100 Jahre Kampf um Gleichberechtigung   

erstellt am
07. 03. 11

NR-Präsidentin Prammer lud anlässlich des Frauentags ins Parlament
Wien (pk) - Das 100. Jubiläum der Ausrufung des Internationalen Frauentags gibt Anlass, das Thema Gleichberechtigung einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Eine Gelegenheit dazu bot sich am Nachmittag des 04.03. im Parlament: Nationalratspräsidentin Barbara Prammer lud in Kooperation mit den Plattformen "Frau in der Wirtschaft" (WKÖ), "Frauennetzwerk Medien" und "Österreichischer Frauenring" zu einem vielfältigen Programm, das wesentliche frauenpolitische Themen aufgriff, ins Hohe Haus.

Prammer: Der Frauentag ist keineswegs überholt
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer erinnerte daran, dass vor ziemlich genau 100 Jahren im Sitzungssaal des Reichsrats 516 Männer Platz genommen haben. Dass heute anlässlich der Feierlichkeiten zum Internationalen Frauentag fast ausschließlich Frauen in ebendiesem Raum zugegen seien, wertete sie als positives Signal. Zwar habe man in den letzten 100 Jahren sehr viel bewegt, doch gelte es auch weiterhin für Chancengleichheit einzutreten, hielt Prammer fest, die in diesem Zusammenhang an den langen Kampf der ÖsterreicherInnen um das Wahlrecht erinnerte.

Diesen Tag zu begehen wäre auch nicht überholt, stellte die Nationalratspräsidentin fest: Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, vor denen man frauenpolitisch immer noch stehe, biete er im Gegenteil Gelegenheit zu Austausch und Vernetzung. Es sei deshalb erfreulich, dass man die heutige Veranstaltung in Kooperation mit Frauennetzwerken und -organisationen ausrichten könne. Sie leisteten ihren Beitrag dazu, dass man das wichtige Ziel dieses Frauentages, "das bunte Leben und Sein" von Frauen in Österreich widerzuspiegeln, auch erreiche.

Heinisch-Hosek: Gesetzlicher Mindestlohn von 1.300 € für alle
Frauenministern Gabriele Heinisch-Hosek meinte im Rückblick auf zahlreiche Errungenschaften vor allem der letzten 30 bis 40 Jahre, heute scheine auf dem Papier, in den Gesetzen und vielleicht sogar in den Köpfen die Gleichberechtigung von Mann und Frau fest verankert zu sein, trotzdem wäre bei weitem noch nicht alles erreicht. So gebe es nach wie vor keinerlei Gleichstellung im Arbeitsleben und bei der Familienarbeit, Frauen würden überdies überproportional in schlecht bezahlten Bereichen arbeiten.

Frauenpolitisch bewege sich einiges, stellte die Ministerin fest, nun gelte es, dem Engagement auch zum Durchbruch zu verhelfen. Als Erfolg verbuchte Heinisch-Hosek die gesetzliche Verankerung der Einkommenstransparenz und betonte, BetriebsrätInnen würden nun ein wirksames Instrument in die Hand bekommen, um gegen ungerechtfertigte unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen vorzugehen.

Zwei Projekte harrten hingegen noch einer Erledigung, der Ball sei, wie es die Ministerin ausdrückte, sozusagen noch "in der Luft". Was das Thema Frauen in Führungspositionen anbelangt, sprach sich Heinisch-Hosek für eine Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten staatsnaher Unternehmen aus und setzte im Übrigen zunächst auf eine freiwillige Selbstverpflichtung. Handlungsbedarf sah die Ministerin ferner bei der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wobei sie vor allem auf mehr Kinderbetreuungseinrichtungen in den Bundesländern drängte. Niemandem solle ein Lebensentwurf vorgeschrieben werden, jeder und insbesondere jede solle aber die Möglichkeit haben, das Leben so zu gestalten, wie er bzw. sie es will – und dies unter menschenwürdigen Bedingungen und mit einem Einkommen, von dem man auch leben kann, fasste die Frauenministerin die Leitlinien ihrer Politik zusammen und schloss mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 1.300 €.

Hammerl: Was wollen die Frauen?
Die Journalistin und Autorin Elfriede Hammerl leitete ihre Festansprache zum 100. Frauentag mit der so oft mystifizierten Frage ein, was Frauen eigentlich wollen. "Männer wollen die Macht über die Welt, Frauen aber die Macht über die Männer", zitierte Hammerl und problematisierte in diesem Zusammenhang sogleich alle historischen Frauenbilder, etwa das der erotischen Verführerin, wie sie im Film auf unterschiedliche Weise von Greta Garbo, Marlene Dietrich und Madonna verkörpert werden, oder der Mütter, die ihre Söhne beherrschten – falsche Selbstbilder, die viele Frauen in Abhängigkeit führen, wie Hammerl darstellte.

Was Frauen wirklich wollen, sei jenseits aller Mythen ein erfülltes Leben ohne geschlechtsspezifische Rollenzuweisungen, gerechte Bezahlung und natürlich auch Lust und Leidenschaft, aber ohne den Preis der Unterordnung. Frauen pochen auf ihre Rechte, sie wollen ihren materiellen Bedürfnisse erfüllen und selbst entscheiden, mit wem sie wie leben und welchen Sinn sie ihrem Leben geben. Frauen wissen, was sie wollen, daher wollen sie mitentscheiden in Kunst, Politik, Wirtschaft und Kultur.

Warum aber ist es so schwer durchzusetzen, was Frauen wollen, fragte Hammerl weiter. Die Rednerin analysierte viele hartnäckig weiterbestehende Rechtfertigungsmuster für die Aufrechterhaltung weiblicher Unterordnung. Männliche Gewalt in Beziehungen werde nach wie vor als etwas betrachtet, das von außen über sie hereinbreche und für das niemand etwas könne. Männer würden gewalttätig, weil sie angeblich weibliche Zurückweisung nicht verkraften könnten, weil sie im Banne weiblicher Anziehung stünden. An anderen Stellen werden Männer als Opfer einer schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter entschuldigt. Wo früher biologisch argumentiert wurde, um die Benachteiligung von Frauen zu rechtfertigen, spricht man heute von fehlenden Qualifikationen und leitet daraus Argumente gegen Quotenregelungen ab. Und immer wieder werden Frauen dafür verantwortlich gemacht, wenn Kinder nicht ordentlich lesen können und die Großeltern nicht gut genug versorgt werden, kritisierte Hammerl.

Ihr Appell an die Frauen lautete, mit Solidarität um ihre Rechte zu kämpfen, was bedeute, Diskriminierung nicht erst dann wahrzunehmen, wenn man selbst davon betroffen sei. Denn Frauen werden je nach sozialer Schicht unterschiedlich diskriminiert. Frauen der Oberschicht waren nie auf Kinder und Küche reduziert, erinnerte die Autorin, und die "Versorgungsehe" sei für proletarische Frauen, die an den Arbeitsplätzen oft stärker ausgebeutet werden als Männer, immer nur ein Gerücht gewesen.

Hammerl erinnerte daran, was durch Solidarität alles durchgesetzt werden konnte, und nannte als Beispiel die Familienrechtsreform der siebziger Jahre, die den Müttern erst das Recht gebracht habe, gleichberechtigt mit den Vätern ihrer Kinder Entscheidungen über deren Ausbildung zu treffen. An dieser Stelle warnte Hammerl angesichts der aktuellen Debatte über die "gemeinsame Obsorge" davor, das "Patriarchat durch die Hintertür" wieder einzuführen, indem man Vätern, die am Alltag ihrer Kinder nicht teilnehmen, ein Entscheidungsrecht in wichtigen Erziehungsfragen einräumt.

Nein, wir können uns noch lange nicht zurücklehnen, resümierte Elfriede Hammerl das Ergebnis nach 100 Jahren Kampf um die Frauenrechte. Frauenrechte sind Menschenrechte, sie sind unteilbar und durch nichts zu relativieren, hielt sie fest. Es gehe daher nicht an, den Klimaschutz über Frauenrechte zu stellen oder zu versuchen, die Unterdrückung von Frauen mit kulturellen Traditionen zu rechtfertigen. Verdächtig ist es laut Hammerl auch, wenn Frauen permanent an ihre Stärken, an ihre emotionalen Kräfte, ihre Geduld, ihre soziale Intelligenz oder etwa an ihre besondere Teamfähigkeit erinnert werden.

Denn eigentlich wollen die Frauen keine besonderen Menschen sein, schloss Hammerl und beantwortete damit die eingangs gestellte Frage. Frauen wollen einfach nur Menschen mit normalen Stärken und Schwächen sein – sie wollen aber nicht benachteiligt werden.

Open Space für frauenspezifische Fragestellungen
Im Anschluss an eine von der österreichischen Autorin und Rapperin Mieze Medusa gestaltete, gesellschaftskritische Slam Poetry-Einlage bestand für die VeranstaltungsteilnehmerInnen die Möglichkeit zur Beteiligung an einer der insgesamt fünf Großgruppendiskussionen, die in Ausschusslokalen, Empfangssalon und Abgeordneten-Sprechzimmer stattfanden. Diese befassten sich mit den Themenkomplexen "Frauen und Politik", "Frauen und Wirtschaft", "Frauen und Sport", "Frauen im öffentlichen Raum" sowie "Frauen und Musik".

Im Budgetsaal diskutierten die Frauensprecherinnen der fünf Parlamentsfraktionen Gisela Wurm (S), Dorothea Schittenhelm (V), Carmen Gartelgruber (F), Judith Schwentner (G) und Martina Schenk (B) mit ExpertInnen über aktuelle Herausforderungen für Frauen in der Politik. Dabei beschäftigte man sich unter anderem mit der Frage nach geeigneten Förderinstrumenten für Jungpolitikerinnen.

Im Abgeordneten-Sprechzimmer präsentierte sich das neue Vorstandsteam des Netzwerks "Frau in der Wirtschaft Wien" der Wirtschaftskammer Österreich. Kurze Inputs vom Podium gaben dabei Impulse für den persönlichen Austausch mit den VeranstaltungsteilnehmerInnen im Rahmen von Themeninseln.

Eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde, zu der u. a. die ehemalige Spitzensportlerin Mirna Jukic' und Paralympics-Goldmedaillengewinnerin Andrea Scherney zählten, diskutierte im Ausschusslokal VIII über "Frauen im Sport". Im Zentrum des Gesprächs, das von Seiten des Frauennetzwerks Medien organisiert und von Veronika Stampfl-Slupetzky (ORF) moderiert wurde, standen Geschlechterrollen im Leistungssport.

Im Empfangssalon des Hohen Hauses erwartete die BesucherInnen eine vom Österreichischen Frauenring präsentierte und mit "Traum(a) in Rosa – or: Punschkrapfen for Presidency" betitelte Performance des KünstlerInnen-Kollektivs Rosidant. Vorführung und anschließender Speakers Corner sollten das Publikum dazu animieren, auf eine immer absurder werdende Spurensuche zwischen großmütterlichen Ratschlägen, Zitaten aus Zeitschriften, feministischen Slogans und "Urfrautheorien" zu gehen.

Unter dem Titel "Frauen und Musik by femous" sprach Susanne Rogenhofer (aka Dj Sweet Susie) im Ausschusslokal III mit Mitgliedern des Brunnhilde Djn Kollektivs der Brunnenpassage und Frauen aus Kultur, Politik und Wirtschaft über ihre Lieblingsmusik. Die BesucherInnen konnten hier nicht nur die Kunst des Djing erleben, sondern auch selbst aktiv werden.

An der Veranstaltung nahmen neben Nationalratspräsidentin Prammer und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek auch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, Doris Bures, die Grüne Klubobfrau Eva Glawischnig-Piesczek, die ehemalige Bundesratspräsidentin Anna Elisabeth Haselbach und die Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger teil. Unter den Gästen befanden sich außerdem auch ehemalige Regierungsmitglieder, darunter Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales a.D., Eleonora Hostasch, und Bundesministerin für Jugend, Umwelt und Familie a.D., Marilies Flemming. Für die Moderation zeichnete Stefanie Vasold verantwortlich.
     
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