EU-Frühjahrsprognose 2011-12   

erstellt am
13. 05. 11

Wirtschaftsaufschwung in Europa setzt sich trotz neuer Risiken fort
Brüssel (ec.europe) - Der allmähliche Wirtschaftsaufschwung in der EU wird sich weiter verfestigen, wobei sich die Aussichten für das Jahr 2011 gegenüber der letzten Herbstprognose sogar leicht verbessert haben. Das BIP wird dieses Jahr voraussichtlich um ca. 1¾ % und 2012 um knapp 2 % steigen. Hintergrund sind die besseren Aussichten für die Weltwirtschaft und das insgesamt positive Wirtschaftsklima in der EU. Allerdings beschleunigt sich angesichts der steigenden Rohstoffpreise auch die Inflation. Die Headline-Inflation wird der Prognose zufolge dieses Jahr durchschnittlich knapp 3 % in der EU und 2½ % im Euro-Raum erreichen und 2012 auf ca. 2 % bzw. 1¾ % zurückgehen. Gleichzeitig wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Prognosezeitraum voraussichtlich allmählich verbessern. So wird bis 2012 mit einer Verringerung der Arbeitslosenquote um ½ Prozentpunkt auf rund 9 % in der EU und 9¾ % im Euro-Raum gerechnet. Die Haushaltskonsolidierung wird sich weiter fortsetzen, wobei bis 2012 ein Rückgang des öffentlichen Defizits auf ca. 3¾ % des BIP erwartet wird. Allerdings bestehen weiterhin große Unterschiede zwischen den Aussichten für die einzelnen Mitgliedstaaten.

Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn erklärte dazu: „Die wichtigste Botschaft unserer Prognose: Der Wirtschaftsaufschwung in Europa steht auf soliden Füßen und wird sich trotz der jüngsten externen Turbulenzen und Spannungen auf dem Markt für staatliche Schuldtitel weiter fortsetzen. Die öffentlichen Defizite gehen deutlich zurück. Jetzt ist es entscheidend, diese Wachstums- und Konsolidierungstrends zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass sie sich in mehr und besseren Arbeitsplätzen niederschlagen. Dazu ist es erforderlich, die Haushaltskonsolidierung fortzusetzen und Strukturreformen entschlossen umzusetzen, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu verbessern.“

Wirtschaftsaufschwung weiterhin dynamisch
Die wirtschaftliche Erholung in der EU setzt sich trotz der weiterhin bestehenden Anfälligkeit der Finanzmärkte und eines schwierigeren äußeren Umfelds weiter fort. Der Aufschwung weitet sich aus und wird sich voraussichtlich auch 2011 im Großen und Ganzen entsprechend der letzten Herbstprognose fortsetzen. Angesichts einer Aufwärtskorrektur für das Exportwachstum werden die Ausrüstungsinvestitionen dieses Jahr voraussichtlich deutlich zunehmen. Dagegen gehen die Bauinvestitionen in mehreren Mitgliedstaaten auch weiterhin aufgrund der laufenden Anpassungen zurück. Gleichzeitig wird dieses Jahr mit einem leichten Anstieg des privaten Verbrauchs in der EU gerechnet, der danach voraussichtlich durch eine allmähliche Besserung auf dem Arbeitsmarkt, einen leichten Einkommenszuwachs und geringere Sparquoten unterstützt wird. Diese allmähliche Erholung wurde jedoch im Vergleich zur Herbstprognose durch eine höhere Inflation etwas gebremst. Zudem werden der noch laufende Schuldenabbau der Unternehmen und Haushalte, eine geringere Risikobereitschaft und die Auswirkungen der Haushaltskonsolidierung die Kapital- und Verbraucherausgaben auf kurze Sicht negativ beeinflussen.

Wie dies nach schweren Finanzkrisen oft der Fall ist, wird der Aufschwung in der EU voraussichtlich gedämpfter verlaufen als in früheren Erholungsphasen. Doch mit der allmählich steigenden Inlandsnachfrage dürfte er sich zunehmend selbst tragen. Was die jährlichen Durchschnittswerte angeht, wird mit einem Anstieg des BIP von rund 1½ % (Euro-Raum) bzw. 1¾ % (EU) im Jahr 2011 auf ca. 2 % in beiden Gebieten im Jahr 2012 gerechnet. Die Zahlen für 2011 wurden dabei gegenüber der letzten umfassenden Prognose vom Herbst vergangenen Jahres leicht angehoben.

Unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten

Dieses Gesamtbild verdeckt allerdings die erheblichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Einige Länder – insbesondere Deutschland, aber auch einige kleinere, exportorientierte Volkswirtschaften – verzeichnen einen soliden Konjunkturaufschwung, während insbesondere an der Peripherie manche Länder zurückbleiben. Es wird damit gerechnet, dass sich die Erholung in der EU auch weiterhin mit unterschiedlicher Geschwindigkeit vollzieht.

Die laufende Korrektur der Ungleichgewichte innerhalb der EU wird sich auch während des Prognosezeitraums fortsetzen. Am deutlichsten macht sich diese Anpassung in Ländern bemerkbar, in denen zu Beginn der Krise sehr hohe Defizite bestanden. Dies ist vor allem auf einen eingeschränkten Verbrauch zurückzuführen. Doch auch einige strukturell hohe Leistungsbilanzüberschüsse scheinen sich aufgrund einer höheren Inlandsnachfrage und einer dynamischen Importentwicklung allmählich zu verringern.

Aufschwung ohne deutliche Beschäftigungszunahme, aber weitere Verbesserung der öffentlichen Finanzen
Mit Arbeitslosenquoten zwischen 4-5 % in den Niederlanden und Österreich und 17-21 % in Spanien und den baltischen Staaten stellt sich die Lage auf den Arbeitsmärkten in Europa nach wie vor sehr unterschiedlich dar. Im letzten Quartal 2010 stieg die Beschäftigung in der EU aufgrund von Verbesserungen in allen Sektoren – mit Ausnahme der Industrie und des Baugewerbes – leicht an. Da sich das Wirtschaftswachstum gewöhnlich erst mit einer Verzögerung auf die Beschäftigung auswirkt, wird für dieses Jahr in beiden Gebieten mit einer leichten Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt gerechnet. Während des Prognosezeitraums wird sich die Arbeitslosigkeit in beiden Gebieten voraussichtlich um rund ½ Prozentpunkt verringern. Allerdings wird auch weiterhin damit gerechnet, dass sich der Aufschwung ohne eine deutliche Beschäftigungszunahme vollzieht, wenngleich sich die Aussichten seit der Herbstprognose etwas verbessert haben.

Im Bereich der öffentlichen Finanzen sind seit dem vergangenen Jahr Verbesserungen zu verzeichnen. Angesichts eines stärkeren Wachstums und der Beendigung befristeter Konjunkturmaßnahmen wird damit gerechnet, dass sich das gesamtstaatliche Defizit in der EU von etwa 6½ % des BIP im Jahr 2010 auf ca. 4¾ % im Jahr 2011 und 3¾ % im Jahr 2012 verringert. Für den Euro-Raum wird eine weitgehend ähnliche Entwicklung auf einem etwas niedrigeren Niveau erwartet. Diese Aussichten haben sich seit dem Herbst leicht verbessert. Ein Großteil der Anpassungen in beiden Regionen geht dabei auf Ausgabenkürzungen zurück. Die Schuldenquote wird sich dagegen während des Prognosezeitraums weiter erhöhen und bis 2012 ca. 83 % des BIP in der EU und 88 % des BIP im Euro-Raum erreichen.

Höhere Inflation
Während des Prognosezeitraums wird sowohl für die EU als auch für den Euro-Raum eine relativ hohe Verbraucherpreisinflation erwartet, wenngleich die Spitzenwerte aus dem Jahr 2008 bei Weitem nicht erreicht werden dürften. Die HVPI-Inflation wird dieses Jahr vor allem aufgrund der höheren Energiepreise durchschnittlich knapp 3 % in der EU und 2½ % im Euro-Raum erreichen und 2012 auf 2 % bzw. 1¾ % zurückgehen. Die noch immer bestehende erhebliche Konjunkturflaute wird voraussichtlich sowohl den Anstieg der Reallöhne als auch die Basisinflation begrenzen, was die erwartete Zunahme der Energie- und Rohstoffpreise voraussichtlich teilweise ausgleichen wird.

Abwärtsrisiken für das Wachstum aufgrund höherer Unsicherheit
Die politischen Änderungen im Nahen Osten und Nordafrika sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen des Erdbebens und des Tsunamis in Japan haben Unsicherheiten verstärkt und stellen Abwärtsrisiken für die weltweite Konjunktur dar, da sie im Vergleich zum Basisszenario weltweit eine höhere Inflation und ein geringeres Wachstum zur Folge haben könnten.

Die Finanzmärkte bleiben insbesondere im Bereich der Staatsanleihen anfällig, und unerwünschte negative Rückkopplungen sind auch weiterhin nicht vollständig ausgeschlossen. Zudem sind Spannungen auf den Devisenmärkten mit Risiken verbunden.

Andererseits könnte ein über den Erwartungen liegendes weltweites Wachstum infolge einer stärkeren Inlandsnachfrage in aufstrebenden Märkten das Exportwachstum der EU weiter ankurbeln. Innerhalb der EU könnte es gelingen, das BIP-Wachstum stärker auf die Inlandsnachfrage zu stützen, falls sich z. B. der Arbeitsmarkt besser entwickelt als angenommen. Ebenso könnte sich der kräftige Aufschwung in Deutschland stärker auf andere Mitgliedstaaten auswirken als erwartet.

Insgesamt überwiegen in der Risikobilanz für die Wirtschaftsaussichten jedoch klar die Abwärtsrisiken.
     
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