Landtage aus rechtshistorischer und verfassungspolitischer Sicht   

erstellt am
04. 02. 11

Abschlusstag des Symposiums "Landtage auf dem Weg in die Zukunft" in der Salzburger Residenz
Salzburg (lk) - Aus vielen unterschiedlichen Perspektiven beschäftigten sich zahlreiche Expertinnen und Experten am 04.02. mit der Zukunft der Landtage bei der Fortsetzung des Symposiums zum Thema "Landtage auf dem Weg in die Zukunft" in der Salzburger Residenz. Das Symposium wurde von der Österreichischen Landtagspräsidentenkonferenz gemeinsam mit dem Institut für Föderalismusförderung veranstaltet. Nach der Begrüßung durch den Präsidenten des Bundesrates, Gottfried Kneifel (Oberösterreich) standen rechtshistorische sowie verfassungstheoretische und -politische Fragestellungen im Mittelpunkt. Moderiert wurde der zweite Tag des Symposiums von den Landtagsdirektoren Hofrat Dr. Karl Edtstadler (Salzburg), Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger (Vorarlberg) und Dr. Wolfgang Steiner (Oberösterreich).

Univ.-Prof. Dr. Harald Stolzlechner von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg sprach in seinem Beitrag "Die Landtage der österreichischen Bundesländer und die österreichischen Rechtsfakultäten" über Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Landtage mit Rechtsfakultäten und ging dabei auf gesetzliche Grundlagen der Zusammenarbeit, praktizierte Formen, Landtagsenqueten, wechselseitige Zusammenarbeit sowie personelle Verschränkungen ein.

Eine historische Analyse vom Februarpatent 1861 über den Zerfall der Habsburgermonarchie 1918 bis zum Beginn der Zweiten Republik 1945 gab Univ.-Prof. Dr. Robert Kriechbaumer von der Universität Salzburg in seinem Referat "1861, 1918, 1945 – Welches Österreich?" Kontinuitäten und Brüche. Eine historische Längsschnittanalyse". "Die Frage, welches Österreich man wiedererrichten wollte, wurde keineswegs einhellig beantwortet und war keineswegs unumstritten", führte Prof. Kriechbaumer unter anderem aus. "Vor allem Karl Renner wollte eine neue Verfassung und damit eine völlige Entmachtung der Länder zugunsten des Gesamtstaates, wurde jedoch von diesen Intentionen durch Adolf Schärf vor allem mit dem Argument, dass damit eine Integration der westlichen und südlichen Bundesländer in die Zweite Republik unmöglich wäre, abgehalten."

Über die Funktionen von Landtagen und Gesamtstaatsparlament und ihre Bedeutung für die Entwicklung des Föderalismus in der österreichischen Monarchie seit 1861 referierte anschließend ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Neschwara von der Universität Wien in seinem Vortrag mit dem Titel "Die verfassungsrechtlichen Funktionen von Landtagen und Gesamtstaatsparlament. Ein Überblick der Entwicklung seit 1861". "Der Kern der den Ländern als Selbstverwaltungskörper eingeräumten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten wurzelt in der landständischen Vermögensverwaltung des Vormärz", so Prof. Neschwara. Er bewahre die "historisch-politische Individualität" der Länder auch in Phasen der Verfassungsentwicklung, in denen sie Gefahr laufen, durch den Gesamtstaat völlig überlagert zu werden, wie in der Monarchie unter Josef II. oder im Neoabsolutismus, aber auch in der Republik unter dem Regime der vorläufigen Verfassung im Jahr 1945.

Nach einer Diskussionsrunde behandelte em. o. Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger von der Universität Wien in seinem Referat "Der Bundesstaat im Zeitalter der europäischen Integration" die Themen Bundesstaatlichkeit in der EU, Problematik der Kompetenzverteilung, verfassungsrechtliche Bedingungen einer funktionierenden Bundesstaatlichkeit, Reform der Kompetenzverteilung mit Hilfe des Drei-Säulen-Modells, erweiterte Steuerautonomie der Länder sowie die Zukunft der Landtage.

Noch vor der Mittagspause referierte Univ.-Prof. Dr. Anna Gamper von der Universität Innsbruck über die "Bedeutung des Legislativföderalismus in Österreich und Europa". Prof. Gamper ging der Frage nach, an welche verfassungsrechtlichen Grenzen ein "legislativföderaler Austausch" stoßen könnte und ob damit eine Entwicklung verfolgt werde, die im Einklang mit jenen Reformprozessen stehe, die andere Bundes- oder hochentwickelte Regionalstaaten in Europa gerade durchmachen. "Ein Befund des geltenden verfassungsrechtlichen Systems des österreichischen Legislativföderalismus weist den Landtagen dabei eine zentrale funktionale und organisatorische Rolle zu", so Prof. Gamper. "Bisherige Überlegungen zu einer tiefgreifenden Reform des österreichischen Bundesstaates konnten den Legislativföderalismus nicht ausgespart lassen. Dabei zeigte sich in jüngerer Zeit der Gedanke eines legislativföderalen Austausches dahingehend, den Ländern Kompetenzen zu nehmen, dafür jedoch den Bundesrat als ihr Vertretungsorgan zu stärken."

Am Nachmittag behandelte Univ.-Prof. Dr. Barbara Leitl-Staudinger, Universität Linz, das Thema "Parlamentarische Kontrolle durch die Landtage – Bedeutung und Perspektiven". Inhalte ihres Beitrages waren die steigende Bedeutung der parlamentarischen Kontrollrechte der Landtage, der Ausbau und die Neugestaltung der parlamentarischen Kontrollrechte der Landtage, ausgewählte Problembereiche der Ausgestaltung parlamentarischer Kontrollrechte der Landtage – wie Berichtspflichten und Einsichtsrechte, die begleitende Kontrolle durch Landesrechnungshöfe und die mittelbare Bundesverwaltung als Gegenstand parlamentarischer Kontrolle durch die Landtage – sowie Perspektiven der Landtage.

Den Abschluss der Vortragsreihe bildete das Referat von Univ.-Prof. Mag. Dr. Manfred Prisching, Universität Graz, zum Thema "Megatrends – die Länder im integrierten Europa und in einer globalisierten Welt". Prof. Prisching ging dabei auf die wirtschaftliche und politische Dimension der Globalisierung ein. "Die Unterschiede zwischen Innenpolitik und Außenpolitik schwächen sich ab", so Prof. Prisching. Einer der intensivsten Globalisierungsprozesse sei die Europäisierung. Es sei nach wie vor nicht klar, was aus Europa werden solle – ein loser Verbund oder ein Superstaat. Auch innerstaatliches politisches Handeln bekomme völlig neue Formen. Das alte System von Hierarchie und Rechtsstaatlichkeit werde immer stärker durch informelle Mechanismen, durch Anreizsysteme oder durch vertragliche Varianten durchbrochen. "Auch dies ist eine neue Art, Politik zu machen, wir sind in Wahrheit im Experimentierstadium", betonte Prof. Prisching.
     
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