Rezeptgebühren-Reparatur  

erstellt am
08. 02. 11

Kompetenzstreit und Doppelgleisigkeiten
Der steinige Weg zur Gesundheitsreform
Wien (oe1.orf.at) - Eines der großen, aber noch ausständigen Vorhaben der Bundesregierung ist eine umfassende Gesundheitsreform. Dazu unternimmt Gesundheitsminister Alois Stöger von der SPÖ nun einen neuen Anlauf. Nach einem Sanierungs-Plan für die Krankenkassen soll jetzt auch das Spitalswesen reformiert werden, wie das ORF Radio im Ö1-"Mittagsjournal" berichtete.

Bisher sind aber sämtliche Versuche einer Spitalsreform gescheitert, weil weder Bund, Länder oder Gemeinden, noch Krankenkassen oder auch Ärzte Kompetenzen abgeben wollen. Einen Kompetenz-Streit gibt es auch bei der angekündigten Reparatur der Rezeptgebühr-Obergrenze. Da dürften derzeit etliche Patienten draufzahlen. Der Gesundheits-Minister weist jetzt die Verantwortung zurück an die Sozialversicherung.

Gesprächsbereitschaft vorhanden
Gesundheitsminister Alois Stöger gibt sich zuversichtlich. Trotz des bisherigen Scheiterns aller Reform-Bemühungen bei den Spitälern soll es nun klappen. "Wir haben Einvernehmen in einem Prozess zustande gebracht. Sozialversicherungen und Länder sind bereit, ins Gespräch zu kommen. Und das ist der erste Erfolg."

Diese Zuversicht begründet Alois Stöger mit seinen bisherigen Erfolgen, wie er sagt. Der erste Schritt sei gewesen, die Finanzierung der Gebietskrankenkassen zu erreichen, beim zweiten Schritt sei es darum gegangen, mit den Ärztegesellschaften die Versorgung im niedergelassenen Bereich zu verbessern, sprich: eine bessere Versorgung von Patienten außerhalb der Spitäler zu garantieren. Drittens sollten die Spitäler diesen neuen Rahmenbedingungen auch angepasst werden…

 

Karlsböck: Rezeptgebühren-Abzocke auf Rücken der Ärmsten
Bei Entlastungen sei die SPÖ traditioneller Weise weniger kreativ als beim Erfinden neuer Belastungen
Wien (fpd) -
Völlig frei von sozialem Gewissen, agiere SPÖ-Gesundheitsminister Stöger, wenn es um die Abzocke bei der Rezeptgebühr gehe, sagte der freiheitliche Ärztesprecher NAbg. Dr. Andreas Karlsböck. "Es ist ein Armutszeugnis für die SPÖ, wenn sie es nötig hat das Gesundheitssystem auf dem Rücken der Ärmsten zu sanieren", so Karlsböck.

Die Rezeptgebührenbefreiung diene dazu die einkommensschwachen Patienten von eben dieser Gebühr zu befreien, klärte Karlsböck den Gesundheitsminister auf, der hier offenbar etwas missverstanden hat. Es sei ein sozialpolitischer Anachronismus, wenn ausgerechnet billige Medikamente, die preislich unter der Rezeptgebühr lägen, die ärmsten Patienten massiv belasten würden, so Karlsböck, der Stöger aufforderte hier endlich tätig zu werden. "Mehr als ein halbes Jahr 'Nachdenkpause' ist genug!", so Karlsböck.

Bei Entlastungen sei die SPÖ traditioneller Weise weniger kreativ als beim Erfinden neuer Belastungen, erinnerte Karlsböck daran, dass alle Selbstbehalte im Gesundheitswesen ausschließlich von SPÖ-Ministern eingeführt wurden. "Mit dieser Politik kann die SPÖ das Wort 'sozial' aus dem Parteiprogramm streichen", so Karlsböck.

Prinzipiell, so Karlsböck, müsse die Querfinanzierung von Sozialleistungen überdacht werden, denn die Befreiung von der Rezeptgebühr sei eine Sozialleistung und müsse daher auch aus dem Sozialtopf gezahlt werden, so Karlsböck, der hier keine Veranlassung sieht das Gesundheitsbudget anzutasten. "Am sozialsten wäre es allerdings gänzlich auf Selbstbehalte zu verzichten", forderte Karlsböck die Bundesregierung auf, endlich auch bei Entlastungen kreativ zu werden. "Ein diesbezüglicher Gesetzesantrag der FPÖ wird baldigst eingebracht", kündigte Karlsböck an.

 

 Öllinger: OÖ klagt gegen Mindestobergrenze
Unfaire Grenze gilt nicht für Menschen mit niedrigen Einkommen
Wien (grüne) - "Die Rezeptgebührenobergrenze ist seit ihrer Einführung ein Pfusch", kritisiert Karl Öllinger, Sozialsprecher der Grünen. "Die Obergrenze von 2% gilt nicht für Menschen mit niedrigen Einkommen". Wer etwa verheiratet ist und Euro 450 netto im Monat verdient, hat eine Obergrenze von 3,4% statt von 2%. Die Rezeptgebühr entfällt nicht nach dem 21., sondern erst nach dem 37. Medikament. Gegen diese unfaire Regelung läuft in Oberösterreich gerade eine Klage.

"Wir weisen Minister wie Parlament und Hauptverband seit Jahren auf diesen Missstand hin", so Öllinger. "Alle haben sich für unzuständig erklärt." Dass der Hauptverband die gesetzeswidrige Umsetzung der Obergrenze mit allen Mitteln verteidigt, kann Öllinger sogar irgendwie nachvollziehen: "Schuld an Situation tragen PolitikerInnen, die eine Rezeptgebührenobergrenze bestellt, aber nicht bezahlt haben." Jetzt ist Feuer auf dem Dach: "Die Regierungsparteien können weiter in die Luft schauen und warten, bis der Hauptverband verurteilt wird oder sofort für eine saubere und gerechte Lösung sorgen", so Öllinger. Die Grünen werden jedenfalls einen entsprechenden Antrag im Nationalrat einbringen. Dabei können auch gleich die weiteren Baustellen bei der Rezeptgebührenobergrenze bearbeitet werden: etwa das ungerechte Ignorieren von Medikamenten, die weniger als 5,10 Euro kosten oder die Praxis, dass die Obergrenze für viele Versicherte erst Jahre später zu wirken beginnt.

 

 Korosec: Entschlossenes Handeln statt Ankündigungspolitik
"Herr Gesundheitsminister, beenden Sie die unsozialen Sonderregelungen bei der Rezeptgebührenobergrenze"
Wien (seniorenbund) - "Herr Gesundheitsminister, beenden Sie die unsozialen Regelungen bei der Rezeptgebührenobergrenze! Sorgen Sie endlich dafür, dass Medikamente, die weniger als die Rezeptgebühr - also bis zu 5,10 Euro - kosten, ebenfalls angerechnet werden. Es muss damit Schluss sein, dass Zehntausende einkommensschwächere Pensionisten draufzahlen, weil eine längst angekündigte Korrektur dieser Regelung versäumt wurde. Nun ist es an der Zeit zu handeln. Weitere Evaluierungen und langwierige Diskussionen helfen den insgesamt 400.000 Betroffenen nicht weiter", erklärt LAbg. Ingrid Korosec, Bundesobmann-Stellvertreterin des Österreichischen Seniorenbundes und Landesvorsitzende des Wiener Seniorenbundes.

"Und natürlich müssen Sie, Herr Gesundheitsminister, zugleich die Finanzierung dieser Maßnahme sicherstellen. Denn den Sozialversicherungen kann man diese Kosten gerade in der derzeit stattfindenden Konsolidierungsphase nicht umhängen", so Korosec weiter.

"Eben solcher Handlungsbedarf besteht im Übrigen bei den bäuerlichen Pensionen, dort besonders bei den Ausgleichszulagenbeziehern (genannt Mindestpension), wo es durch die Bewertung des "fiktiven Ausgedinges" zu zahlreichen Härtefällen kommt. Denn die ausbezahlte tatsächliche Pension ist geringer als die eigentliche Ausgleichszulage, bei der Errechnung der Grenzen wird jedoch so getan, als verfügten diese Personen über die gesamte Höhe der Ausgleichszulage. Auch dies muss repariert werden", so Korosec abschließend.

Zum Hintergrund: Rund 400.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr sind von den weiteren Rezeptgebühren bis zum jeweiligen Jahresende befreit, weil sie bereits mehr als 2% ihres Nettojahreseinkommens für Rezeptgebühren ausgegeben haben. Der Haken daran: Medikamente, die weniger als oder genau gleich viel wie die Rezeptgebühr kosten (5,10 Euro) werden in der Medikamentenaufstellung nicht berücksichtigt. Gerade bei chronisch Kranken kann dies zu sehr hohen Kosten führen ohne dass jemals die entsprechende Obergrenze erreicht wird. Gesundheitsminister Stöger hatte dazu im August 2010 eine Neuregelung bis Anfang 2011 angekündigt. Selbige liegt bis heute nicht vor.
     

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