Ab Mai startet Österreich in einen Arbeitsmarkt ohne Grenzen   

erstellt am
27. 04. 11

WIFO: Nettozugang von max. 16.500 Arbeitskräften erwartet - AMS: Arbeitsmarkt bereits schrittweise geöffnet
Wien (ams) - "Ab Mai werden die Grenzbalken am Arbeitsmarkt fallen. Wir begrüßen unsere Nachbarstaaten im gemeinsamen Arbeitsmarkt der vollständigen Personen- und Dienstleistungsfreizügigkeit. Lediglich etwas mehr als 2 Prozent aller europäischen Bürgerinnen und Bürger leben und arbeiten nicht in ihrem Herkunftsland. Will man die europäische Idee verstärkt leben, so gibt es auch für die Arbeitsverwaltungen Europas hier noch viel zu tun.", erklärte Herbert Buchinger, Vorstandsvorsitzender des Arbeitsmarktservice (AMS) Österreich auf der Pressekonferenz anlässlich der bevorstehenden Öffnung des Arbeitsmarktes in Wien.

WIFO: Nettozugang von bis 16.5000 Arbeitskräften erwartet
Über das Ausmaß der zu erwartenden Migrations- und Pendelpotentiale aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn zeigt eine aktuelle WIFO-Studie, dass etwa 0,4% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter konkret bereit sind, in den ersten zwei Jahren nach Ende der Übergangsfristen in Österreich zu arbeiten. Nach der Öffnung kann aus diesen drei Ländern mit einem zusätzlichen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt von jährlich etwa 11.500 bis 16.500 Personen gerechnet werden. Sie verfügen großteils über Qualifikationen auf Facharbeiterniveau. Viele möchten jedoch nur temporär in Österreich arbeiten. Mittelfristig wird die Bereitschaft zu Migration und Pendeln nach Österreich bei einer Fortsetzung des wirtschaftlichen Konvergenzprozesses nachlassen. "Ein offener Arbeitsmarkt ist für Österreich und seine Nachbarn ein Vorteil, allerdings müssen Vollbeschäftigung und Wachstum in einer globalisierten Welt mit starkem Strukturwandel durch stetige Weiterbildung, Requalifizierung und eine koordinierte Wirtschaftspolitik gesichert werden", so Aiginger.

AMS: "Arbeitsmarkt wurde bereits schrittweise geöffnet"
Österreich hat sich gut auf die Arbeitsmarktöffnung vorbereitet. So wurde der österreichische Arbeitsmarkt bereits in den vergangenen Jahren schrittweise - nach dem jeweils vorliegenden Arbeitskräftebedarf - für die verschiedensten Berufsgruppen geöffnet. "Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus unseren Nachbarländern arbeiten bereits bei uns oder haben schon in Österreich gearbeitet. Sei es beispielsweise über Saisonnierkontingente, über die Fachkräfteverordnung oder über Praktikanten- bzw. Grenzgängerabkommen", erklärte Herbert Buchinger, Vorstandsvorsitzender des Arbeitsmarktservice (AMS) Österreich. Das AMS stellte allein im Rahmen der seit 2008 geltenden Fachkräfteverordnung knapp 18.000 Arbeitsbewilligungen für Fachkräfte aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten aus. Mehr als die Hälfte der Fachkräfte kam aus Ungarn (56 Prozent), gefolgt von Fachkräften aus der Slowakei (20 Prozent) sowie aus Tschechien und Polen (je sieben Prozent). Mehr als die Hälfte der insgesamt 18.000 Bewilligungen wurde für Köchinnen/Köche (51 Prozent) ausgestellt, zehn Prozent für Schweißer/innen, acht Prozent für Fleischhauer/innen und knapp sieben Prozent für Mauerer/innen.

Laut WIFO-Studie wird ein Großteil der Arbeitskräfte aus den neuen EU-Staaten gut qualifiziert sein. Drei Viertel werden Matura oder Facharbeiterausbildung haben, jeweils ein Achtel wird entweder einen Hochschul- oder einen Pflichtschulabschluss haben. "Der Zuzug von Arbeitskräften nach der Arbeitsmarktöffnung wird jedoch nicht reichen, um den Facharbeitermangel in Österreich zu decken. Unser Ziel ist es daher, die Ausbildung von Jugendlichen und die Höherqualifizierung von Jobsuchenden und Beschäftigten im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik weiter offensiv voranzutreiben", so Buchinger.

Tschechien: "Ende der Übergangsregelungen wird sich eher psychologisch als praktisch auswirken"
"In der Tschechischen Republik glauben wir, dass das Ende der Übergangsregelungen sich eher psychologisch als praktisch auswirken wird", erklärte Stefan Duhán, stellvertretender Generaldirektor der tschechischen Arbeitsmarktverwaltung. Das Interesse tschechischer Staatsbürger an einer Beschäftigung in Österreich sei aus mehreren Gründen gering, so Duhán. Erstens, weil es in Österreich nur wenige entsprechende freie Stellen gebe; zweitens, weil auch in anderen, insbesondere englischsprachigen EU-Ländern gearbeitet werden könne; drittens, weil tschechische Arbeitskräfte grundsätzlich nur eine geringe Bereitschaft zur Arbeitsmigration hätten; viertes, weil die Unterschiede bei den Löhnen zwischen Österreich und Tschechien nur mehr gering seien; und fünftens, weil die deutsche Sprache nach wie vor eine Barriere für viele Tschechen darstellen würde. Am wahrscheinlichsten sei, dass vor allem gut ausgebildete Fachkräfte in den Grenzregionen den freien Arbeitsmarkt nutzen werden und Arbeit in Sektoren suchen, in denen der österreichische Arbeitsmarkt seit langem einen Arbeitskräftemangel verzeichnet, wie etwa in der Baubranche, im Fremdenverkehr oder in Pflegeberufen, etc. Aber wie auch überall anders werde die Nachfrage stark vom Angebot freier Stellen auf österreichischer Seite abhängen, so Duhán.

Ungarn: "Die Auswirkungen der Grenzöffnung werden mäßig ausfallen"
"Die Auswirkungen der Grenzöffnung werden voraussichtlich mäßig ausfallen. Dies aus folgenden drei Gründen: Erstens, weil die mobilen, qualifizierten und sprachkundigen Arbeitnehmer auch schon bisher die Möglichkeit hatten, im Rahmen der zwischenstaatlichen Abkommen (Praktikantenabkommen und Grenzpendlerabkommen) Arbeit in Österreich aufzunehmen. Zweitens, weil die andere große Gruppe der mobilen Arbeitnehmer - nämlich die Gruppe der saisonal Beschäftigten - mittlerweile ebenfalls seit Jahren regelmäßig nach Österreich geht. Unseren Schätzungen nach haben im Jahr 2010 mehr als 20.000 ungarische Staatsangehörige in Österreich gearbeitet, wobei die meisten von ihnen aus den drei Grenzkomitaten (Gyor-Moson-Sopron, Vas, Zala) kommen. Sie werden primär im Gastgewerbe, in der Hotellerie, in der Bau- und Metallbranche, in der Lebensmittel- und Fleischindustrie sowie in der Landwirtschaft beschäftigt. Und drittens werden die Auswirkungen der Grenzöffnung schon deswegen mäßig sein, weil die allmähliche Öffnung des Arbeitsmarktes im Bereich der Mangelberufe - insbesondere in den Bereichen Metall und Gastgewerbe - bereits erfolgt ist", betonte Róbert Kómáromi, Generaldirektor der ungarischen Arbeitsmarktverwaltung.

Slowenien: "Öffnung bringt keinen größeren Zustrom nach Österreich"
"Durch die Öffnung des Arbeitsmarktes wird kein wesentlicher Abfluss von slowenischen Arbeitnehmern nach Österreich erwartet, da eine Beschäftigung vor allem von der Nachfrage der Arbeitgeber abhängt. Wegen der Wirtschaftskrise in Slowenien sind derzeit die Verhältnisse bei der Beschäftigung von qualifizierten Kräften in Slowenien etwas schwieriger. Mittelfristig wird erwartet, dass sich die slowenische Wirtschaft umstrukturiert und wahrscheinlich langsam auch die Löhne und Gehälter erhöht werden", erklärte Lucka Zizek, Generaldirektorin der slowenischen Arbeitsmarktverwaltung. Wegen der möglichen Abwanderung von qualifizierten Kräften würden die slowenischen Arbeitgeber, die Schwierigkeiten bei der Beschäftigung haben, mehr Druck auf die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für die Drittstaatsangehörige ausüben (vor allem für jene aus dem ehemaligen Jugoslawien), so Zizek.

Slowakei: "Arbeitsmarktöffnung wird sich auf die Grenzregion auswirken"
"Die Arbeitsmarktöffnung wird sich auf die Grenzregionen auswirken, da die Bürger der Slowakischen Republik Interesse an einer Beschäftigung als Fach- und qualifizierte Arbeitskräfte auf dem österreichischen Arbeitsmarkt haben. Der Wegfall der Barrieren in Form von Arbeitsbewilligungen wird zu einem gesteigerten Interesse seitens der Fachkräfte führen. Wir glauben, dass sich die Arbeitskräfte aus der Slowakei erfolgreich auf dem österreichischen Arbeitsmarkt behaupten werden. Zudem erwarten wir, dass sich die Arbeitsmarktöffnung positiv auf die Arbeitslosenrate in der Slowakei auswirken wird und dass der Lebensstandard unserer in Österreich arbeitenden Bürger steigen wird", betonte Ivan Jurás, Generaldirektor der slowakischen Arbeitsmarktverwaltung. Laut Expertenanalysen der Arbeitsmärkte in den Grenzregionen der Slowakei und Österreich würden die Branchen IT, Hotellerie und Gastronomie, Gesundheitswesen, Verwaltung und Bauwirtschaft Top-Beschäftigungsmöglichkeiten für slowakische Arbeitskräfte bieten, so Jurás.

EURES - die Job- und Personalbörse der EU - bietet mehr als 1 Million freier Stellen
Jobsuchende und Unternehmen, die Jobs oder Fachkräfte im Ausland suchen, unterstützt das AMS über EURES - das Portal der Europäischen Arbeitsmarktverwaltungen im Internet http://eures.europa.eu. Europaweit finden sich aktuell bereits mehr als eine Million freier Stellen im EURES-Portal. Zusätzlich stehen den Jobsuchenden und Unternehmen rund 800 EURES-Berater/innen aus ganz Europa für Fragen rund um den europäischen Arbeitsmarkt zur Verfügung. Die Kontaktdaten der EURES-Berater/innen sind auf der Homepage http://www.ams.at abrufbar.
     
zurück