Arbeitsmarktöffnung am 1. Mai 2011  

erstellt am
16. 02. 11

Wenn im Mai die Schranken fallen
IMAS-Umfrage: Die Furcht vor dem Ansturm aus dem Osten
Linz (imas) - Schon in wenigen Wochen - im Mai - werden sich die Tore Westeuropas für die Arbeitnehmer aus acht osteuropäischen Ländern öffnen. Dann wird es Esten, Letten, Litauern, Polen, Tschechen, Slowaken, Ungarn und Slowenen frei stehen, sich bei uns um eine passende Arbeit umzusehen.

Die Liberalisierung der Arbeitsmärkte stößt in den Gastgeberländern auf gemischte Gefühle: Die Unternehmen hoffen, durch den Zugang von Osteuropäern ihre personellen Engpässe und den Fachkräftemangel auf kostenschonende Weise beseitigen zu können. Die Arbeitnehmervertreter fürchten hingegen, dass kaum ausgebildete billige Arbeitskräfte aus den ehemals kommunistischen Staaten die Löhne drücken werden.

Wie reagiert die breite Bevölkerung in den Hochlohnländern Deutschland und Österreich auf die neue Situation? Aufschluss darüber geben inhaltlich identische Umfragen, die von den IMAS-Instituten in den beiden benachbarten EU-Staaten durchgeführt wurden.*)

Die demoskopische Neugier richtete sich zunächst auf die Frage nach der Kenntnis vom bevorstehenden Geschehen. Dabei stellte sich heraus, dass das Wissen um die kommende Liberalisierung der Arbeitsmärkte in der Bundesrepublik mit 49 Prozent etwas verbreiteter war als in Österreich, wo 43 Prozent der Erwachsenen darüber Bescheid wussten. Beide Bevölkerungen sind fest davon überzeugt, dass die Öffnung der Arbeitsmärkte zu einem Ansturm von Zuwanderern führen wird. Von den Deutschen erwarten 64 Prozent der Bürger, dass viele Osteuropäer Kurs auf ihr Land nehmen werden, von den Österreichern sogar 70 Prozent.

Den Folgen des Zustroms arbeitshungriger Osteuropäer für das eigene Land betrachten die Bewohner der beiden deutschsprachigen Staaten mit größtem Argwohn. In der Bundesrepublik prognostizieren insgesamt 67 Prozent der Erwachsenen, dass sich der freie Zugang von Osteuropäern zu ihrem Arbeitsmarkt für das Land nachteilig auswirken werde, in Österreich erstreckt sich die Skepsis auf 71 Prozent der Bevölkerung. In der Alpenrepublik ist mehr als jeder dritte Bewohner sogar von ganz schlechten Auswirkungen überzeugt. Innerhalb Deutschlands wird ein möglicher Nutzen der Zuwanderung osteuropäischer Arbeitskräfte vor allem von den Bewohnern der neuen Bundesländer bezweifelt.

Mit einer weiteren Frage wurde von den IMAS-Instituten geprüft, wie sich die Zuwanderung osteuropäischer Arbeitskräfte, abgesehen vom eigenen Land, auf die persönliche Lebenslage auswirken werde. Unter diesem Aspekt dominiert der Pessimismus vor allem in Deutschland: Von den Bundesbürgern befürchtet knapp jeder Zweite nachteilige Folgen des Zuzugs für sich selbst, in Österreich rechnen immerhin rund zwei Fünftel der Bewohner mit einer derartigen Konsequenz. (56 Prozent der Österreicher glauben, dass sie von der Entwicklung persönlich nicht betroffen sein werden.)

Das IMAS erkundigte sich dann anhand einer Liste, welchen Bewohnern östlicher oder afrikanischer Staaten die Deutschen und Österreicher ganz allgemein am ehesten das Recht einräumen, im eigenen Land zu arbeiten. In den Test wurden insgesamt 23 ausgewählte Länder einbezogen.

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Vision einer Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften weder in Deutschland, noch in Österreich erkennbare Freude auslöst. Da wie dort könnten die zur Auswahl gestellten Länder jeweils mit der Akzeptanz von allenfalls einem guten Viertel der Bewohner rechnen. Im direkten Vergleich ist die Bereitschaft der Deutschen, Arbeitskräfte aus Osteuropa, Asien oder Afrika bei sich willkommen zu heißen, allerdings spürbar größer als in Österreich.

Die Deutschen bevorzugen in relativ größter Zahl von jeweils 27 Prozent am ehesten Zuwanderer aus Ungarn und Polen. Nur mehr ein gutes Fünftel von ihnen votiert für Tschechen (23 Prozent) oder Türken (21 Prozent). Noch etwas schwächer ausgeprägt ist die Gunst der Bundesbürger für Kroaten, Litauer und Inder (mit jeweils 18 Prozent der Nennungen).


Im Mittelfeld der bundesdeutschen Sympathien stehen Letten, Slowenen, Esten, Serben, Russen, Ukrainer, Bulgaren und Bosnier. Am wenigsten Freude haben die Deutschen mit Rumänen, Mazedoniern, Nigerianern, Armeniern, Ghanesen, Irakern, Albanern und Afghanen.

Für fast alle in Deutschland getesteten Ausländer steht die Tür in den westlichen Bundesländern etwas weiter offen als im Osten der Bundesrepublik. Eine Ausnahme bilden lediglich Tschechen und Ungarn, die in Ostdeutschland mehr Anklang finden als im Westen Deutschlands.

Die Österreicher haben traditionsgemäß am ehesten Zuneigung für die Ungarn (zu 18 Prozent) und ansonsten allenfalls noch für Slowenen (17 Prozent), Kroaten (15 Prozent), Tschechen (12 Prozent), Slowaken (11 Prozent) und Polen (9 Prozent). Alle übrigen Länder werden aufgrund des niedrigen Antwortpegels in Österreich als eine äußerst geringe Bereicherung des Arbeitsmarktes empfunden. Ganz besonders wenig begehrt sind in der Alpenrepublik Iraker, Albaner, Nigerianer, Ghanesen und Afghanen.

Alles in allem lassen die Umfragebefunde vermuten, dass die baldige Öffnung der Arbeitsmärkte für Osteuropäer im Westen nicht zu unterschätzende soziale Spannungen aufbauen wird. Verständlicherweise steht dabei die Frage im Mittelpunkt, wie sich der Zustrom von Arbeitssuchenden auf die Lebenslage der einheimischen Arbeitnehmer auswirken wird. Wenig diskutiert wird einstweilen darüber, was der Abgang von Arbeitskräften für die Herkunftsländer selbst bedeutet. Ungeklärt ist vor allem die Frage, welche Konsequenzen der Verlust von Fachpersonal für osteuropäische Volkswirtschaften haben wird, die sich noch im Aufbau befinden und nur mühsam den Anschluss an das westliche Wohlstandsniveau finden.

Dazu kommt, dass die osteuropäischen Staaten unter einer ganz ähnlichen Geburtenarmut leiden wie der Westen und dass sie es mittelfristig entsprechend schwer haben werden, die Abwanderung junger und mobiler Schichten zu verkraften. In keinem Land Osteuropas ist der Kindersegen groß genug, um die demografische Struktur zu stabilisieren.

Unter diesen Umständen empfiehlt sich hierzulande das Nachdenken darüber, wo in spätestens fünfzehn Jahren die Pflegekräfte zu finden sein werden, die in den vergreisenden Gesellschaften da wie dort vonnöten sind. Welchen Nutzen werden dann die weit aufgerissenen Tore zu den Arbeitsmärkten noch bringen?

Ein Ende der Drängelei aus dem Osten ist nicht nur wahrscheinlich. Es ist demografisch sogar berechenbar.

*) Die Erhebungen wurden von den IMAS-Instituten in München und Linz durchgeführt. Sie richteten sich in Form von persönlichen (face-to-face) Interviews an jeweils repräsentative Querschnitte der deutschen und österreichischen Bevölkerung ab dem 16. Lebensjahr. In der Bundesrepublik wurden 2.003, in Österreich 1.008 Personen befragt. Die Stichprobenbildung erfolgte jeweils nach Quota. Zeitraum der Befragung: BRD 24. 11. - 15. 12. 10; Österreich 10. 12. 10 - 7. 1. 11.

 

 Achitz: Nicht fürchten, aber gut vorbereiten
ÖGB gegen Panikmache, für Information und Vernetzung beteiligter Behörden
Wien (ögb) - "Die am 1. Mai bevorstehende Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes muss man nicht fürchten, sie muss sie aber jetzt rasch und gut vorbereitet werden", sagt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär im ÖGB, anlässlich der von IMAS publizierten Zahlen zu den Ängsten über negative Auswirkungen der Arbeitsmarktöffnung. "Wir haben uns in Österreich gut vorbereitet, die letzten wichtigen Schritte müssen nun rasch folgen."

Bereits während der Übergangsfristen, die Österreich und Deutschland bis zum letztmöglichen Zeitpunkt ausgeschöpft hätten, sei es darum gegangen, den 1. Mai 2011 optimal vorzubereiten. "Die Fristen waren keine Abschottung des Arbeitsmarktes, wie das oft behauptet wurde, sondern nötig, um den heimischen Arbeitsmarkt, insbesondere die Grenzregionen vorzubereiten", sagt Achitz. "Es hat schon bisher Zuwanderung aus neuen EU-Ländern gegeben, über die Fachkräfteverordnung oder mit Einzelbewilligungen. Das Ausschöpfen der Übergangsfristen hat eine gewisse Filterfunktion für den Arbeitsmarkt erfüllt."

Um negative Folgen der Arbeitsmarktöffnung für den heimischen Arbeitsmarkt und für alle betroffenen ArbeitnehmerInnen zu verhindern, hat der ÖGB außerdem mit den anderen Sozialpartnern ein Paket geschnürt, das die Bezahlung von zu niedrigen - also unter den kollektivvertraglichen Mindestlöhnen liegende - Löhnen zur Straftat macht. "Jetzt ist Tempo angesagt, damit das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping rechtzeitig in Kraft treten kann", sagt Achitz. "Je früher, desto besser, weil auch die Behörden, die für die Kontrolle vorgesehen sind, sich auf die neuen Aufgaben vorbereiten und miteinander vernetzen müssen. Sie brauchen außerdem die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen, sonst ist das Gesetz nur eine leere Drohung." Das Gesetz, das zu niedrige Löhne unter Strafe stellen werde, gelte im Übrigen für alle in Österreich arbeitenden Menschen, hier heimische wie auch zuwandernde.

Der ÖGB fordert

  • Sicherstellung von personellen und finanziellen Ressourcen der Behörden zur Kontrolle des Gesetzes gegen Lohn- und Sozialdumping
  • Fristen für Bulgarien und Rumänien bis Ende 2013 nutzen
  • Saisonnier-Kontingente ab 2011 senken
  • verstärktes Arbeitsmarktmonitoring: Dynamik, Beschäftigungsformen, Veränderungen beim Arbeitskräfteangebot, Entwicklung der Arbeits- und Einkommensbedingungen
  • offensive Antidiskriminierungspolitik: Information über arbeits- und sozialrechtliche Regeln, Arbeitsbedingungen, Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen
  • Kooperationen der Behörden in Österreich und der Behörden zwischenstaatlich starten/stärken.

 

Kickl: Berechtigte Skepsis der Österreicher vor Arbeitsmarkt-Öffnung
Vor Angleichung der Löhne und Lebenskosten darf keine Liberalisierung erfolgen
Wien (fpd) - "Die Bevölkerung teilt ganz eindeutig die freiheitlichen Befürchtungen und unsere Skepis gegenüber der Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für die neuen EU-Staaten am 1. Mai", stellt FPÖ-Sozialsprecher NAbg. Herbert Kickl in Reaktion auf eine entsprechende IMAS-Umfrage fest. Demnach erwarten 71 Prozent der Befragten negative Auswirkungen, und 70 Prozent rechnen damit, dass viele ausländische Arbeitskräfte nach Österreich drängen werden. "Das deckt sich mit unseren Erwartungen, ist es doch gerade für Menschen in Grenznähe aus Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Slowenien höchst verlockend, in Österreich eine gut bezahlte Arbeit anzunehmen und in ihrem Heimatland zu viel geringeren Kosten zu leben", erklärt Kickl.

Es sei daher allerhöchste Zeit, dass sich die Bundesregierung innerhalb der EU endlich für eine unbefristete Verlängerung der Schutzfrist für den heimischen Arbeitsmarkt stark mache. "Die Ausgangslage hat sich extrem verändert, die Wirtschaftskrise ist längst nicht überwunden. Wir brauchen daher jeden verfügbaren Arbeitsplatz für die eigene Bevölkerung", so Kickl. Als Grundlage für eine eventuelle Liberalisierung dürfe kein Datum dienen, sondern einzig und allein der Umstand, ob die Löhne und Lebenserhaltungkosten der neuen EU-Staaten das Niveau Österreichs erreicht haben.

Als wenig verwunderlich bezeichnet Kickl auch das Umfrageergebnis, wonach ein Großteil der Österreicher über die Arbeitsmarktöffnung schlecht oder gar nicht informiert ist. "Das ist typisch für die Kommunikation der Bundesregierung. Negative Tatsachen werden bewusst verschwiegen. Rot und Schwarz gehen sogar so weit, mit der Rot-Weiß-Rot-Card für noch mehr Zuwanderung zu sorgen und auch Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten herzlich zu uns einzuladen", erklärt Kickl.

 

Csörgits: Österreich ist gut auf Arbeitsmarktöffnung vorbereitet
Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping werden pünktlich in Kraft treten - FPÖ soll verantwortungslose Verunsicherung von Arbeitnehmern beenden
Wien (sk) - Österreich ist gut auf die Arbeitsmarktöffnung für Arbeitnehmer aus osteuropäischen Staaten vorbereitet. Die Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping werden pünktlich mit 1. Mai in Kraft treten, das Unterlaufen kollektivvertraglich festgesetzter Löhne verhindern und die Einhaltung sonstiger Arbeitsbedingungen sichern. Das stellte SPÖ-Sozialsprecherin Renate Csörgits zu den heutigen Aussagen von FPÖ-Kickl klar. "Die österreichische Bundesregierung hat rechtzeitig auf die Öffnung des Arbeitsmarktes reagiert und zweckmäßige Maßnahmen gesetzt. Die FPÖ ist daher aufgefordert, die verantwortungslose und vor allem grundlose Verunsicherung der Österreicherinnen und Österreicher umgehend zu beenden", so die SPÖ-Sozialsprecherin im Gespräch mit dem SPÖ-Pressedienst.

Gemeinsam mit Deutschland ist Österreich eines der letzten beiden EU-Länder, in denen die Hürden für Arbeitnehmer aus den 2004 der EU beigetretenen Staaten Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen mit 1. Mai 2011 fallen werden. "Für die österreichische Bundesregierung stand daher bereits am Beginn der Legislaturperiode fest, dass es Maßnahmen braucht, um eine Zunahme von Lohn- und Sozialdumping zu verhindern. Während andere Parteien den Teufel an die Wand gemalt haben, hat die österreichische Bundesregierung, wie auch im Regierungsübereinkommen festgeschrieben, Maßnahmen im Sinne der österreichischen Arbeitnehmer erarbeitet", so Csörgits.

"Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf zur Kontrolle des Mindestentgelts und Sanktionierung der Unterentlohnung durch den Arbeitgeber mit einer Verwaltungsstrafe sowie Entgeltnachzahlungen ist das österreichische Lohnniveau geschützt. Für regulär arbeitende Unternehmen bestehen faire Konkurrenzbedingungen", betonte Csörgits, die hinzufügt, dass auch EU-Kommissar Laszlo Andor bereits bestätigt habe, dass der österreichische Arbeitsmarkt gut auf die Öffnung vorbereitet ist.

 

Widmann: Angst der Österreicher nachvollziehbar
"Keine unbeschränkte Zuwanderung über die "Rot-Weiß-Rot-Card" der Regierung in den österreichischen Arbeitsmarkt"
Wien (bzö) - "Dass die Österreicher Angst und Unwissenheit vor einer Arbeitsmarktöffnung für Personen aus Osteuropa haben, ist nachzuvollziehen und durchaus berechtigt", meinte der oberösterreichische BZÖ-Abgeordnete Rainer Widmann, der in diesem Zusammenhang auch auf den "Working poor"-Effekt verwies. "Es kann nicht sein, dass man einer Arbeit nachgeht und schlussendlich nicht davon leben kann. Die Öffnung des Arbeitsmarktes wird eine Verschärfung dieser Situation bringen, daher muss die Regierung in diesem Bereich rasch gegensteuern", forderte Widmann.

Durch die Öffnung des Arbeitsmarktes würden alleine durch viele neue Tagespendler viele oberösterreichische Regionen betroffen sein, warnte Widmann und abschließend: "Es muss auch verhindert werden, dass es über die "Rot-Weiß-Rot-Card" von SPÖ und ÖVP "zu einer unbeschränkten Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt kommt".
     

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