Österreich und die Grundrechte   

erstellt am
07. 12. 10

Veranstaltung des Boltzmann Instituts im Hohen Haus
Wien (pk) - Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer fand am Abend des 06.12. im Hohen Haus eine Veranstaltung der EU-Agentur für Grundrechte statt. Dabei wurde der Frage nachgegangen, welche Bedeutung diese EU-Institution für Österreich hat. Eingeladen zu dem diesbezüglichen Round Table hat auch das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM).

Prammer erklärte, man sei eine Kooperation mit dem Boltzmann Institut eingegangen, weil es eine wesentliche Angelegenheit geworden sei, anlässlich des Tages der Menschenrechte auch eine Veranstaltung im Parlament zu machen. Seit einem Jahr sei nun der Vertrag von Lissabon in Kraft, womit die EU über einen bindenden Grundrechtskatalog verfügt, der den Verträgen als gleichrangig zu betrachten sei und damit auch ins Primärrecht übergehe. Diese Charta regle auch soziale Grundrechte, was sehr wesentlich und sehr wichtig sei.

Sie habe schon mehrere Male Gelegenheit gehabt, fuhr die Präsidentin fort, auf das 90-Jahr-Jubiläum der Bundesverfassung hinzuweisen, die ja keinen Grundrechtskatalog enthalte. Diesen habe man 1920 auf später verschoben, da man unmittelbar vor den Wahlen, die damals anstanden, dieses sensible Thema nicht übereilt behandelt wissen wollte. Stattdessen bezog man sich auf das ja auch heute noch gültige Staatsgrundgesetz aus 1867, das tatsächlich in vielen Punkten erstaunlich aktuell ist.

Es habe immer wieder Versuche gegeben, die Grundrechte in die Verfassung aufzunehmen, zuletzt im Rahmen des Österreich-Konvents, der auch einen starken Fokus auf die sozialen Grundrechte gelegt hatte. In diesem Sinne gebe sie, Prammer, die Hoffnung nicht auf, dass die sozialen Grundrechte noch ihre verfassungsmäßige Verankerung finden mögen. Die Debatte um Grundrechte dürfe sich denn auch nicht auf Jubiläumstage beschränken, sie müsse, wie die Demokratie selbst, ein permanenter Prozess sein, schloss die Präsidentin.

Im Anschluss referierte der Leiter des BIM, Hannes Tretter, zum Thema "Die EU-Grundrechtsarchitektur nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon". "Die Bedeutung der EU-Grundrechtscharta für die österreichische Gerichtsbarkeit" wurde vom Richter Meinrad Handstanger beleuchtet.

Die Geschäftsführerin von "ZARA", Barbara Liegl, sprach sodann über "Gleichheits- und diskriminierungsrechtliche Anforderungen der EU an die österreichische Gesetzgebung und Rechtspraxis", ehe sich das ehemalige Mitglied der Datenschutzkommission Waltraut Kotschky mit der Frage "Der datenschutzrechtliche Reformbedarf in Österreich nach Auffassung der EU-Agentur für Grundrechte" auseinandersetzte. Moderiert wurde die Veranstaltung von Maria Wittmann-Tiwald, welche Co-Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte der österreichischen Vereinigung der Richterinnen und Richter ist. Abgerundet wurde die Veranstaltung von einer Diskussion unter Einbeziehung weiterer Experten, unter denen sich auch die Abgeordneten Johann Maier (S) und Albert Steinhauser (G) befanden.

Die Grundrechte der EU
Wie sieht die Grundrechtsarchitektur der EU nach dem Vertrag von Lissabon aus? Was bedeutet das primärrechtliche Inkrafttreten der EU-Grundrechtscharta für die österreichische Rechtsordnung und für die gerichtliche Praxis? Welcher Reformbedarf ergibt sich für Österreich aus der bisherigen Arbeit der EU-Agentur für Grundrechte? Diesen Fragen sollte im Rahmen des Runden Tischs nachgegangen werden. Dabei wurde das Ziel verfolgt, die neuesten Entwicklungen im Grundrechtsschutz der EU den befassten Institutionen aus Politik, Justiz und Verwaltung nahezubringen, wobei auch NGO, Interessensvertretungen und Repräsentanten der Wissenschaft als Zielgruppe der Ambitionen der Grundrechtsagentur in den Fokus genommen wurden.
     
zurück