Leitl: Sieben Todsünden der Politik   

erstellt am
10. 03. 11

Wirtschaftspolitischer Aschermittwoch
Stillstand in der Politik gefährdet Wirtschaftsstandort
Graz (pwk) - "Noch nie waren so viele Menschen in Österreich beschäftigt. Das ist maßgeblich der österreichischen Wirtschaft zu verdanken, denn wir bilden aus und wir zahlen den Löwenanteil an Steuern und Abgaben", sagte Wirtschaftsbund-Präsident Dr. Christoph Leitl am 09.03. beim "Wirtschaftspolitischen Aschermittwoch" im Brauhaus Puntigam in Graz. Alleine 2010 habe die Wirtschaft 900 Millionen mehr an Einkommens- und Körperschaftssteuer in die Staatskassen gespült, als erwartet, betonte Leitl.

Am Aschermittwoch sei die Zeit des Nachdenkens, des Einbekennens von Sünden und des Gelobens der Besserung. Daher sei heute die Frage zu stellen, worin die Sünden der österreichischen Politik bestünden und wo Besserungsmöglichkeiten liegen, so Leitl, der daher eine Liste der sieben Todsünden präsentierte.

Die erste Todsünde
Die Welt ist im Wandel - Österreich steht still: Während aus anderen Ländern jede Woche eine neue Ansage zu vernehmen sei und China tatsächlich schon jetzt Monopolist in manchen Bereichen Monopolist sei. "In China baut man an den Autos von morgen, in Brasilien die Flugzeuge von morgen, in Indien die Software von morgen. Welche Weichenstellungen werden in Europa heute vorgenommen, um das Morgen zu gestalten und zusichern?", so der Präsident weiter. Speziell in Österreich würde vieles zwar diskutiert, letztlich bleibe alles aber beim Alten, wie etwa im Bereich der Pensionen, des Gesundheitswesens oder der Bürokratie im Allgemeinen. In Österreich habe sich der Spruch "in Stein gemeißelt" breit gemacht. "In einer Zeit, in der Dynamik erwartet wird, ist Untätigkeit am schlimmsten. Die Wirtschaft zeigt vor, wie es geht. Österreichs Stärke ist die Innovationskraft der Betriebe, die Motivationskraft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Stärke muss auch in Zukunft erhalten bleiben. Daher fordern wir, dass das Machbare auch umgesetzt wird."

Die zweite Todsünde
Besteuerung statt Erneuerung: Sehr oft stehe die Frage nach einer Finanzierungsquelle im Vordergrund. Die Abgabenquote Deutschlands liege derzeit vier Prozent, die der Schweiz um zehn Prozent unter jener Österreichs. Schweden habe doppelt so hohes Wachstum und die Hälfte der Staatsschulden. Allein dies spare den Schweden pro Jahr vier Milliarden Zinsen. Das höhere Pensionsantrittsalter bringe weitere fünf Milliarden. "Hätten wir diese neun Milliarden, hätten wir ein ausgeglichenes Budget." Daher sei in Österreich Handeln gefragt. Doch statt Erneuerung stünde in Österreich oft Besteuerung im Vordergrund. So habe der Bundeskanzler als "nobelpreisverdächtiges" Patentrezept die Forderung nach einer Vermögenssteuer entdeckt. "Gäbe es eine Weltmeisterschaft im Rückwärtsfahren, Diedrich Mateschitz würde Werner Faymann sofort engagieren", so Leitl.

Gesundheitsminister Stöger wurde von Präsident Leitl aufgrund der geplanten Gebühren im Bereich der Lebensmittelkontrollen kritisiert. Weil dieser die notwendigen Mittel für die AGES nicht zur Verfügung stellen wolle und auch keine Bereitschaft zu notwendigen Reformen der Strukturen innerhalb der Agentur vorhanden sei, werde das Geld einfach von der Wirtschaft verlangt. Insgesamt, so Leitl, würde die geplante Abgabe 100.000 Betriebe belasten. "Vom kleinen Wirtshaus bis zur großen Brauerei kommen alle dran - nur, weil der Staat nicht in der Lage ist, effiziente Organisationsstrukturen zu schaffen", betonte Leitl

Als dritte Todsünde
nannte Leitl das Prinzip "Verteilungsgerechtigkeit vor Leistungsgerechtigkeit". Es sei notwendig, wieder Lust an der Leistung zu schaffen. Dadurch werde Wertschöpfung ermöglicht und Steueraufkommen generiert, die für wesentliche Investitionen verwendet werden könnten, so Leitl. Mit einer 13. und 14. Auszahlung der Mindestsicherung würde das Gegenteil erreicht, nämlich Leistung verhindert, so der Präsident mit Blick auf die diskutierte Ausweitung der Mindestsicherung. "Am Ende kommt hier mehr durch Nichtarbeit heraus, als durch Arbeit im Mindestkollektivvertrag. Das ist nicht leistungsgerecht, sondern eine überbordende Verteilungsmentalität", so Leitl.

Die vierte Todsünde
sei "der Absturz der Universitäten" in Österreich. Keine österreichische Universität scheine in den Top 100-Universitäten der Welt auf. "Wir vergeben hier Chancen, weil wir nicht bereit sind, alte Wege zu verlassen", so Leitl. Singapur habe mit einer einmaligen Investition von 600 Millionen Euro die Vorreiterschaft im universitären Bereich der Biotechnologie geschafft. Österreich gebe pro Jahr mehr als doppelt so viel für die Hacklerregelung aus. "Wir wären im Spitzenbereich, könnten jedes Jahr ein Zentrum für Forschung und Technologie errichten", betonte der Präsident und präsentierte einen Vorschlag: "Wandeln wir die Hacklerregelung um in ein gewaltiges Investitionsprogramm für Wissenschaft und Forschung."


Als fünfte Todsünde
bezeichnete Leitl die Vernachlässigung der dualen Ausbildung in der Bildungsdebatte der Politik. "Duale Bildung kommt nicht vor", so Leitl. "Ich verlange, dass in einem umfassenden Bildungskonzept auch die duale Ausbildung enthalten ist. Ich fordere, dass die duale Ausbildungsschiene den anderen Ausbildungsschienen gleich gestellt ist", so Leitl. Entscheidend sei beim Bildungskonzept, dass kein Einheitsbrei gefördert werde und dieses insgesamt Schülertalente-orientiert und nicht Lehrerdienstrecht-orientiert sei.

Sechste Todsünde
"Unterschätzen des gewaltigen Potenzials der Frauen": "Eine Quotendiskussion ist das Unwürdigste, was einer tüchtigen Frau passieren kann", betonte der Wirtschaftsbund-Präsident. Es gehe auch ohne Quote, so Leitl, der als Beispiel das Wirtschaftsparlament nannte: Dort seien im Jahr 2000 noch acht Prozent der Wirtschaftsbund-Abgeordneten Frauen gewesen, mittlerweile seien 28 Prozent der Abgeordneten weiblich - und das ohne Quote, wie Leitl betonte. Die Wirtschaft verantwortlich zu machen, sei falsch, so Leitl, der eine bewusstseinsbildende, fördernde und begleitende Rolle der Wirtschaft allerdings für notwendig hält. Insgesamt sei hier ein gesellschaftlicher Aufholbedarf vonnöten. Wichtig sei, das Potenzial der Frauen schon bei der Berufsberatung und -begleitung zu fördern.

Siebente Todsünde
"Die Jungen frustrieren": Seit längerem sei eine zunehmende Frustration der Jugendlichen über Politik bemerkbar. Es sei Enttäuschung über so manche nicht durchgeführte Reform vorhanden, die letztlich auf Kosten der Jungen gehe, doch eine gemeinsame Stimme der Jugend sei nicht zu vernehmen. Es sei wichtig, dass sich Ältere und Jüngere zusammensetzen und eine "Generationenpartnerschaft" erarbeiten. "Wir dürfen nicht zulassen, dass aus der Hoffnungsgeneration eine betrogene Generation wird", so der Präsident.

Zum Abschluss richtete sich Leitl direkt an die Bundesregierung und regte eine "neue Partnerschaft zwischen der Regierung und der Wirtschaft" an. Die Wirtschaft sei sich ihrer Verantwortung bewusst und komme dieser auch entsprechend nach - sie sichere Jobs, garantiere beruflichen Aus- und Weiterbildung, treibe Innovationen voran, zahle Steuern und Abgaben und trage gesellschaftliche, soziale und ökologische Verantwortung. Und sie bekenne sich selbstverständlich zu ihrer Mitwirkung und ihrer Unterstützung. Im Gegenzug fordere die Wirtschaft "keine Steuerdiskussion, schon gar keine Steuererhöhungen, keine Lohnnebenkostenerhöhungen, weniger Bürokratie, eine effiziente Verwaltung und eine Pflege der Leistungsträger", so der Wirtschaftsbund-Präsident abschließend.
     
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