Bewegt und bewegend   

erstellt am
21. 03. 11

Filme inspirieren die soziologische Forschung an der Uni Graz
Graz (universität) - Während die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, in der steirischen Landeshauptstadt gastiert, stehen die bewegten Bilder an der Karl-Franzens- Universität Graz im Mittelpunkt einer internationalen Tagung. Unter dem Titel „Film zwischen Welt- und Regionalkultur“ diskutieren ForscherInnen von 25. bis 27. März 2011 aktuelle Perspektiven der Filmsoziologie. Die Vorträge beleuchten verschiedene Themen rund um die Globalisierung der Filmindustrie einerseits und die Bemühungen zur Förderung einer regionalen Filmästhetik andererseits.

Stars und Nationalstolz
In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch das Forschungsthema von Ass.-Prof. Dr. Dieter Reicher vom Institut für Soziologie der Uni Graz, gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Stephan Moebius Organisator der Tagung. Reicher untersucht die Rolle von Filmstars und -preisen als Quelle für Nationalprestige. „Im Österreich der Nachkriegszeit haben zum Beispiel die Hans-Moser- oder die Sissi-Filme mit ihren Stars, ihrer Dramaturgie und Stimmung typische landesspezifische Charaktere und unverwechselbare Stereotype präsentiert. Sie wurden dabei zu wichtigen Symbolen nationaler Identifikation“, blickt der Wissenschafter zurück. In den 1980er-Jahren begann dann der österreichische Kabarett-Film eine ähnliche Funktion zu übernehmen. Gegenwärtig aber geht die Entwicklung durch internationale Filmpreise, wie etwa den Auslandsoscar, den Golden Globe oder die Goldene Palme in eine andere Richtung. „Nationale Wir-Ideale entstehen, wenn SchauspielerInnen oder RegisseurInnen im Namen ihrer Länder bei solchen Wettbewerben gewinnen“, erklärt Reicher. „Der Oscar von Christoph Waltz wurde 2010 ähnlich wie ein Sieg beim Schiweltcup in den Massenmedien gefeiert“, erinnert der Forscher. Der Stolz auf regional kulturelle Eigenheiten tritt zugunsten des internationalen Erfolgs in den Hintergrund.

Tod im Film
Gesellschaftliche Prozesse, wie etwa die Globalisierung, prägen also auch die Welt des Films. Umgekehrt aber tragen die Medien genauso zu Veränderungen von Werthaltungen und Einstellungen bei, wie sich beim Forschungsthema von Stephan Moebius klar zeigt. Der Soziologe interessiert sich für die Art und Weise, wie Tod und Sterben im Film kommuniziert werden.

„Heute wird der Tod auf der Leinwand regelrecht kultiviert und dabei realistisch inszeniert“, sagt Moebius. Das Publikum erlebt den toten Körper und die Prozesse des Sterbens unmittelbar und wirklichkeitsnah. „Eine Herangehensweise, die erst seit Ende der 1970er-Jahre zu beobachten ist“, weiß der Forscher. Zwar fand der Tod seit den Anfängen der Filmgeschichte immer wieder Beachtung, wird den ZuseherInnen aber meist nicht direkt und real vor Augen geführt. Hollywood nimmt ihm seinen Schrecken, indem die Filme das Leben im Jenseits ähnlich weitergehen lassen wie zuvor. So zum Beispiel in „Here Comes Mr. Jordan“ („Urlaub vom Himmel“, 1940) oder „Heaven Can Wait“ („Ein himmlischer Sünder“, 1943). „Das ,Happy End‘ wird zum fröhlichen ,Weiter so!‘“, bringt es Moebius auf den Punkt.

Die Ursachen des neuen Todes- und Sterbebewusstseins sieht der Soziologe in unterschiedlichen Prozessen. „Dazu gehört die Psychologisierung des Todes im Laufe der kulturellen Gegenbewegungen der 1968er und der damit aufkommenden ganzheitlich-esoterischen Ratgeberliteratur zu Tod und Sterben“, sagt Moebius. Aber auch AIDS und die Hospiz-Bewegung sowie öffentliche Debatten um Sterbehilfe und Transplantationsmedizin spielen eine Rolle. Film und Fernsehen spiegeln die veränderte Sichtweise wider. Gleichzeitig tragen sie selbst wesentlich zum veränderten Todesbewusstsein bei.
     
Informationen: http://www.uni-graz.at/filmsoziologie    
     
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