Disrupted : Der Zerrissene von Nestroy   

erstellt am
21. 01. 11

Eine Textmontage – Eine Produktion von SPACES Andreas Hutter – In Kooperation mit Theater Nestroyhof Hamakom
Wien (artphalanx) - In "Der Zerrissene" von 1844 gelingt Nestroy mit der Darstellung sozialer Mißstände in einer Gesellschaftsordnung, die kurz vor dem Umbruch steht ein radikaler Befund der beginnenden Moderne und der einzigen Konsequenz, die sie letztlich für uns bereithalten wird: Herr oder Knecht, reich oder arm - versinnbildlicht im Höllensturz des "Kapitalisten" Herrn von Lips. Im Stück wird dieses Moment symbolisch anhand des Sturzes seiner beiden Hauptfiguren von Lips und Gluthammer vom Balkon, festgemacht.

Auf der Grundstruktur des Textes legt Andreas Hutter die Inszenierung als Nestroy-Alptraum oder Nestroy-Geisterbahn an: Himmel und Hölle des modernen Menschen, entblößt und reduziert auf seine Rolle in gegebenen Gesellschaftsgefügen. Diesem Aktionsraum, den Nestroys Text sehr genau fasst und beschreibt, wird durch kurze Texteinlagerungen von Heiner Müller die Utopie einer sozialistischen Gesellschaft und ihr Scheitern gegenübergestellt.

Insbesondere Müllers geschichtskritischer Gedichtzyklus "Der glücklose Engel" steht in spannungsgeladener dichterischer Antinomie zur Sprache Nestroys. Damit zeigt die Textcollage eine zeitgeschichtliche und politische Entwicklung auf: den Auftritt des "modernen Menschen" und sein zeitgleich beginnendes Verschwinden. Die Idee des freien selbstbestimmten Individuums erlischt zusehends in ihrer Ablösung durch die funktionale Einheit des global standardisierten Konsumenten. Ausgehend davon, dass sich das Bild des Menschen in der globalisierten Gesellschaft grundlegend gewandelt hat und der Aktionsraum immer enger wird, bilden "Das Verschwinden des Menschen" und die Frage nach neuen Räumen Grundthemen der Arbeit.

Sprachraum, Textfläche und Textraum sind in den szenographischen Inszenierungen von Andreas Hutter nicht nur inhaltlich und dramaturgisch von Bedeutung, in der konkreten szenischen Arbeit wird die musikalisch-klangliche Qualität der Sprache eine ganz entscheidende Rolle spielen. Diese Qualität wird bewusst als raumtragendes Element gesetzt, das sich mit der Architektur, dem inszenierten Bild und der Arbeit der Darstellerinnen und Darsteller zu einem Ganzen verbindet.

Andreas Hutter wurde 1964 in München geboren. Matura am Colegio de San Miguel in Madrid, Studium der Theater- und Musikwissenschaften an der Universität Wien, Diplomarbeit über Semiotische Grundlagen der Theaterwissenschaft. Neben der künstlerischen Tätigkeit 12 Jahre leitender Dramaturg am Landestheater Bregenz (Schauspiel und Musiktheater). 2009 Gründung von SPACES. Erstes Projekt von SPACES bildete 2010 die performative Rauminstallation "Und keine Hand. Zeit, Möderin, Alterslose" nach Texten von Heiner Müller in Koproduktion mit Trubleyn//Jan Fabre-Laboratorium und dem Theater Monty Antwerpen. Andreas Hutter lebt in Wien.

2. – 5. und 8. – 12. März 2011, jeweils 20.00 Uhr
Theater Nestroyhof Hamakom
Nestroyplatz 1, 1020 Wien
     
Informationen: http://www.hamakom.at    
     
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