Industrie hat Kriseneinbruch noch nicht verdaut und fordert Forschungsanreize   

erstellt am
16. 03. 11

Engelmann: "Energieabgabenentlastung für Eigenstromerzeugung reduziert 3 Mio. Tonnen CO2, unterstützt 2020-Ziele und verringert Abhängigkeit vom Stromimporten"
Wien (pwk) - Die österreichische Industrie wird im Gesamtjahr 2010 einen Produktionswert von voraussichtlich 125 Mrd. Euro erwirtschaften. Damit liegt sie hinter dem Vorkrisenwert von 2008 mit 135,6 Mrd. Euro. 2009 ist die Industrieproduktion um knapp 17 Prozent eingebrochen. "Diesen Einbruch hat die Industrie noch immer nicht ganz verdaut. Ausgehend von diesem stark reduzierten Niveau wird sich die Produktion 2010 vorausssichtlich um nominell 8,5 Prozent erholen. Damit liegt sie um 2,7 Mrd. Euro unter dem Niveau des Jahres 2007", resümiert Manfred Engelmann, Geschäftsführer der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer Österreich, über das Jahr 2010 aus der Sicht der heimischen Industriebetriebe.

Eine Betrachtung der einzelnen Branchen zeigt ein sehr ungleiches Bild: "Jene Zweige, die besonders stark von der Krise getroffen wurden, wie NE-Metall, Gießerei, Fahrzeugindustrie, Bergwerke und Stahl, haben sich deutlich erholt. Stein- und keramische, Bau- und Nahrungs- und Genussmittelindustrie werden 2010 Mühe haben, ihr Produktionsniveau des Vorjahrs wieder zu erreichen", unterstreicht Engelmann.

Die Auftragseingänge der Industriebetriebe dürften 2010 78,8 Mrd. Euro ausmachen. Gegenüber dem Krisenjahr 2009 nahmen die Aufträge somit um 18 Prozent zu. In einer längerfristigen Betrachtung liegen die Auftragseingänge 2010 jedoch um mehr als zwei Mrd. Euro unter dem Wert aus 2006. "Getragen wird dieses Ergebnis vor allem durch Aufträge aus dem Ausland", erklärt der Bundesspartengeschäftsführer: Während inländischen Auftragseingänge, die rund ein Viertel der gesamten Eingänge ausmachen, mit 22,4 Mrd. Euro um rund sechs Prozent über dem Wert 2009 liegen, legten die ausländischen Auftragseingänge der Industriebetriebe 2010 mit rund 56,4 Mrd. Euro um über 20 Prozent zu.

393.400 Arbeitnehmer wurden im Jahresschnitt 2010 von den heimischen Industriebetrieben beschäftigt. Im Vergleich zum Vorjahr ging das Eigenpersonal somit um 3,2 Prozent zurück. In den einzelnen Monaten des Jahres 2010 verringerte sich der Beschäftigtenabbau der Industriebetriebe jedoch sukzessive. "Für Dezember 2010 kann sogar erstmals seit November 2008 wieder ein Halten des Beschäftigtenstandes in der Industrie vermeldet werden", so Engelmann.

Das Fremdpersonal in den Industriebetrieben sank in der Krise um rund 8.000 Beschäftigte auf 14.496, das entspricht dem Niveau von 2004. 2010 stieg das Fremdpersonal wieder um über 5.000 Personen auf 19.600 Personen. Damit ist das Niveau des Jahres 2007 noch nicht erreicht. Zählt man zum Eigenpersonal der Industrie das Fremdpersonal hinzu so macht der Gesamtbeschäftigtenstand im Jahresdurchschnitt 2010 insgesamt 413.000 Arbeitnehmer aus. Der Gesamtbeschäftigtenstand für das 4. Quartal 2010 wird erstmals wieder leicht über dem Stand des 4. Quartals 2009 liegen. Der Anteil des Fremdpersonals am Gesamtpersonal der Industrie betrug vor der Krise 2008 im Schnitt fünf Prozent, im Jahr 2009 ging er auf 3,4 Prozent zurück und 2010 ist dieser Anteil wieder auf 4,7 Prozent angestiegen.

"Die geringe Investitionsbereitschaft bleibt weiterhin eines unserer größten Sorgenkinder", urteilt Engelmann. Das WIFO wies für das Jahr 2010 einen weiteren Rückgang der Industrieinvestitionen um 16 Prozent auf 4,147 Mrd. Euro aus. Insbesondere die Branchen Bergwerke und Eisenerzeugung, Holz, Glas, Papier und PPV, Textil, Chemie, Fahrzeuge und Maschinen & Metallwaren zeigen Zurückhaltung bei ihren Investitionsplänen.

Industrie fordert: Deckel bei Auftragsforschung auf 5 Mio. Euro anheben
"Die Industrie ist Österreichs Motor für Forschung, Entwicklung und Innovation: Pro Beschäftigtem geben unsere Industriebetriebe über 6.000 Euro für Forschung und Entwicklung (F&E) aus. Zwei Drittel der gesamten österreichischen F&E-Ausgaben im Unternehmenssektor werden von den 857 forschenden Industrieunternehmen finanziert", betont Engelmann, "Doch durch steuerliche Hemmnisse ist die Kooperationsbereitschaft von Unternehmen mit Forschungseinrichtungen und Universitäten beschränkt." So wird der Steuervorteil bei Auftragsforschungen auf 100.000 Euro im Jahr beschnitten. Selbst Kooperationsprojekte von KMU überschreiten den derzeitigen Deckel regelmäßig. Deshalb fordert die Industrie eine Anhebung des Deckels auf fünf Millionen Euro. "Von einer deutlichen Anhebung des Forschungsdeckels profitieren sowohl die heimischen Industriebetriebe, Forschungseinrichtungen und die Universitäten gleichermaßen", betont Engelmann, der auch bereits die Kosten für seine Forderung erhoben hat: "Die Kosten sind für den Finanzminister sehr überschaubar und liegen bei weniger als acht Mio. Euro."

Eigenstromerzeugung der Industrie spart drei Mio. Tonnen CO2
Darüber hinaus macht sich die Industrie für die Ausweitung der Eigenstromerzeugung der heimischen Betriebe stark: Insgesamt können in Österreich jährlich 640 Gigawattstunden an elektrischer Eigenenergieerzeugung gehoben werden. Diese hocheffiziente oder erneuerbare Erzeugung kann über drei Mio. Tonnen CO2 bis 2020 einsparen. Die dafür notwendigen Investitionen würden eine Produktion von 307,7 Mio. Euro generieren. Es würden dabei für die Anlagenerrichtung über 2000 und permanent ca. 200 vollzeitäquivalente Arbeitsplätze geschaffen. Die Investitionen rufen 46,2 Mio. Euro als Einmaleffekt und 5,3 Mio. Euro fortwährend an arbeits- sowie güterbezogenen Steuern und Abgaben hervor - so die zentralen Studienergebnisse der Kooperation des Industriewissenschaftlichen Institutes, der FH Joanneum und des Technischen Büros für Maschinenbau Theissing.

Zur Realisierung der Potentiale fordert die Industrie eine Energieabgabenentlastung speziell bei industrieller Eigenstromerzeugung in hocheffizienten Kraftwärmekopplungen sowie in Ökostromanlagen zum Eigenverbrauch. Mit den aus konjunkturellen Effekten entstandenen Einnahmen würde der Ausfall an Energieabgaben für den Fiskus kompensiert werden. "Durch eine schlaue Förderung der Eigenstromerzeugung entsteht eine Win-Win-Situation: Die Unternehmen können ihren Stromverbrauch kostengünstiger und flexibler decken. Die Energiestrategie wird dadurch mit minus drei Millionen Tonnen Co2 unterstützt. Die Abhängigkeit Österreichs von Stromlieferungen aus dem Ausland wird verringert und die ausgelösten Investitionen schaffen Arbeitsplätze sowie Abgaben- und Steuereinnahmen für das Staatsbudget", betont Engelmann.

Die Industrie in Zahlen
Daten zur Struktur der heimischen Industrie: An der gewerblichen Wirtschaft Österreichs haben die Industrieunternehmen nur einen kleinen Anteil von rund zwei Prozent. Diese zwei Prozent aller Unternehmen erwirtschaften jedoch mehr als ein Viertel der gesamten Bruttowertschöpfung. Österreichs Industrie ist mittelständisch strukturiert: 92,9 Prozent der österreichischen Industriebetriebe sind KMU mit weniger als 250 Beschäftigten. Die durchschnittliche Exportintensität der Industrie liegt bei 55 Prozent.
     
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