Sitzenbleiben wird abgeschafft  

erstellt am
18. 02. 11

Schmied sieht Konsens mit ÖVP
Wien (oe1.orf.at) - Das Sitzenbleiben in der Schule soll beginnend ab dem kommenden Schuljahr abgeschafft werden. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) sieht dabei, , wie sie am 18.02. im Ö1-"Morgenjournal" sagte, nach eigenen Worten die ÖVP mit Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) "an Bord".

Stufenplan für 800 Schulen
Schon ab nächstem Jahr soll das Sitzenbleiben in der Schule der Vergangenheit angehören, kündigt Unterrichtsministerin Schmied in der ZIB 24 an: "Ab 2012 in einem Stufenplan. Es sind ja 800 Schulen betroffen. Aber das nehmen wir uns vor." Wer ein "nicht genügend" im Zeugnis hat, soll künftig nicht mehr das gesamte Schuljahr wiederholen, sondern nur das eine Fach. Das neue Modell soll sowohl für die AHS-Oberstufe gelten als auch für die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen. Der Koalitionspartner ÖVP habe bereits seine Zustimmung gegeben, sagt Schmied. Es habe bereits Gespräche mit Beatrix Karl gegeben. Das Projekt stehe "erfreulicherweise" auch im ÖVP-Konzept

Von Experten empfohlen
Die Regierungsparteien folgen damit den Empfehlungen mehrerer Bildungsexperten, diese haben nach dem Pisa-Debakel das sitzenbleiben als wirkungslos, unpädagogisch und teuer kritisiert.

 

Karl: Sitzenbleiben als letztes Mittel
Beatrix Karl für Kurssystem und Fördermaßnahmen – Konstruktive Gespräche nach Vorlage eines konkreten Vorschlags
Wien (bmwf) - "2011 ist das Jahr der Bildung und die ÖVP hat gleich zu Jahresbeginn ein Bildungskonzept vorgelegt", so Wissenschafts- und Forschungsministerin Dr. Beatrix Karl. In zentralen Bereichen des ÖVP-Konzepts - etwa der Mittleren Reife, Bildungsvereinbarung, Bildungsempfehlung, bedarfsgerechter Ausbau der Ganztagesbetreuung und flächendeckender Ausbau der Neuen Mittelschule - haben sich die beiden Koalitionspartner ÖVP und SPÖ in den Eckpunkten bereits geeinigt. Ebenso im ÖVP-Bildungskonzept enthalten ist das Ziel, die Oberstufen von AHS und BHS künftig zu einem universitätsähnlichen Kurssystem umzubauen, wodurch das "Sitzenbleiben" weitgehend vermieden werden könnte. Geht es nach dem ÖVP Vorschlag, sollen von Schülerinnen und Schülern künftig nicht mehr ganze Schuljahre wiederholt werden, sondern nur die Fächer, in denen sich Lernschwächen zeigen. Das wiederholen ganzer Schuljahre soll nur mehr als letztes Mittel erhalten bleiben. "Wir sind zu Gesprächen bereit. Die wesentlichen Rahmenbedingungen für eine Umsetzung wie etwa ein entsprechendes Fördersystem fehlen noch", so Karl.

Weitere zentrale Ziele im Bildungsbereich sind der Ausbau der Sprachförderung sowie die Neugestaltung der Ausbildung von Lehrer/innen und Pädagog/innen. "Wir arbeiten engagiert an der PädagogInnenbildung NEU. Die fundierte Ausbildung der Pädagogen ist Dreh- und Angelpunkt einer jeden Bildungsreform", so Ministerin Karl. Ebenso gelte es das Lehrerdienstrecht zügig anzugehen, da müsse Claudia Schmied mit den Verhandlungen beginnen.

"Durch gezielte Förderung von schwächeren Schülerinnen und Schülern soll Sitzenbleiben zum Ausnahmefall werden und nur noch das letzte Mittel sein, wenn entsprechende Fördermaßnahmen nicht greifen", so Wissenschaftsministerin Dr. Beatrix Karl und verweist dabei auch auf das im ÖVP-Bildungskonzept formulierte Ziel. Dafür seien aber ein Modulsystem und begleitende Fördermaßnahmen - wie im ÖVP-Konzept vorgesehen - eine absolute Grundvoraussetzung. "Wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden und Unterrichtsministerin Schmied einen konkreten Vorschlag vorlegt, sind wir grundsätzlich diskussionsbereit und dann werden politische Gespräche der Parteien ein Ergebnis bringen", so Karl.

 

Brandsteidl: Wien Vorreiter bei modularer Oberstufe
Brandsteidl unterstrich, dass Wien den Bund unterstützen werde, wenn es darum geht, das Modulsystem zum Standard in der Oberstufe zu machen.
Wien (pid) - "Die Ankündigung von Bildungsministerin Schmied, ab 2012 alle Oberstufen in Österreichs Schulen auf ein Kurssystem umzustellen und damit de facto das Sitzenbleiben abzuschaffen, ist absolut begrüßenswert. Der Bund folgt hiermit einer innovativen Entwicklung, die ihren Ausgang im Wiener Schulwesen hat. Denn Wien hat den Weg zu einem Kurssystem in einer modularen Oberstufe bereits 2004 beschritten und ist mit derzeit 8 AHSen, die ein solches Modell führen, österreichweit Vorreiter", stellte Wiens Amtsführende Stadtschulratspräsidentin, Susanne Brandsteidl zu den Aussagen von Unterrichtsministerin Schmied fest.

Brandsteidl: "Was im Schuljahr 2004/05 mit einem Pilotversuch begonnen hat, hat sich inzwischen an zahlreichen Standorten bewährt: Eine modular organisierte Oberstufe, die sich vom antiquierten Modell einer bevormundenden Schule gelöst hat und auf Eigenverantwortung setzt. Mit der Modularen Oberstufe gelingt es endlich, dass 18-jährige SchülerInnen anders als 10-jährige unterrichtet werden - und das ist gut und richtig so. Vor allem aber: Mit der Oberstufe gehört das Sitzenbleiben endgültig der Vergangenheit an."

Brandsteidl unterstrich, dass Wien den Bund unterstützen werde, wenn es darum geht, das Modulsystem zum Standard in der Oberstufe zu machen. Als besondere Stärken der modularen Oberstufe führte sie weiters an, dass diese den Erwerb von Schlüsselqualifikationen verbessere und vor allem auch gezielter auf die Universität vorbereite.

 

Rosenkranz: Linke Spaßpädagogik will sogar Sitzenbleiben abschaffen!
Ohne Leistungsorientierung bleibt Österreich "sitzen"
Wien (fpd) - Mit Ablehnung reagiert FPÖ-Bildungssprecher NAbg. Dr. Walter Rosenkranz auf die Vorschläge von BM Schmied, das "Sitzenbleiben" gänzlich abzuschaffen. Dass die Linke vom Leistungsprinzip nicht viel hält und Kindern den Hochschulabschluss am liebsten mit der Geburtsurkunde überreichen möchte, ist hinlänglich bekannt. Dass sich für diese sozialromantischen Utopien auch die ÖVP in Person von BM Karl hergibt, ist umso verwunderlicher. Offenbar ist die bildungspolitische Linie in der ÖVP doch nicht so klar, wie diese vorgibt.

Für die FPÖ steht Leistung, Anstrengung und Disziplin beim Lernen im Vordergrund, daher soll es zwar Chancen geben, negative Noten durch Prüfungen nach den Ferien auszubessern, eine Automatik ohne Leistung kommt jedoch nicht in Frage. Rosenkranz: "Die FPÖ ist für eine staatlich verordnete Verdummung der Kinder im österreichischen Bildungssystem jedenfalls nicht zu haben."

"Was ist das für eine allgemeine Bildung, wenn man in manchen Fächern einfach keine Leistung erbringt? Bloße Anwesenheit in den verschiedenen Modulen kann zu keiner Leistungsbeurteilung führen. Man erweist den Kindern im internationalen Vergleich keinen guten Dienst, wenn man alles nachsieht, pardoniert und schenkt", so Rosenkranz. Die FPÖ will jungen Menschen die Chance geben, unter Anleitung von verantwortungsvollen Eltern und ausgezeichneten Pädagogen zu den besten Köpfen ausgebildet zu werden. "Ohne Leistung der Schüler geht es aber einfach nicht!"

 

Haubner: Schmied kopiert BZÖ-Konzept
BZÖ kündigt Antrag an – Bildungsministerin soll Ideen endlich umsetzen!
Wien (bzö) - "Bildungsministerin Schmied hat mit ihrer Idee, statt Sitzen zu bleiben bis zur Matura eine Prüfung über den Lehrstoff des einen negativ beurteilten Gegenstands ablegen zu müssen, wieder einmal auf das BZÖ-Bildungskonzept zurückgegriffen", kommentiert BZÖ-Bildungssprecherin Abg. Ursula Haubner die Vorstoß von Schmied. Allerdings sollte Schmied nicht immer nur Änderungen ankündigen, sondern endlich auch etwas umsetzen. "Das BZÖ wird der Ministerin diesbezüglich Schützenhilfe geben und einen entsprechenden Antrag stellen. Dann kann Schmied zeigen, ob sie sich in ihrer Partei einmal durchsetzen kann", so Haubner.

"Die Leistungsbeurteilung in der Schule muss sich weiterentwickeln, flexibel und transparent sei. Dabei müssen neben erfolgreichem Lernen auch Selbstständigkeit und Eigenverantwortung im Zentrum stehen. In diesem Sinn ist es logisch, dass Schüler nur den Stoff eines Gegenstands nachlernen müssen, statt ein volles Jahr zu verlieren", so Haubner.

Allerdings sollte Schmied nicht ständig neue Ideen ankündigen, ohne diese weiter zu verfolgen, verlangt die BZÖ-Bildungssprecherin. "Es gibt schon zu viele Baustellen, wie die flächendeckende Umsetzung der neuen Mittelschule, standardisierte Abschlussprüfungen und ein neues Dienst- und Besoldungsrecht für Lehrer, das ganz oben auf der Prioritätenliste steht", erinnert Haubner.

 

 Walser: Kurssystem in der Oberstufe ist Schlüssel zu besseren Leistungen
Grüne: "Wiederholen" kostet 300 Mio. Euro pro Jahr und ist pädagogisch wertlos
Wien (grüne) - "Wenn ein Fach unzureichend abgeschlossen wurde, muss es reichen, den Stoff dieses Faches zu wiederholen. Alle anderen Gegenstände ein zweites Mal anzuhören und ein Jahr zu verlieren, ist überflüssig und kontraproduktiv", sagt Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen. "Die Grünen fordern seit langem die Einführung der Modularen Oberstufe und haben auch als einzige Partei bei den vergangenen Budgetverhandlungen auf diese Notwendigkeit hingewiesen", stellt Walser die Grüne Position klar.

In den Budgetverhandlungen wurde von Schmied nämlich noch die "Nichtumsetzung des Vorhabens Modulare Oberstufe" als Einsparungsmaßnahme gerechtfertigt. "Wir haben damals schon darauf hingewiesen, dass diese Einsparungen von 1,8 (2011) bis 6,5 Mio. (2014) eine kontraproduktive Budgetkosmetik sind. Das pädagogisch weitgehend sinnlose Sitzenbleiben hingegen bringt dem Staat Mehrkosten von über 300 Mio. Euro." In diesem Betrag sind die volkswirtschaftlichen Kosten durch späteren Berufseinstieg, entfallende Steuern und Abgaben etc. noch nicht eingerechnet. "Ich fordere die Ministerinnen Karl und Schmied auf, das peinliche und konzeptlose Hin und Her in der Bildungspolitik endlich aufzugeben und gemeinsam mit den Grünen konstruktiv an der Umsetzung der überfälligen Reform in der Oberstufe zu arbeiten", so Walser abschließend.

 

 Tumpel: Entlastung von Kindern und Eltern überfällig
Förderung statt teurer Klassenwiederholungen: Sitzenbleiben kostet Staat zumindest 350 Millionen Euro
Wien (ak) - "Diese Entlastung der Kinder und Eltern ist längst überfällig", sagt AK Präsident Herbert Tumpel zu den Plänen, das Sitzenbleiben ab dem nächsten Schuljahr in der Oberstufe abzuschaffen. So werden die SchülerInnen und ihre tatsächlichen Leistungen in den Mittelpunkt gerückt und ihr Schulerfolg hängt nicht nur an einem oder einigen wenigen Fächern ab. Die SchülerInnen müssen in allen positiv absolvierten Fächern aufsteigen können.

Außerdem muss es Begleitmaßnahmen für jene geben, die einen Gegenstand negativ absolviert haben, fordert die AK. "Zugleich wird damit ein teurer Luxus endlich Geschichte", so Tumpel. Denn nach Berechnungen der Arbeiterkammer kostet das Sitzenbleiben den österreichischen Staat zumindest 350 Millionen Euro. Neben dieser finanziellen Einsparung wird auch Potenzial für individuelle Förderungen frei. Überhaupt leistet sich Österreich mit dem Sitzenbleiben ein Auslaufmodell: In Europa lassen nur noch acht von 28 Ländern ihre Kinder sitzenbleiben. "So schließen wir auch zu jenen Ländern auf, die besser bei Pisa sind", so Tumpel.
 
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