Mehrheitswahlrecht  

erstellt am
10. 02. 11

 Kräuter für Mehrheitswahlrecht als Ausweg aus der Koalitionskrise
EX-Vizekanzler Busek: Ministern fehlt es an fachlicher Kompetenz
Wien (atv) - Mit einem Vorstoß Richtung Mehrheitswahlrecht überraschte gestern SPÖ Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter in der ATV Diskussion Am Punkt zum Thema "Stillstand in Österreich - Wer steht auf der Bremse?". Sollte die rotschwarze Regierung ihre Krise nicht aus eigener Kraft beenden können, dann müsse man sich "ein anderes Wahlrecht überlegen - ein Mehrheitswahlrecht. Denn dann kann eine Partei entsprechend ihren eigenen Vorstellungen was umsetzen." so Kräuter.

Er sei aber optimistisch, dass SPÖ und ÖVP " im Jahr 2011 und 2012 so manche wirklich große Reform gelingen" werde und etwa der Streit in der Frage der Wehrpflicht beigelegt werden könnte. Sein Gegenüber, ÖVP Generalsekretär Fritz Kaltenegger, war zwar anfangs auch bemüht den Koalitionszwist zu kalmieren, beim Thema Bundesheer wurde dann aber wieder scharf in Richtung Regierungspartner geschossen: "Das Darabos-Konzept zum Thema Wehrpflicht oder Nicht-Wehrpflicht kann man nehmen, eine Gulaschkanone anheizen und mit dem Gulasch sollte man es ordentlich stärken und eine gescheite Reform in Angriff nehmen!" so Kaltenegger.

Das Image des "Bremsers" innerhalb der Koalition (70 Prozent der ATV Zuseher hatten die Votingfrage "Wer steht in der Regierung auf der Bremse" mit "Die ÖVP" beantwortet.) lasse sich die ÖVP nicht umhängen, so Kaltenegger: "Wenn man mit 180 auf eine Mauer zurast, ist es ganz gut, wenn jemand auf die Bremse steigt, um nicht einen Unfall zu provozieren. Wenn es Themen gibt, wo wir überzeugt davon sind, dass die Richtung falsch ist, dann werden wir versuchen, zu korrigieren."

Massive Kritik an der Bunderegierung - auch an seiner eigenen Partei, der ÖVP - übte der ehemalige Vizekanzler Erhard Busek. Angesichts der Streitereien und des Stillstands in der Koalition könne sich FPÖ-Chef Strache "zurücklehnen, nichts tun und ihnen zuschauen, bis er endlich eine Mehrheit kriegt." Die Menschen würden zunehmen das Vertrauen in die Politik verlieren, das wäre noch nie so stark gewesen, so Busek.

Als Grund für den desaströsen Zustand der Koalition ortet Busek "fehlende Kompetenz" der Minister: "Es fehlt die Expertise hier, obwohl die Ministerbüros inzwischen ganz gewaltig groß sind - im Vergleich zu meiner Zeit - aber im fachlichen Bereich funktioniert es einfach da und dort nicht."

"Peinlich, kindisch, blockierend" sei das Verhalten der Koalitionsparteien. Auch das Urteil des stv. Parteichefs der Grünen, Werner Kogler, fiel erwartungsgemäß kritisch aus. "Unterschiedlicher Meinung darf man schon sein. Das Problem ist ein anderes: man muss ja was bewegen wollen in der Politik und daran hapert es." Diese "Streitkoalition" könne etwa in Sachen Wehrpflicht nichts weiterbringen, so Kogler, das wird "nur mit einer Volksbefragung oder mit einer Volksabstimmung gehen."

 

Vilimsky: Undemokratisches Mehrheitswahlrecht ist kein Ausweg aus Koalitionskrise
Dass bei einer solchen Konstellation die Regierungsarbeit zum Stillstand komme, sei kein Wunder.
Wien (fpd) - Ein undemokratisches Mehrheitswahlrecht ist keine Lösung der Regierungskrise, abgesehen davon, dass dies vermutlich ein Schuss ins Knie der im Sinkflug befindlichen SPÖ werden könnte, kommentierte der freiheitliche Generalsekretär NAbg. Harald Vilimsky die Aussagen von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter, wonach dieser den Ausweg aus der Koalitionskrise in einer Änderung des Wahlrechtes sieht. "Präpotenter und abgehobener geht es nun wirklich nicht mehr", so Vilimsky.

"Wenn die Regierungsparteien sich gegenseitig blockieren und sich in ihrer Amtsführung der diversen Ministerien nicht einigen können, dann sollten sie sich überlegen, ob sie in der richtigen Koalition sind", so Vilimsky. Die Zahl der unbedarften, unqualifizierten und schwachen Minister sei in der SPÖ noch nie so hoch wie heute gewesen, betonte Vilimsky.

Dass bei einer solchen Konstellation die Regierungsarbeit zum Stillstand komme, sei kein Wunder, so Vilimsky, der hier nicht das Heil in einer Änderung des Verhältniswahlrechtes hin zu einem Mehrheitswahlrecht sieht, sondern in einer Neugestaltung der Bundesregierung, mittels Wählerentscheid. Eine SPÖ-Alleinregierung, so wie dies Kräuter offenbar vorschwebe, sei jedenfalls das Schlimmste, was diesem Land passieren könnte, hätten doch die Genossen bereits heute keine qualifizierten Minister anzubieten und müssten derzeit nur die Hälfte der Regierungsmannschaft stellen, zeigte Vilimsky auf.

Sich trotz anhaltender Unfähigkeit dennoch an der Macht halten zu wollen, indem man einfach das Wahlrecht ändere, zeige deutlich was die SPÖ von Demokratie halte, so Vilimsky, der die verstärkten Aktivitäten der SPÖ gegen verfassungsmäßig verankerte Grundsätze wie Neutralität, Wehrpflicht und nun auch noch das Verhältniswahlrecht, mit großer Sorge um die Demokratie beobachtet. "Wehret den Anfängen", schloss Vilimsky.

 

Ebner: Mehrheitswahlrecht hat keine Chance auf Umsetzung
Chancen, dass SPÖ und ÖVP gemeinsam wieder über eine Zweidrittelmehrheit verfügen, kleiner als jene, dass Günther Kräuter einen Nobelpreis erhält
Wien (bzö) - BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner lehnte ein Mehrheitswahlrecht kategorisch ab. "Ein solches Wahlrecht ist undemokratisch und nicht repräsentativ. Die Regierungsparteien wollen damit lediglich die aufgrund ihrer schlechten politischen Arbeit geringer werdenden Mandate durch den Mehrheitswahlrechtstrick wieder ausgleichen und so ihre Pfründe absichern", so Ebner, der daran erinnert, dass auch im klassischen Mehrheitswahlrechtsland England derzeit eine Koalition regiert. Kräuter habe in der Analyse zwar recht, dass die derzeitige SPÖ-ÖVP-Koalition die schlechtest mögliche Regierungsform sei, aber um dies zu ändern "braucht es keine Wahlrechtsänderung, sondern schlicht und einfach neue Regierungskoalitionen", so Ebner.

"Immer, wenn die Oppositionsparteien stärker werden, kommt von SPÖ und ÖVP das Verlangen, durch eine undemokratische Wahlrechtsänderung das sinkende Wählervertrauen zu kompensieren. Diese in immer kürzeren Abständen von SPÖ und ÖVP künstlich entfachte Diskussion ist einmal mehr ein Eingeständnis mangelnder Lösungskompetenz der Regierungsparteien in allen Bereichen. Hier wird einfach Machterhalt über Demokratie und Gerechtigkeit gestellt. Außerdem sind die Chancen, dass SPÖ und ÖVP gemeinsam wieder über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügen, kleiner als jene, dass Günther Kräuter einen Nobelpreis erhält", betont Ebner.
     

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