Bundesheer-Debatte  

erstellt am
24. 01. 11

"profil": Entacher: "Verlierer ist das österreichische Volk"
Generalstabschef Entacher gegen Aufgabe der Wehrpflicht - Zweifel an Kostenberechnung - zu wenige Freiwillige
Wien (profil) - In einem Interview in der am 24.01. erschienenen Ausgabe des Nachrichtenmagazins "profil" spricht sich General Edmund Entacher, der Generalstabschef des Bundesheeres, nachhaltig für die Beibehaltung der Wehrpflicht aus. "Wir haben schon jetzt ein Mischsystem aus Berufsheer, Wehrpflichtigen und Milizsoldaten, mit dem wir bisher alle an uns gestellten Aufgaben gut bewältigen konnten", betont Entacher. "Warum soll ich ein neues System einführen, das voller Risiken steckt und bei dem es kein Zurück mehr gibt? Kein vernünftiger Mensch würde das tun", so der ranghöchste Offizier Österreichs. "Der große Verlierer ist dann nicht das Bundesheer, sondern das österreichische Volk", warnt der General, der auch als SPÖ-Mitglied eine konträre Haltung zu Darabos einnimmt. Dessen Meinungswandel schmerze ihn. "Es gibt in der Politik sicher auch taktische Überlegungen", vermutet der General.

Entachers Haupteinwände gegen das neue Berufsheer-Modell betreffen das Budget und die Zahl der Freiwilligen: Die Behauptung von Darabos, das neue Modell würde nicht mehr kosten als das bestehende, bezweifelt Entacher im "profil"-Interview. "Nur wenn man die Anforderungen drastisch herunterfährt, stimmt diese Berechnung. Es ist wie bei einer Diät. Sie können natürlich auf 400 Kalorien täglich runtergehen, aber innerhalb kurzer Zeit sind Sie dann wahrscheinlich tot."

Bei den künftigen Rekrutierungen befürchtet der Armeechef, "dass wir die notwendige Anzahl von Freiwilligen nicht erreichen werden". Er habe entsprechende Warnungen aus den Niederlanden, Belgien und zuletzt auch aus Schweden erhalten.

   
Darabos fühlt sich durch "Blockierer und Verhinderer" in Reformkurs bestärkt
Offiziersgesellschaft und Milizverband "vertreten Privatmeinung" - Heute Gespräch mit Entacher
Wien (sk) - Verteidigungsminister Norbert Darabos wird sich in seinen Reformkurs für das Österreichische Bundesheer durch Kritik nicht beirren lassen. "Im Gegenteil, die Wortmeldungen dieser Verhinderer und Blockierer bestärken mich noch in meinem Kurs", entgegnete Darabos am 24.01. am Rande einer Pressekonferenz Aussagen von Seiten der Offiziersgesellschaft und des Milizverbandes. Weiters betonte der Verteidigungsminister, dass diese Organisationen lediglich Privatvereine sind.

"Das sind die Meinungen von Herren, die nicht den Rückhalt des Bundesheeres haben", so Darabos. Sein Vorschlag eines Freiwilligenheeres führe zu einer Professionalisierung und Stärkung der Miliz, so Darabos. Damit setze er langjährige Forderungen dieser Vereine um. Auch weiß sich Darabos durch eine große Mehrheit der Bevölkerung unterstützt.

Mit Generalstabschef Edmund Entacher wird es heute Gespräche bezüglich seiner Äußerungen in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins "profil" geben. "Klarerweise bin ich für Meinungsfreiheit, aber am Ende des Tages muss die politische Linie von den Mitarbeitern des Hauses mitgetragen werden", so Darabos, der diesbezüglich auf den Primat der Politik gegenüber den Militärs verwies.

 

Kaltenegger: Darabos-Drohungen gegen engste Vertraute und höchstrangige Generäle absolut unangebracht
"Verunsicherter Verteidigungsminister soll sich am Riemen reißen; Ordnungsruf des Bundespräsidenten notwendig"
Wien (övp-pd) - "Die Drohungen von Verteidigungsminister Darabos gegen seine engsten Vertrauten und hochrangigsten Generäle, die sich von seinen Plänen abwenden, sind unangebracht. Es zeigt lediglich, dass die Pläne in entscheidenden Fragen völlig unausgegoren sind und mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten, vor allem hinsichtlich Katastrophenschutz, Hochwasserhilfe und Zivildienst. Der offensichtlich schwer verunsicherte Verteidigungsminister soll sich am Riemen reißen und endlich klipp und klar die Fragen beantworten, wie künftig Katastrophenschutz und Zivildienst gewährleistet werden können. Was er bisher vorgelegt hat, kann das definitiv nicht leisten", so ÖVP- Generalsekretär Fritz Kaltenegger in Reaktion auf die jüngsten Aussagen von Verteidigungsminister Darabos.

"Generalsstabschef Entacher bewegt sich auf Basis der derzeit gültigen Verfassung und erfüllt lediglich seine Aufgabe, indem er den Schutz unseres Landes an vorderste Stelle seines Interesses stellt. Es ist inakzeptabel, wie ein hochrangiger Militär von Darabos bedroht wird. Weil es hier nicht um irgendeine politische Maßnahme geht, sondern um die Sicherheitspolitik unserer Nation, ist es höchste Zeit, dass sich Heinz Fischer zu Wort meldet. Ich verlange vom Bundespräsidenten einen Ordnungsruf in Richtung Verteidigungsminister Darabos", stellt der ÖVP-General klar, und abschließend: "Die Bedenken Entachers sind nicht so einfach wegzuwischen, denn das sind nicht nur die Bedenken Entachers und anderer hochrangiger Offiziere in Österreich, es sind auch die Bedenken der Menschen, die wissen wollen, wer ihnen beim nächsten Hochwasser oder Lawinenunglück zur Seite steht. Darabos sollte sich in Erinnerung rufen, auf welche Bundesverfassung er als Minister angelobt wurde und er seinen Eid abgelegt hat. Nämlich auf die österreichische Bundesverfassung, und diese sieht die allgemeine Wehrpflicht vor."

 

Strache: Wehrpflicht erhalten
Eine Heeresreform sei dringend notwendig, die Abschaffung der Wehrpflicht sei jedoch der falsche Weg
Vösendorf (fpd) - Ein klares Bekenntnis zur Wehrpflicht, gab der freiheitliche Bundesparteiobmann HC Strache am 22.01. anlässlich des Neujahrstreffens der FPÖ in Vösendorf, ab. "Ein Ende der Wehrpflicht bedeutet auch das Aus für die Neutralität und den Zivildienst", so Strache.

Eine Heeresreform sei dringend notwendig, die Abschaffung der Wehrpflicht sei jedoch der falsche Weg, warnte Strache, denn dieser Weg führe direkt in die NATO. Alle Länder, die die Wehrpflicht in den letzten Jahren abgeschafft hätten, seien NATO-Mitglieder, so Strache.

Auch bedeute die Abschaffung der Wehrpflicht das Ende des Zivildienstes, so Strache, der in diesem Fall mit Mehrkosten von 200 bis 350 Millionen Euro rechnet. Ein "verpflichtendes Sozialjahr" als Ersatz der Wehrpflicht sei aufgrund der europäischen Menschenrechtskonvention Artikel 4 (Verbot der Zwangsarbeit), welche im Verfassungsrang stehe, nicht möglich, so Strache.

Grundsätzlich sei es absurd, einen Zivildiener zum Heeresminister zu ernennen, betonte Strache. "Das wäre das gleiche, als ob man einen Vegetarier zum Direktor einer Wurstfabrik ernennt. Das Experiment einen Zivildiener zum Verteidigungsminister zu, machen sei gescheitert, so Strache. Es wäre zu begrüßen, wenn Darabos das Feld räumen würde, bevor er das Heer endgültig zerstöre.

 

Scheibner fordert Rückkehr zu sachlicher Diskussion
Es sei zweifelhaft, ob Darabos die richtige sicherheitspolitische Analyse für die Umstellung von der allgemeinen Wehrpflicht auf ein Modell ohne Wehrpflicht anstelle.
Wien (bzö) - BZÖ-Klubobmannstellvertreter Abg. Herbert Scheibner kritisiert massiv das von SPÖ-Verteidigungsminister Darabos verursachte Chaos beim Bundesheer. "Sollte die Kritik aus dem Bundesheer an SPÖ-Darabos tatsächlich aus Sorge um die Landesverteidigung erfolgen und nicht aufgrund lieb gewonnener Gewohnheiten, wie einem bequemen Beamtendienstrecht oder der Betreuung durch Grundwehrdiener, ist sie durchaus verständlich. Unabhängig von der inhaltlichen Bewertung der Linie des Ministers bestätigt sich nämlich der Verdacht, dass der Meinungsumschwung von Darabos von einem strikten Befürworter der Wehrpflicht hin zu einem Gegner nur aus rein parteipolitischen Gründen erfolgt ist", so Scheibner.

Es sei daher zweifelhaft, ob Darabos die richtige sicherheitspolitische Analyse für die Umstellung von der allgemeinen Wehrpflicht auf ein Modell ohne Wehrpflicht anstelle. "Außerdem zeigt die Kritik aus dem Offiziersbereich einmal mehr die mangelnde Kommunikation innerhalb des Ministeriums auf. Anstatt die Offiziere zu maßregeln, sollte er zu einer sachorientierten Analyse und Diskussion zurückkommen. Zuerst muss einmal klar definiert werden, welche Aufgaben des Bundesheer in Zukunft haben soll und kann und dann ist der Bedarf an Struktur, Budget und Personal festzulegen. Dann sind die Maßnahmen ohne ideologische Scheuklappen und im Sinne der Sicherheit Österreichs umzusetzen", betont Scheibner. Das BZÖ sei hier gerade dabei, ein entsprechendes detailliertes Konzept zu erstellen. "Wir werden allen Kräften, die es mit dem Bundesheer und der Sicherheit Österreich gut meinen, mit dieser Expertise zur Verfügung stehen", erklärt der stv. BZÖ-Chef.

 

 Pilz: Befürchtetes Chaos ausgebrochen
Landesverteidigungsausschuss sofort einberufen
Wien (grüne) - "Das befürchtete totale Chaos ist nun ausgebrochen", kommentiert der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz die Turbulenzen rund um die Wehrpflicht-Debatte und den Verteidigungsminister. "Die schlechte Vorbereitung Darabos' in der Frage der Zukunft der Wehrpflicht und des Bundesheeres ist daran schuld. Die Streitereien und die Planlosigkeit hat der SP-Minister zu verantworten." Der Grüne fordert die "sofortige Einberufung des Landesverteidigungsausschusses. Sollte das nicht Anfang nächster Woche geschehen, werde ich den Nationalen Sicherheitsrat einberufen".
     
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