VfGH-Entscheidung zum Anbringen von Kreuzen  

erstellt am
16. 03. 11

Anbringen des Kreuzes im Kindergarten ist nicht verfassungswidrig
Antrag gegen religiöse Feiern wie Nikolausfeste unzulässig, da Teilnahme daran nicht verpflichtend
Wien (vfgh) -Der Verfassungsgerichtshof hat - aufgrund eines Antrages, der sich gegen religiöse Feiern und das Anbringen des Kreuzes in niederösterreichischen Kindergärten richtete - eine Grundsatzentscheidung zum Verhältnis von Staat und Kirche getroffen.
Auf das Wesentliche zusammengefasst, brachte das Verfahren vor dem VfGH zwei Ergebnisse:

  • Der Antrag, dass religiöse Feiern wie das Nikolausfest gegen die Verfassung verstoßen, wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die Teilnahme an solchen Festen ist nämlich nicht verpflichtend, also sind die Antragsteller davon auch nicht direkt betroffen. Im Kindergartengesetz gibt es keine Vorschrift, die besagt, dass eine solche Teilnahme verpflichtend ist.
  • In der Sache entschieden hat der VfGH die Kreuz-Frage. Dass ein Kreuz anzubringen ist, wenn die Mehrheit der Kinder einem christlichen Religionsbekenntnis angehört, verstößt nicht gegen die Verfassung. Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Trennung zwischen Kirche und Staat ist diese gesetzliche Regelung über das Anbringen eines Kreuzes nicht als Präferenz des Staates für eine bestimmte Religion zu werten.

Einige Passagen der VfGH-Entscheidung im Wortlaut:
Das Kreuz ist ohne Zweifel zu einem Symbol der abendländischen Geistesgeschichte geworden. Darüber hinaus war es stets und ist es auch heute noch ein religiöses Symbol christlicher Kirchen. Das bedeutet vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund, vor dem die angefochtene gesetzliche Regelung insgesamt zu beurteilen ist, aber nicht, dass dem Gesetzgeber bei systematischer und verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes eine - von der Ant agstellerin angenommene - staatliche Äußerung einer Präfe enz für eine bestimmte Religion oder gar einer Glaubensüberzeugung zugesonnen werden könnte.

Das niederösterreichische Kindergartengesetz enthält die Vorgabe, dass die körperliche, seelische und geistige Entwicklung der Kinde u.a. durch die erzieherische Wirkung, welche die Gemeinschaft bietet, zu förde n und zu unterstützen, ein grundlegender Beitrag zu einer religiösen und ethischen Bildung zu leisten und die Erreichung der Schulfähigkeit zu unterstützen ist. Mit dem letzten Halbsatz wird auch deutlich gemacht, dass der Kindergartengesetzgeber die Voraussetzungen dafür schaffen will, dass im Anschluss an den Kindergartenbesuch die bundesverfassungsgesetzlich festgelegten Ziele für die schulische Bildung erreicht werden können, wie sie von Art. 14 Abs. 5a B-VG festgelegt werden. Dieser macht Offenheit und Toleranz sowie die an den sozialen, religiösen und moralischen Werten orientierte Verantwortung zu Bildungszielen und gibt staatlichen Bildungseinrichtungen explizit das Ziel vor, Jugendliche gegenüber dem religiösen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen zu machen.

Angesichts dessen ist im gesetzlichen Gebot der Anbringung eines K euzes in Gruppenräumen von Kindergärten keine Äußerung des Staates zu erblicken, mit der er eine Präferenz für eine bestimmte Glaubensübe zeugung zum Ausdruck bringen möchte.

In Hinblick auf die für nächste Zeit zu erwartende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zum Thema Anbringen des Kreuzes in italienischen Schulen ist noch auf Folgendes hinzuweisen:

An der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ändert sich, gleich wie der EGMR entscheidet, nichts
Die verfassungsrechtliche Situation in Italien zu dieser Frage ist auch nicht mit der in Österreich vergleichbar. Bei künftigen Verfahren zu Fragen dieser Art wird der Verfassungsgerichtshof, wie schon bisher, eine möglicherweise neue Rechtsprechung des EGMR berücksichtigen.

Zahl der Entscheidung: G 287/09


 

LH Pröll: Klarer Fingerzeig am Weg nach vorn
St. Pölten (nlk) - Als einen "klaren Fingerzeig am Weg nach vorn" bezeichnete Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, nach dem Kreuze in Kindergärten nicht verfassungswidrig seien.

"Niederösterreich ist ein weltoffenes, tolerantes Land, das sich seiner Wurzeln und Grundwerte bewusst ist", stellte der Landeshauptmann fest. Mit dem heutigen Erkenntnis sei klargestellt, "dass in Niederösterreich der christliche Glaube und die christlichen Grundwerte weiter hoch gehalten werden". Das werde auch symbolisiert durch das Kreuz, "das schon vielen Generationen vor uns Hoffnung gegeben" habe, so der Landeshauptmann.

 

Strache begrüßt VfGH-Entscheidung
Kreuz ist wesentlicher Bestandteil unserer europäischen und österreichischen Identität
Wien (fpd) - Das Kreuz sei ein wesentlicher Bestandteil der europäischen und österreichischen Identität, die von Christentum und Aufklärung geprägt sei. Aus diesem Grund sei die jüngste Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, dass Kreuze in Österreichs Kindergärten "zulässig" seien, mehr als zu begrüßen, so FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache.

Strache erklärte, sich auch weiterhin vehement dafür einzusetzen, "das Kreuz als Symbol unserer Tradition und damit eines Wertesystems, das Freiheit und Menschenwürde im Zentrum hat, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen". In diesem Sinne sei dem VfGH Respekt zu zollen, der das Symbol des Kreuzes offenbar als verteidigenswert erachte und Entwicklungen, die genau die damit im Zusammenhang stehenden historisch-kulturellen Errungenschaften in Frage stellen, eine Absage erteile. "Das Kreuz als Symbol steht für eine abendländische Tradition, die eine Spannweite vom Humanismus bis hin zur Aufklärung in sich vereint, und für ein Menschen- und Gesellschaftsbild, das frei, selbstbestimmt und demokratisch ist", so Strache. Ebenso begrüßte der freiheitliche Bundesparteiobmann auch die Erklärung des VfGH, dass die Abhaltung von traditionellen Feiern wie etwa der Nikolausfeier nicht gegen die Verfassung verstoßen würde.
     

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