Parlamentarische Diplomatie wird zunehmend wichtiger   

erstellt am
08. 02. 11

NR-Präsidentin Prammer zu Gast an der Jawaharlal Nehru University
New Delhi (pk) - Ihr Arbeitsaufenthalt in Indien führte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer am Vormittag des 08.02. an die Jawaharlal Nehru University in New Delhi, wo sie im Rahmen eines Vortrags Chancen und Vorteile parlamentarischer Diplomatie im 21. Jahrhundert beleuchtete. Dabei stand für Prammer außer Frage, dass dieser Form internationaler Beziehungspflege zunehmend mehr Gewicht zukommen müsse.

Parlamentarische Diplomatie als flexiblere Alternative
Als wesentlichen Vorteil parlamentarischer Diplomatie benannte die Nationalratspräsidentin ihre im Gegensatz zu anderen diplomatischen Formen größere Flexibilität und Offenheit: Abgeordnete seien schließlich weder Einschränkungen durch das Protokoll unterworfen, noch wären sie notwendigerweise daran gebunden, die offizielle Position ihres Heimatstaates und damit ihrer Regierung zu vertreten. Gerade deshalb halte sie, so Prammer, parlamentarische Diplomatie für den bestmöglichen Ersatz für direkten Kontakt zwischen Völkern.

Internationalisierung des parlamentarischen Systems ist ein Muss
Der in Folge des technologischen Fortschritts ausgelöste Prozess der Internationalisierung hat, wie die Nationalratspräsidentin ausführte, rasch alle Bereich des Lebens durchdrungen. Damit entwickelten sich etwa auch Wirtschaft, Beschäftigung und Lebensstil vor dem Hintergrund eines globalen Kontextes. Viele Probleme könnten deshalb auch nur in Kooperation zwischen nationaler und internationaler Ebene gelöst werden. Dabei verringere sich aber der traditionelle, politische Einflussbereich der einzelnen nationalstaatlichen Parlamente – sofern sie nicht proaktiv auf den Internationalisierungstrend reagierten und neue Prioritäten setzten.

Obgleich außenpolitische Fragen traditionell in den Zuständigkeitsbereich von Regierungen fielen, müsse man angesichts beschriebener Entwicklung auch die Internationalisierung des parlamentarischen Systems forcieren. Das sei notwendig, um sicherzustellen, dass politisches Handeln auch in Zukunft demokratisch legitimiert werden könne. Inter- und supranationale Organisationen erfüllten dieses Kriterium nicht, weshalb die Tatsache, dass sie mehr und mehr politische Entscheidungen fällen, kritisch beäugt werde, konstatierte Prammer.

Um dem Verlust der Kontrolle über politische Entscheidungsprozesse entgegenzutreten, hätten die Parlamente aber Strategien entwickelt: Sie kämpften unter anderem um mehr Mitspracherecht auf dem Gebiet der Außenpolitik, schärften ihr außenpolitisches Profil und intensivierten grenzüberschreitende Kooperationen.

Die IPU (Interparliamentary Union), der die Parlamente von 152 Staaten angehören, arbeite vor diesem Hintergrund eng mit den Vereinten Nationen zusammen und bemühe sich auf diese Weise, Prozesse der nationalen wie auch internationalen politischen Entscheidungsfindung enger aneinanderzuknüpfen. Sie habe sich deshalb auch, wie Prammer ausführte, als nützliches Vehikel erwiesen, wenn es darum gehe, spezifische Prioritäten im Rahmen internationaler, politischer Prozesse zu setzen. Die Nationalratspräsidentin verwies in diesem Zusammenhang auf von der IPU organisierte parlamentarische Foren zu den Themen Streumunition und Menschenhandel.

Ruf nach parlamentarischer Beteiligung wird lauter
Der Ruf nach parlamentarischer Beteiligung werde, wie Prammer konstatierte, zunehmend lauter. Dass diese Art der Kooperation an Beliebtheit gewinne, lasse sich unter anderem auch am Trend zur Einrichtung neuer interparlamentarischer Gremien ablesen. Das sei – zumindest zu einem Teil – auf die wachsende Bedeutung parlamentarischer Diplomatie zurückzuführen, die zu einem bestimmenden Faktor im Rahmen bilateraler Beziehungen geworden ist.

Die Erfahrung, die Mitglieder internationaler Gremien wie der Parlamentarischen Versammlung des Europarats sammelten, sei auch von unschätzbarem Wert für die Diskussion spezifischer Themen auf nationaler Ebene. Im Rahmen interparlamentarischer Zusammenarbeit wäre Österreich aber auch, wie Prammer anhand einiger Beispiele illustrierte, den jungen Parlamenten seiner östlichen Nachbarstaaten mit Unterstützung zur Seite gestanden.

Des Weiteren kam die Nationalratspräsidentin auf die Rolle von ParlamentarierInnen als WahlbeobachterInnen in anderen Staaten und die Veränderung politischer Entscheidungsfindung vor dem Hintergrund des europäischen Integrationsprozesses zu sprechen.

Die Pflege internationaler Beziehungen als Zeitfrage
Abschließend kam Nationalratspräsidentin Prammer auf die Schwierigkeit, nationale und internationale Agenden im Rahmen seiner politischen Tätigkeit zu verbinden, zu sprechen. Sie glaube trotz dieser gewichtigen Zeitfrage daran, dass ParlamentarierInnen als "ÜbersetzerInnen" außenpolitischer Fragen fungieren können und müssen. Im 21. Jahrhundert, das zahlreiche globale Herausforderungen mit sich bringe, sei ein internationaler Zugang zum Parlamentarismus schließlich ebenso unentbehrlich wie die Demokratie selbst.

Die Parlamentarierdelegation, der neben Prammer auch der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf sowie die Abgeordneten Christine Muttonen (S), Ruperta Lichtenecker (G) und Sigisbert Dolinschek (B) angehören, absolviert im Rahmen ihres Indienprogramms ein umfangreiches Arbeitsprogramm: Noch heute Nachmittag trifft sie mit Vertretern der indischen Zivilgesellschaft und Staatspräsidentin Pratibha Devisingh Patil zusammen.
     
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