Spindelegger traf Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei   

erstellt am
24. 02. 11

Gespräch unter Überwachungskameras im Atelier - "Dass das unangenehm ist, glaub ich schon"
Peking (bmeia/apa) - Außenminister Michael Spindelegger ist am 24.02. in Peking mit dem prominenten Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei (53) zusammengetroffen. "Er hat sich bei mir bedankt, dass wir uns für die Menschenrechte einsetzen", sagte Spindelegger der APA in Peking. Ai habe ihm in dem 45-minütigen Gespräch in einer Künstlerkolonie bei Peking auch von den Repressionen erzählt, denen er ausgesetzt sei. So habe er ein in Shanghai gebautes Atelier auf eigene Kosten abreißen müssen.

Der Künstler, der sich unter anderem für die Opfer des Erdbebens in Sichuan im Jahr 2008 einsetzt, steht unter strenger Beobachtung der kommunistischen Führung. Auch in dem Atelier, in dem sein Gespräch mit Spindelegger stattfand, sind Überwachungskameras angebracht. Erst kürzlich musste er eine Ausstellung absagen, weil die Führung allzu "politische" Werke zensurieren wollte. Spindelegger berichtete, dass ihm Ai Weiwei ein aus 5.000 Namen von Opfern des Erdbebens von Sichuan bestehendes Kunstwerk gezeigt habe.

Spindelegger besucht derzeit gemeinsam mit Vizekanzler Josef Pröll (V) China. In drei Besuchstagen standen Gespräche mit vier hochrangigen Regierungsvertretern auf dem Programm, darunter Premier Wen Jiabao und Außenminister Yang Jiechi. Das Treffen mit dem Regimekritiker stand nicht auf dem Besuchsprogramm und wurde den Journalisten zunächst nicht kommuniziert. Es wurde dann aber von Ai Weiwei selbst "ausgetwittert" - er veröffentlichte eine Kurzmitteilung über das Treffen im Internet.

Auf die Frage, ob er wegen seines Besuchs bei dem prominenten Regimekritiker eine Verschlechterung der bilateralen Beziehungen befürchte, meinte Spindelegger: "Dass das unangenehm ist, glaub ich schon." Aber es werde die chinesische Regierung auch "nicht überraschen", zumal er auch in seinem Gespräch mit Außenminister Yang am Dienstag die Menschenrechtsfrage offen angesprochen habe. Dabei habe er auch "konkrete Fälle" von Regimekritikern thematisiert, hatte Spindelegger bereits am gestrigen Mittwoch vor österreichischen Journalisten gesagt.

China-Experten werteten das Treffen Spindeleggers mit Ai Weiwei als "mutige Entscheidung", vor allem vor dem Hintergrund der Sensibilität der chinesischen Führung angesichts der aufkeimenden "Jasmin-Revolution". Am Wochenende sollen neuerliche Protestaktionen stattfinden.

Spindelegger erörterte mit Ai Weiwei auch die Frage, ob die derzeitige Protestwelle im Arabischen Raum auf das autoritär regierte China überschwappen könne. Hier ist der Aktionskünstler, der unter anderem das Olympia-Stadion "Vogelnest" mitentworfen hatte, mit dem von ihm kritisierten Regime offenbar einer Meinung. Er habe gemeint, dass "Vergleiche mit dem Nahen Osten unangebracht" seien, weil angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs in China "die allgemeine Situation anders ist", berichtete Spindelegger. Eine Demokratisierung Chinas sei somit "eine Frage des längerfristigen Zeitraums".

Spindelegger wünscht sich auch ein weiteres Treffen mit dem Aktionskünstler, und zwar in Österreich. Ai Weiwei, der sich unter anderem mit einem Flusskrebs-Essen über das KP-Konzept einer harmonischen Gesellschaft lustig gemacht hatte (die entsprechenden chinesischen Bezeichnungen klingen ähnlich), kommt nämlich im Sommer für eine Ausstellung nach Bregenz. Der Außenminister würde ihn daher gerne am Rande seines eigenen Besuchs bei den Bregenzer Festspielen treffen.
     
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