Tacita Dean - The Line of Fate   

erstellt am
14. 02. 11

4. März bis 29. Mai 2011 im MUMOK
Wien (mumok) - Die in Berlin lebende Tacita Dean (geb. 1965 in Canterbury) ist eine der international renommiertesten Künstlerinnen der letzten Jahrzehnte. Sie beschäftigt sich mit geschichtlichen Prozessen und dem Reichtum an Geschichten, die aus der Zeit gefallene Phänomene im Heute evozieren können. In ihrer ersten Einzelausstellung in Österreich präsentiert sie eine neue Werkgruppe, die thematisch um die Darstellung des künstlerischen Arbeitsprozesses kreist. Im Zentrum der Schau stehen vier Filmen über amerikanische Künstler: Merce Cunningham, Cy Twombly, Julie Mehretu und Claes Oldenburg. Der Titel der Ausstellung ist einem Buchprojekt von Leo Steinberg über Michelangelo entliehen und spielt auf die vielfältige Lesbarkeit der Linie an: als gezeichnete Linie und Spur des Körpers, als Schicksalslinie, Horizontlinie, und als Anspielung auf die Linearität der filmischen Bildfolge.

So wie Linien unterschiedliche Punkte miteinander verbinden können, verknüpft auch die Künstlerin in ihrer Arbeit die Medien Film, Fotografie, Zeichnung und Buch miteinander. Sie vergleicht Filme mit "gezeichnetem Licht", sie übermalt Fotografien und fotografiert Zeichnungen. Die Ausstellung fächert diese mediale Vielfalt von Tacita Deans Beschäftigung mit der Linie auf: neben sieben Filmprojektionen werden eine neue Serie von Alabasterzeichnungen, ein neues Fotogravure-Projekt, übermalte Fotografien und ausgewählte ältere Arbeiten gezeigt, in denen sich Dean mit dem Prozess des Zeichnens auseinandersetzt. Nach mehreren großen Retrospektiven in den letzten Jahren (2003 im Musée d'Art Moderne in Paris und 2006 im Schaulager in Basel) hat Tacita Dean für das MUMOK eigens diese neue Werkgruppe gestaltet. Im Oktober 2011 wird Tacita Dean das nächste Projekt für die Turbine Hall der Tate Modern in London gestalten.

Die "Schicksalslinie" verweist ebenso auf den Prozess des Alterns, eines der Leitthemen von Tacita Deans neuen Filmarbeiten. Der alternde Körper ist ein mit Erfahrung gesättigter Körper, der jedoch vom Verfall bedroht ist. Er ist zudem ein kulturgeschichtlicher Informationsträger, der das "Altern der Moderne" mit seinen inneren Widersprüchen und Ungleichzeitigkeiten veranschaulicht. Darin liegt eine Parallele zu Deans Beschäftigung mit zunehmend veralteten Techniken wie dem analogen Film oder der Fotogravure. Insbesondere Walter Benjamin hat auf diese Dialektik verwiesen, dass jeder Fortschritt, gesellschaftlich wie ästhetisch, immer auch mit einem Verlust einhergeht. Erst im Rückblick, im Moment des Verschwindens einer kulturellen Technik, scheint deren Reichtum an Möglichkeiten auf.

Die Darstellung künstlerischer Kreativität erfolgt in den neuen Projekten von Tacita Dean in vielfältiger Weise. In zwei Filmen über Giorgio Morandi etwa setzt sie Aufnahmen der originalen Gegenstände seiner Stillleben in Relation zu den mit hunderten von Markierungen versehenen Kartons, auf die er die Objekte platziert hat. Und in dem fast zweistündigen Film Craneway Event dokumentiert die Künstlerin die Proben zu einer Performance der Merce Cunninghams Dance Company in einer spektakulären modernistischen Industriehalle direkt am Hafen von San Francisco. In seiner Biographie verkörpert der 89-jährige Merce Cunningham die ganze Spannbreite der Entwicklungsgeschichte: angefangen von den historischen Avantgardebewegungen zur amerikansichen Hochmoderne bis hin zur Postmoderne. Insofern ist der Film auch ein Rückblick auf die Moderne, er erzählt von einzelnen Stationen und Konflikten, von Verlusten und Phantasmen.

Kurzbiografie Tacita Dean
Geb. 1965 in Canterbury (UK), lebt und arbeitet in Berlin. Tacita Dean studierte an der Falmouth School of Art in Cornwall (1985- 1988), der Supreme School of Fine Art, Athen (Stipendium, 1988-1989) und der Slade School of Fine Art in London (1990-1992). Seit 1992 wird Tacita Deans Werk in internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Die Künstlerin war 2003 und 2005 bei der Biennale di Venezia vertreten.

Preise und Auszeichnungen (Auswahl):
Turner Prize Nominierung, Tate Gallery, London (1998), DAAD Scholarship, Berlin (2000), Kunstpreis Aachen (2002), Fondazione Sandretto Re Rebaudengo, Turin (2004), The Sixth Benesse Prize, Biennale di Venezia (2005), Hugo Boss Prize, Solomon R. Guggenheim
     
Informationen: http://www,mumok.at    
     
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