ASTAT-Wirtschaftsbericht 2010 vorgestellt   

erstellt am
21. 04. 11

Bozen (lpa) - Die Stärken und Schwächen der Südtiroler Wirtschaft sowie die Positionierung Südtirols gegenüber den anderen italienischen Regionen und den Partnern in der EU waren am 20.04. Gegenstand der Pressekonferenz zur neuen Publikation "Südtiroler Wirtschaft 2010" des Landesstatistikinstituts (ASTAT).

Alfred Aberer, Direktor des Landesstatistikinstituts (ASTAT) und Ludwig Castlunger, Vizedirektor des Landesamts für Wirtschaftsstatistik, präsentierten die wichtigsten Strukturdaten zur Südtiroler Wirtschaft, die in der neuen Publikation "Südtiroler Wirtschaft 2010" enthalten sind. "Ziel ist es, ein Gesamtbild der lokalen Wirtschaftsstruktur zu geben und zwar nicht nur aus 'monetärer' Sicht, sondern auch in Bezug auf 'nachhaltigen' Wohlstand", betonte Alfred Aberer. "Die Besonderheit dieser Veröffentlichung ist die Verwendung aktueller und offizieller Quellen der amtlichen Statistik, die vollständige Darstellung aller volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen, die auf Landesebene berechnet wurden, sowie der Vergleich der wirtschaftlichen Lage Südtirols mit den italienischen und europäischen Zahlen."

Aus diesem Grund gliedert sich die Studie in drei große Abschnitte: Den ersten Teil bildet der Vergleich Südtirols mit der Europäischen Union und den Zielen der Lissabon-Strategie, den zweiten Teil der regionale Vergleich innerhalb Italiens und den dritten die spezifische Situation Südtirols.

Südtirol im europäischen Vergleich
Die Positionierung Südtirols im Vergleich zur EU27 erfolgt mit den Indikatoren der Lissabon-Strategie. "Sie ermöglichen es, die Stärken Südtirols, aber auch die Chancen, Gefahren und Schwächen aufzuzeigen", so Aberer. Von Stärken spricht man, wenn der Indikator besser als der europäische Durchschnitt und zugleich ansteigend ist. "Dazu zählt in Südtirol in erster Linie die Beschäftigung. Bereits im Jahr 2008 wurden in Südtirol die für 2010 gesteckten Ziele in Hinblick auf die Erwerbstätigkeit insgesamt und die Erwerbstätigenquote der Frauen erreicht", führt der ASTAT-Direktor aus. "Ebenfalls stark ist Südtirol bei den Unternehmensinvestitionen. Unterstützt werden die Südtiroler Unternehmer hier von einem effizienten Finanzsystem und auch von der öffentlichen Hand, die Förderungen bereitstellt."

Die Chancen Südtirols - hier ist der Indikator unter dem europäischen Durchschnitt, aber ansteigend - liegen hingegen in der Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen Erwerbstätigen sowie in der Innovation und Forschung. "In diesen Bereichen kann sich Südtirol noch verbessern. Die Innovation und Forschung wird konkret anhand zwei Indikatoren bewertet: dem Bildungsstand der Jugendlichen, wobei hier das Maturaniveau herangezogen wurde und die Berufsausbildung, die in Südtirol eine wichtige Rolle spielt, nicht berücksichtigt wurde; und den Bruttoinlandsausgaben in Forschung und Entwicklung, die in Südtirol bei weniger als einem Prozent liegen, während auf europäischer Ebene drei Prozent angestrebt werden. Hier ist die Tendenz steigend, wir liegen aber noch deutlich unter dem EU-Schnitt", erläutert ASTAT-Direktor Aberer.

Gefahren - der Indikator liegt über dem europäischen Durchschnitt, ist aber rückläufig - sind laut Wirtschaftsbericht des ASTAT in den Bereichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen, Armutsgefährdung, und Langzeitarbeitslosenquote zu orten. Unter die Schwächen - der Indikator ist schlechter als der europäische Durchschnitt und rückläufig - fallen die "Emissionen von Treibhausgasen", wobei das schlechte Abschneiden in diesem Punkt auf die Autobahn zurückzuführen sei, so Aberer.

Regionaler Vergleich innerhalb Italiens
Auf regionaler Ebene ist Südtirol Spitzenreiter in Italien beim Bruttoinlandsprodukt (BIP): Das gilt sowohl für das BIP pro Kopf (knapp 35.000 Euro) als auch für das BIP pro Vollzeitäquivalent (knapp 65.000 Euro). Einziger Wermutstropfen ist die Inflation, die sich auf lokaler Ebene stärker als auf gesamtstaatlicher Ebene auswirkte.

Auch über die Analyse des materiellen Wohlstands hinaus liegt Südtirol im Vergleich zu den anderen italienischen Regionen über dem Durchschnitt. Die Indikatoren "Lebensqualität" und "Zufriedenheit der Bürger" belegen die hohen Südtiroler Standards. Südtirol ist Spitzenreiter bei der Lebenserwartung, die vor allem bei den Frauen sehr hoch ist. Die Höhe der Bankeinlagen liegt über dem gesamtstaatlichen Durchschnitt und die sportliche Betätigung ist in Südtirol im gesamtstaatlichen Vergleich am höchsten. Einzig bei den Pkws - 520 Pkws auf 1.000 Einwohner, d. h. jeder zweite Südtiroler besitzt einen Pkw - liegt Südtirol weit hinten. "Mehr als zwei von drei Personen sind mit ihren Lebensbedingungen und ihrer wirtschaftlichen Lage zufrieden. Keine andere Region in Italien weist einen besseren Wert auf", unterstreicht Alfred Aberer.

Ludwig Castlunger, Vizedirektor des Landesamts für Wirtschaftsstatistik, präsentierte einige vertiefende Thematiken. So ist die Inflation zur Zeit ein stark diskutiertes Thema, weil sie die Kaufkraft der privaten Haushalte mindert und Investitionen bremst. "Ein Vergleich auf regionaler Ebene zeigt, dass das Niveau der Verbraucherpreise in Norditalien ungleich höher als im Süden ist. Die Gemeinde Bozen ist mit einem Gesamtindex von 105,6 die teuerste Stadt Italiens", so Castlunger. Vor allem erreicht Bozen Höchstwerte in den Bereichen Lebensmittel, Getränke und Tabakwaren (+8 Prozent) sowie Sonstige Waren und Dienstleistungen (+11,2 Prozent). Demgegenüber stehe aber die hohe Lebensqualität in Südtirol.

Im Bereich der Unternehmen untersucht die ASTAT-Publikation die wichtigsten Wirtschaftskennzahlen. Sie spiegeln die Realität der Südtiroler Wirtschaft wieder, die von einem großen Anteil an Kleinbetrieben gekennzeichnet ist. Beim Umsatz je Beschäftigten (164.000 Euro) positioniert sich Südtirol unter dem gesamtstaatlichen Durchschnitt (180.000 Euro), bei der Wertschöpfung je Beschäftigten, also der Produktivität, hingegen liegt es darüber (46.000 Euro im Vergleich zu 41.000 im Italien-Schnitt). Der Personalaufwand je Beschäftigten ist in Südtirol höher als auf gesamtstaatlicher Ebene, bei der Investitionsrate je 1.000 Euro Umsatz liegt Südtirol knapp hinter dem Trentino, aber über dem italienischen Schnitt. Bei der Kosteneffizienz, d.h. der Wettbewerbsfähigkeit der Produktionsprozesse, schließlich platziert sich Südtirol ebenfalls über dem gesamtitalienischen Durchschnittswert, erzielt aber im EU-Vergleich aufgrund der hohen Sozialaufwendungen in Italien ein nicht so gutes Ergebnis.

Eine nähere Betrachtung erfahren auch die Bereiche Forschung und Innovation sowie Internationalisierung der Unternehmen: "Trotz steigender Tendenz verzeichnet Südtirol bei der Innovation Werte unter dem gesamtstaatlichen und dem EU-Durchschnitt", erläutert Ludwig Castlunger. "Rund ein Viertel der Südtiroler Klein- und Mittelunternehmen können als Innovatoren eingestuft werden, fünf Prozent weniger als auf gesamtstaatlicher Ebene." Die Anzahl der angemeldeten Patente entspricht in etwa dem gesamtstaatlichen Durchschnitt.

Auch bei der Internationalisierung haben die Südtiroler Unternehmen noch Aufholbedarf. Der allgemeine Index zur Exportfähigkeit und jener zur Exportfähigkeit der Produkte mit hoher Produktivität liegen unter dem gesamtstaatlichen Durchschnitt. "Dies kann zum Teil damit erklärt werden, dass die Indikatoren den Handelsaustausch mit dem lokalen BIP in Beziehung setzen und dass sich das Südtiroler BIP durch einige Produktionstätigkeiten auszeichnet, die nicht exportiert werden können. Hier sind der sehr hohe Anteil des Tourismus und der öffentlichen Verwaltung an der Wertschöpfung zu nennen", ergänzt Castlunger. Insgesamt tätigen von 40.000 Unternehmen in Südtirol nur rund 2.000 Unternehmen Exporte ins Ausland. Unter diesen liegen die Hälfte der Exporte in der Hand einiger weniger Unternehmen: Für 50 Prozent der gesamten Südtiroler Ausfuhren sind nur 26 Unternehmen (1,4 Prozent der Exporteure) verantwortlich.

Die Südtiroler Konjunktur
Der Strukturbericht "Südtiroler Wirtschaft 2010" enthält auch eine Prognose über das Wachstum des Südtiroler BIP. "Dieses dürfte zwischen den Werten Italiens, 1,1 Prozent, und Deutschlands, 2,2 Prozent, liegen", erklärt ASTAT-Direktor Alfred Aberer. Den Schätzungen zufolge könnte das heimische BIP 2011 genauso wie das österreichische um 1,7 Prozent steigen. "Wir sind für dieses Jahr noch optimistisch, sehen aber aufgrund der Preissteigerungen auf den Rohstoffmärkten und der Staatsverschuldung eine Verschlechterung der Situation im Jahr 2012 auf uns zukommen", so Aberer.
     
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