Vizepräsidentin der Europäischen Kommission zu Gast im Hohen Haus   

erstellt am
21. 02. 11

Viviane Reding im Gespräch mit ParlamentarierInnen – Prammer: Situation der Roma und Sinti gilt es zu verbessern
Wien (pk) – Anlässlich ihres Wien-Besuchs traf Viviane Reding, EU-Justizkommissarin und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, am Nachmittag des 18.02. mit Mitgliedern beider Kammern des österreichischen Parlaments zu einer Aussprache zusammen. Dabei kamen die MandatarInnen unter anderem auf die Themen Datenschutz, Grundrechte und Migrationsbewegungen aufgrund der aktuellen politischen Situation in einigen nordafrikanischen Staaten zu sprechen.

Reding: Vertrag von Lissabon rückt den Bürger ins Zentrum
Die EU-Kommissarin und EK-Vizepräsidentin, die Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer in den Räumlichkeiten des Hohen Hauses willkommen hieß, zeigte sich erfreut über die Gelegenheit, das österreichische Parlament besuchen zu dürfen. Solche Zusammentreffen riefen ihr, wie Reding ausführte, stets auch ihre eigene, langjährige Tätigkeit als Mandatarin in Erinnerung. Die Mitwirkung nationaler Parlamente am europäischen Entscheidungsprozess sei von ungeheurer Wichtigkeit, weshalb es mehr als erfreulich sei, dass der Vertrag von Lissabon ihre diesbezügliche Position stärke. Gleichzeitig rücke dieses Vertragswerk aber auch den Bürger ins Zentrum – eine Grundhaltung, die sie, so Reding, nur begrüßen könne.

In ihrer Amtszeit wolle sie vor allem an der Schaffung eines "Justizkontinents" arbeiten – ein Projekt, das vor vielfältige Herausforderungen stelle, informierte die Kommissarin. Dabei gelte es nicht nur, Gesetze zu machen, sondern auch sicherzustellen, dass das in der Justiz tätige Personal die Möglichkeit erhalte, in sie "hineinzuwachsen".

Ihr gehe es, was die Rechtslage der einzelnen Mitgliedsstaaten anbelange, außerdem nicht um die Herstellung eines "Einheitsbreis", informierte Reding S-Mandatar Johannes Jarolim (S): Den unterschiedlichen, historisch gewachsenen Rechtstraditionen gelte es schließlich Rechnung zu tragen. Die Europäische Kommission könne – etwa auch im Bereich des von Abgeordnetem Heribert Donnerbauer (V) angesprochenen Familienrechts – keine Harmonisierungsmaßnahmen vorschlagen: Es liege aber in ihrem Kompetenzbereich, grenzüberschreitende Problemfelder zu reglementieren, wie die Kommissarin am Beispiel internationaler Ehen illustrierte.

Vorratsdatenspeicherung ist geltendes EU-Recht
Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission kam auf Wunsch der Abgeordneten Albert Steinhauser (G), Karin Hakl (V) und Michael Ikrath (V) auch auf ihre Position zu Fragen des Datenschutzes und der Datenspeicherung zu sprechen.

Die Datenschutzrichtlinie aus dem Jahre 1995 halte sie, was die Werte, die in ihr zum Ausdruck kämen, für sehr gut, doch gelte es sie an die neuen Gegebenheiten anzupassen: Als man sie beschloss, sei die "Internetwelt", in der wir heute leben, schließlich noch in weiter Ferne gewesen. Was den Umgang mit Kinderpornographie angehe, schließe sie sich dem Beschluss des Europäischen Parlaments, wonach das Sperren von derartigen Websites nur dann angestrebt werden sollte, wenn eine Löschung nicht möglich ist, vollinhaltlich an.

Stellung nahm Reding aber auch zur Richtlinie betreffend Vorratsdatenspeicherung: Diese stelle seit 2007 in allen Mitgliedsstaaten anzuwendendes EU-Recht dar. Das hindere die Europäische Kommission aber nicht daran, sich Gedanken über etwaige Abänderungen zu machen. Derzeit sei die Vorratsdatenspeicherung aber anzuwenden, den einzelnen Mitgliedsstaaten eröffne die diesbezügliche Richtlinie eine ausreichend große Bandbreite an Möglichkeiten, die Speicherung so vorzunehmen, dass sie niemandem schade.

Politische Situation in Nordafrika: Vor Ort tätig werden
Die von Abgeordnetem Werner Herbert (F) aufgeworfene Frage nach dem Umgang der Europäischen Union mit den – durch die aktuelle politische Situation in der arabischen Welt in Gang gebrachten – Flüchtlingsströmen beantwortete Reding unter Verweis auf den Verantwortungsbereich der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX). Außerdem sei es wichtig, vor Ort tätig zu werden: So verständlich der Wunsch nach Flucht in einer solchen Situation ist, nicht alle Menschen, die es wünschten, könnten in Europa eine neue Heimat finden.

EuGH und EGMR haben "Modus vivendi" gefunden
Erfreut zeigte sich Reding darüber, dass zwischen dem Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein "Modus vivendi" gefunden werden konnte. Da beide über die Anwendung der Grundrechte-Charta entschieden, sei eine stärkere Zusammenarbeit in jedem Fall wünschenswert, informierte die Kommissarin Zweiten Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer.

Prammer: Situation der Roma und Sinti gilt es zu verbessern
Im Anschluss an eine Aussprache mit ParlamentarierInnen beider Kammern wurde Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und EU-Justizkommissarin, von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer empfangen. Im Zuge ihres Gesprächs tauschten sich die Politikerinnen unter anderem über den Nutzen von Frauenquoten und die Lebenssituation der Roma und Sinti in Europa aus.

Für Nationalratspräsidentin Prammer, die auf die kritische Position Redings in Hinblick auf die Implementierung von Frauenquoten Bezug nahm, stand fest, dass man das Thema Gleichberechtigung nicht aus den Augen verlieren dürfe. Wolle man nicht, dass einem andere Staaten – wie etwa Indien – in dieser Hinsicht "davon galoppierten", müsse man die Bemühungen um Gleichberechtigung vorantreiben.

Reding hielt fest, sie sei zwar nicht von der Einführung einer solchen Quote begeistert, doch werde sie vielleicht erforderlich. Sie wolle mit den Vorständen großer, börsennotierter Unternehmen sprechen und Veränderungsprozesse anregen. Sollten innerhalb eines Jahres auf diesem Wege keine nennenswerten Erfolge erzielt werden, halte sie es aber für erforderlich, Maßnahmen auf rechtlicher Ebene ins Auge zu fassen.

Des Weiteren ging Reding auf die immer noch unbefriedigende Lebenssituation der Roma und Sinti in Europa ein. Da es sich nach wie vor um ein eher unpopuläres Thema handle, griffen es die Nationalstaaten auch nicht gerne auf, konstatierte sie. Sie halte daher die Erarbeitung eines europäischen "Plans für nationale Romastrategien" für notwendig, dessen Vorlage sie im Juni plane. Die angesichts der problematischen Situation in Frankreich tätig gewordene "Roma Task Force" habe schließlich gezeigt, dass es sich um ein massives Armuts- und Bildungsproblem handle, das es dringend zu beseitigen gelte.

Nationalratspräsidentin Prammer informierte ihren Gast über die Situation der Roma und Sinti in Österreich und verwies in diesem Zusammenhang auf die sehr gute Arbeit, die die Zivilgesellschaft in diesem Bereich leiste. Sie wolle sich aber auch zukünftig darum bemühen, diesen Menschen mehr Gehör zu verschaffen, meinte Prammer.
     
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