Mühlwerth, einsehen, dass auch sie Teil des Ganzen sind.

Dass man das Instrument der Subsidiaritätsrüge auch für den Bundesrat habe reklamieren können, bezeichnete sie als großen Erfolg. Was nun zur Verfügung stehe, gelte es aber auch mit Leben zu erfüllen, forderte Mühlwerth ein.

Was die Frage einer Reform des Bundesrats anbelangt, gelte es über alles zu diskutieren, was die Länderkammer effizienter und schlagkräftiger macht. Hierbei allein den Kostenfaktor im Auge zu haben, sei jedoch nicht der richtige Weg, denn damit erweise man dem Parlamentarismus keinen guten Dienst.

Konecny: Stellungnahme- und Teileinspruchsrecht für Bundesrat
Der scheidende Vorsitzende der Bundesratsfraktion der SPÖ, Albrecht Konecny, meinte, man müsse die Länderkammer erfinden, gebe es sie nicht bereits: Ein föderal verfasster Staat brauche schließlich ein entsprechendes Gremium. Konecny erinnerte daran, dass man heute zwar der ersten Bundesratssitzung vor 90 Jahren gedenkt, dies aber nicht bedeute, dass die Länderkammer in dieser Zeit kontinuierlich bestanden habe. Nach Ausschaltung des Nationalrats 1933 habe dieses Gremium aber seine Tätigkeit weitergeführt, womit die Demokratie ein letztes Lebenszeichen von sich gab. Der Bundesrat warnte bereits damals vor dem, was kommen sollte. Diese Warnung sei zwar vergeblich gewesen, dürfe aber nicht vergessen werden, betonte Konecny.

Außer Frage stehe aber auch, dass die Tätigkeit des Bundesrats jederzeit einer Effizienzprüfung zu unterziehen ist. An einer solchen Optimierung arbeite die Länderkammer auch selbst besonders intensiv, hob Konecny hervor. Im Rahmen der Lissabon-Begleitgesetznovelle habe der Bundesrat sogar seine Rechte ausweiten können. Unbefriedigend sei es aber, dass die Länderkammer erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens zu den Vorlagen Position beziehen könne. Vor dem Hintergrund der derzeit bestehenden Schwierigkeiten wünschte sich Konecny nicht nur ein Stellungnahme-, sondern auch ein Teileinspruchsrecht für dieses Gremium. Außerdem wäre es zielführend, bei der Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofs Mitsprache zu erhalten.

Konecny – Abschied vom Bundesrat nach 23 Jahren
Konecny, der 1942 in Wien geboren wurde, nutzte die Feierstunde auch dazu, sich von den WegbegleiterInnen seiner 23 Jahre währenden Tätigkeit als Bundesrat zu verabschieden. Er verlieh dabei seiner Hoffnung Ausdruck, dass jene PolitikerInnen, die in der Länderkammer Erfahrung gesammelt haben, sich auch später zum Bundesrat bekennen mögen. Überdies sollten sich auch jene, die hier einmal die Opposition stellten, dieser Situation eingedenk sein, wenn sie wieder eine Mehrheit zählten. Er selbst werde sich gerne an die freundschaftliche Kooperation zwischen den Bundesratsfraktionen zurückerinnern, die immer im Dienst der Sache stand, schloss Konecny.

Verabschiedet wurde der langjährige Bundesrat von Präsident Martin Preineder, der die Gelegenheit nutzte, den politischen Werdegang Konecnys nachzuzeichnen, sowie von den Vorsitzenden der Bundesratsfraktionen.
     
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