Präsidentenwechsel im Bundesrat  

erstellt am
03. 02. 11

 Kneifel: Frischer Wind und neues Selbstverständnis für die Länderkammer
Antrittsrede des neuen Bundesratspräsidenten für das erste Halbjahr 2011
Wien (övp-pk) - Es ist an der Zeit, dass der Bundesrat als verlängerter Arm der Länder in der Bundesgesetzgebung aus seinem Schattendasein heraustritt und den gesellschaftlichen Wandel in der Republik aktiv begleitet. Das erklärte der Präsident des Bundesrates für das erste Halbjahr 2011, der oberösterreichische ÖVP-Mandatar Gottfried Kneifel am 03.02. in seiner Antrittsrede zu Beginn der Plenarsitzung.

"Es geht mir um ein neues Selbstverständnis für den Bundesrat. Wir brauchen frischen Wind in der Länderkammer und dürfen uns nicht darauf beschränken, die Windstille zu verwalten", so Kneifel. Für ihn bedeute das neue Selbstverständnis des Bundesrates:

- selbständige Gesetzesanträge stellen; das hat der Bundesrat bereits im Vorjahr bewiesen: Die bisher weitestreichende Verfassungsreform der Zweiten Republik, die die Mitbestimmung von National- und Bundesrat im Europäischen Rechtsetzungsprozess regelt, war ein Gesetzesantrag des Bundesrates, der vom Nationalrat vollinhaltlich übernommen wurde. - Themen behandeln, die die Menschen berühren und ihnen unter den Nägeln brennen; - den Nutzen unserer parlamentarischen Arbeit jederzeit öffentlich darstellen; - alle Möglichkeiten der Geschäftsordnung ausschöpfen, um die Regierung zum Handeln zu bewegen; - beweisen, dass die Länder nicht verweigern oder blockieren; - ideenreich und engagiert für intelligenten Föderalismus eintreten und mit kreativen Lösungen Menschen im gesellschaftlichen Wandel begleiten; - von einer Einspruchskammer zu einer Zuspruchskammer bzw. Ermutigungskammer werden; - eine starke Stimme der Regionen Österreichs sein. - Österreich und die Bundesländer im internationalen Wettbewerb nach vorne bringen.

Außerdem möchte der Bundesratspräsident auch den Bericht des Österreich-Konvents in Verhandlung nehmen und als Bundesrat auch Empfehlungen an die Bundesregierung weiterleiten. "Die Arbeit des Konvents darf nicht vergebens gewesen sein."

Als Präsident des Bundesrates will Kneifel darüber hinaus die regionale Europapolitik für die Menschen sichtbar machen, den Nutzen für die Regionen darstellen und die Netzwerke der Europapolitik stärken. Dazu sind einige Veranstaltungen geplant:

o Nächste Woche schon ist ein Besuch des deutschen Bundesrates in Berlin und Düsseldorf geplant. o Am 17. und 18. Februar ein Dreiländertreffen zur Vorbereitung der "Europaregion Donau-Moldau" am Hochficht, Bezirk Rohrbach, im Dreiländereck Österreich, Tschechien und Deutschland-Bayern. o Am 24. März im Parlament eine Donau-Konferenz samt Präsentation der österreichischen Donauhäfen. "Die Donauraumstrategie muss sichtbar gemacht werden", so Kneifel. o Am europaweiten Europatag am 9. Mai eine Europakonferenz des Bundesrates in Linz. Dabei geht es nicht nur um eine aktuelle Themenvorschau in der Europapolitik, sondern um eine bessere Verbindung und Vernetzung zwischen den EU-Ausschüssen der Landtage mit dem Bundesrat, kündigte Kneifel an.

 

Pühringer: Die Bundesländer sind keine Reformverweigerer
Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz spricht im Bundesrat
Wien (pk) - Im Anschluss an die Antrittsrede des neuen Bundesratspräsidenten nahm der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Josef Pühringer, die Gelegenheit wahr, in der Länderkammer über die Situation des Föderalismus in Österreich zu sprechen. Für ihn stand dabei außer Frage, dass die Bundesländer weder Reformverweigerer noch -blockierer sind: Sie hätten vielmehr großes Interesse an einer Modernisierung der bundestaatlichen Ordnung.

Für Pühringer steht deshalb fest, dass es gemeinsames Ziel sein muss, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu stärken, die politische Verantwortlichkeit deutlicher zuzuordnen und eine zweckmäßige, effiziente Aufgabenerfüllung aller Gebietskörperschaften sicher zu stellen. Nach hinten zu blicken und zu erläutern, wer die Schuld an der Entstehung des verzerrten Bilds der Länder und des Föderalismus trage, bringe nichts. Ihm gehe es vielmehr darum, auszuloten, was moderne Bundesstaatlichkeit im 21. Jahrhundert auszeichne.

Bund und Länder müssen sich auf Augenhöhe begegnen
Der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Länder keine nachgeordneten Organe des Bundes sind. Bund und Länder müssten sich vielmehr auf Augenhöhe treffen und benötigten das richtige Augenmaß im Umgang miteinander. Eine alle zufriedenstellende Föderativ-Verfassung werde es nie geben, sagte Pühringer mit Verweis auf den Kölner Staatsrechtler Klaus Stern. Es gelte deshalb das relativ Beste zu erreichen. Das föderale Gefüge sei keine leblose Maschine, sondern erwachse aus Zusammengehörigkeitsgefühl, Vertrauen, Solidarität und gegenseitigem Verständnis. Es gehe um gelebte politische Kultur, unterstrich Pühringer. Der Österreich-Konvent habe viele wichtige Vorschläge erarbeitet, die Menschen erwarteten nun von der Politik, dass sie die Reformen auch in Angriff nehme.

Föderalismus gewährleistet Bürgernähe, Wettbewerb und Entwicklung
Man dürfe auch nicht vergessen, dass Föderalismus spezifische Vorteile mit sich bringe, etwa mehr Bürgernähe. Alle Umfragen zeigten, dass sich die ÖsterreicherInnen am stärksten mit ihren Gemeinden identifizieren. An zweiter Stelle rangierten die Bundesländer. Das Prinzip der Subsidiarität müsse "Richtschnur" jeglichen staatlichen Handelns bleiben, zeigte sich Pühringer überzeugt. Dieses sichere schließlich auch schwächeren Regionen die Chance, aufschließen zu können. Föderalismus sei schließlich nie ein Wettbewerb der Stärkeren gegen die Schwächeren, sondern ein Wettkampf um die besseren Ideen.

Als dynamisches System fördere die Bundesstaatlichkeit aber auch Innovationen, hielt Pühringer fest. Die Länder bieten hier einen guten Ausgangspunkt für Reformversuche: Sollte ein solcher scheitern, fielen die Kosten dafür geringer aus, habe man Erfolg, könne man Neuerungen auch auf Bundesebene umsetzen. Ein Wettbewerb zwischen den Ländern könne durchaus innovationsfördernd sein, dürfe aber, wie Pühringer ausführte, nicht zu einem Weniger an Solidarität führen.

Das föderale System erweist sich als effizient
Als Stärke des föderalen Systems bezeichnete es der Redner auch, dass in den Bundesländern öffentliche Leistungen kostengünstiger und an die örtlichen Bedingungen angepasst erbracht werden können. Das sei laut internationaler Studien auch der Grund dafür, dass dezentral organisierte Staaten geringere Steuerleistungen von ihren BürgerInnen verlangen müssten als zentralistisch organisierte. Die Effizienz der föderalen Strukturen Österreichs stand für Pühringer außer Frage.

Kostengünstigere Lösungen seien dabei keineswegs schlechtere, hielt der Redner fest, sondern in aller Regel sogar flexiblere. Insbesondere im Krisenfall wäre regional angepasstes Handeln leichter möglich, gab Pühringer zu bedenken.

Föderale Zuständigkeitsordnung ist kein Selbstzweck
Die föderale Zuständigkeitsordnung sei kein Selbstzweck, konstatierte der Redner, sondern vielmehr Teil der gesellschaftlichen Selbstorganisation. Die Bundesländer wären deshalb auch bereit, in den politischen Reformprozess offensiv einzusteigen.

Kritik übte Pühringer daran, dass die Länder seit dem Beitritt zur Europäischen Union 1995 kaum weitere Kompetenzen erhalten haben. Sie wären jedoch bereit, zusätzliche Aufgaben im Sinne eines föderativen Bundesstaats zu übernehmen. Niemand habe sich aber jemals dafür ausgesprochen, Angelegenheiten, etwa im Bildungs- oder Sicherheitsbereich, die eindeutig dem Bund zuzuordnen sind, an die Länder zu übertragen. Man pflege keinen "Kantönligeist", stellte Pühringer klar.

Anzugehen gelte es unter anderem Fragen der Pflegefinanzierung und der Schulreform. Wo kein "großer Wurf" gelungen ist, wolle man versuchen, zumindest in kleineren Bereichen Fortschritte zu erzielen. Bei allen Reformprozessen gelte es, Denkverbote aufzuheben und sicherzustellen, dass Aufgaben und Ausgaben stets an einen Träger gebunden bleiben. Den BürgerInnen sei es letztlich egal, in welchem Topf die Steuermittel landen, sie erwarteten sich aber, dass ihre Beiträge für zukunftsfähige Lösungen eingesetzt werden.

 

Kraml: Modernisierung und Anpassung des Föderalismus an die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts
Gleichzeitig wies Kraml darauf hin, dass der Trend, immer mehr finanzielle Aufgaben auf die Gemeinden überzuwälzen, völlig inakzeptabel sei.
Wien (sk) - In seiner Rede vor dem Bundesrat zur Föderalismusdebatte anlässlich der oberösterreichischen Übernahme des Bundesrats-Vorsitzes betonte SPÖ-Bundesrat Johann Kraml am 03.02. die Bedeutung des föderalistischen Prinzips für das österreichische politische System und die besondere Rolle des Bundesrates. Gerade aufgrund der Bedeutung müsse der Föderalismus aber auch zeitgemäß interpretiert und reformiert werden.

"Unsere Föderalismusstruktur besteht seit Beginn der 1. Republik. Mehr als 90 Jahre später ist Modernisierung und Optimierung dringend erforderlich. Mir ist bewusst, dass das keine leichten Aufgaben sind. Das tägliche politische Geschehen führt uns dies immer wieder vor Augen. Beispiel ist für mich die derzeitige Bildungsdebatte und die Reform des Schulwesens. Wenn der Föderalismus darauf heruntergebrochen wird, wer über die Lehrerinnen und Lehrer bestimmen kann, bringt uns das nicht weiter", betonte Kraml.

Gleichzeitig wies Kraml darauf hin, dass der Trend, immer mehr finanzielle Aufgaben auf die Gemeinden überzuwälzen, völlig inakzeptabel sei. "Ich merke das hier kritisch an, weil die Krokodilstränen über die düstere Finanzlage so mancher Gemeinde sind auf solche Aufgabenverlagerungen zurückzuführen. Sicher hat man in der einen oder anderen Gemeinde auch über seine Verhältnisse gelebt. Mir ist auch klar, dass es Sparpotenziale gibt, an die man sich herantrauen muss. Das könne aber nicht die immer größere finanzielle Belastung der Gemeinden überdecken. Die Gemeinden sind die Basis für ein funktionierendes soziales, wirtschaftliches und politisches System. Hier muss sorgsam und mit größtem Bedacht gehandelt werden", unterstrich Kraml.

Hinsichtlich der Reform des Bundesrates betonte Kraml: "Treiben wir alle miteinander die Reform des Bundesrates voran. Versuchen wir einen gemeinsamen Konsens zu finden, in welcher Aufgabenstellung die Länderkammer künftig tätig sein kann. Es liegen die verschiedensten Konzepte in den Tischladen. Auch der Österreich-Konvent hat sehr gute Arbeit geleistet. Es liegt an uns, an der Politik, diese guten Vorschläge in einer Verwaltungsreform umzusetzen."

 

Brückl fordert von Pühringer Reformen statt Lippenbekenntnissen
Immer wenn es konkret wird, machen der Landeshauptmann und seine ÖVP einen Rückzieher
Wien (fpd) - "Die Bevölkerung hat tatsächlich ein großes Bedürfnis nach Reformen", so der freiheitliche Bundesrat Hermann Brückl in Reaktion auf die Rede des Vorsitzenden der Landeshauptleute-Konferenz Josef Pühringer im Bundesrat. "2011 muss das Jahr der Reformen werden. Die Ergebnisse des Österreich-Konvents gehören endlich umgesetzt", so Brückl.

Daran, dass ÖVP und SPÖ diese Reformen schaffen würden, fehle ihm allerdings der Glaube, so Brückl. In der Realität in Oberösterreich erweise sich Pühringer nämlich regelmäßig als Reformbremser. Als jüngst vom Präsidenten der Industriellenvereinigung Pöttinger einige gute Vorschläge kamen, sei sofort ÖVP-Klubobmann Stelzer ausgerückt, um diese strikt abzulehnen. "Oder auch die Forderung unseres freiheitlichen Landesrats Haimbuchner nach Streichung der Wohnbeihilfe für Nicht-EU-Bürger. Hier blockt die ÖVP ebenfalls ab. Wo will sie denn mit den Reformen beginnen? Bei der Verländerung des Lehrer etwa, um ihre eigenen Parteigünstlinge besser versorgen zu können?", fragt Brückl.

"Ich fordere Landeshauptmann Pühringer daher auf, nicht nur bei Festlichkeiten über Reformen zu reden, sondern die vorhandenen Reformvorschläge endlich umzusetzen", so Brückl.

 

Leitl: Bundesratspräsident Kneifl hat bei Reformvorhaben volle Unterstützung der Wirtschaft
Wirtschaftskammerpräsident: "Höchste Zeit, Vorschläge des Österreich-Konvents endlich umzusetzen"
Wien (pwk) - Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl begrüßt die selbstbewusste Antrittsrede des neuen Bundesratspräsidenten Gottfried Kneifl: "Ich freue mich, dass der Bundesratspräsident mit solchem Reformeifer in seine Amtsperiode startet. Bei seinem Vorhaben, die Ergebnisse des Österreich-Konvents endlich umsetzen, hat er die 100-prozentige Unterstützung der Wirtschaft." Seit Jahren werde über eine umfassende Staats- und Verwaltungsreform diskutiert, wobei die meisten Vorschläge bereits dank des Österreich-Konvents auf dem Tisch liegen. "Es ist daher höchst an der Zeit, ernsthaft die Umsetzung dieser Vorschläge zu betreiben", erklärt Leitl.

Insbesondere brauche Österreich eine Neuordnung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, weil das derzeitige Kompetenzgefüge auf die Mitgliedschaft Österreichs in der EU keine Rücksicht nehme. Auch dem Abbau von Doppelgleisigkeiten müsse dabei im Sinne schlanker Strukturen besondere Bedeutung beigemessen werden. Weitere zentrale Punkte sind unter anderem die Schulverwaltung und das Gesundheitswesen: "Hier müssen endlich Reformen erfolgen, sonst betreiben wir Raubbau auf Kosten zukünftiger Generationen", fordert Leitl. Dies entspricht auch dem Prinzip der Generationengerechtigkeit, das in den neuen Kinderrechten, deren Verankerung in der Verfassung ebenfalls heute auf der Tagesordnung der Bundesratssitzung steht, enthalten ist.
     

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