Finanztransaktionssteuer  

erstellt am
09. 06. 11

Einfrieren des EU-Haushalts 2014-2020 ist ohne Abstriche bei politischen Zielen unmöglich
Straßburg (europarl) - Das Europaparlament stellt Mitgliedstaaten, die den langfristigen EU-Haushalt einfrieren wollen, vor die Herausforderung, Abstriche bei gemeinsam fest gelegten politischen Zielen zu machen. Sie mögen im Detail festlegen, welche Aufgabenbereiche sie beim Einfrieren der Haushaltsmittel für den Zeitraum 2014-2020 aufgeben wollen. Um alle gemeinsam vereinbarten EU-Ziele zu erreichen, ist eine Erhöhung des EU-Haushalts um 5 % gegenüber dem Stand 2013 unabdingbar, meint das Parlament.

"Wir müssen dieser Unsitte ein Ende setzen, politische Verpflichtungen einzugehen, ohne über die notwendigen Mittel zur Umsetzung zu verfügen (...). Den EU-Haushalt zu schmälern ist keine gangbare Option für all jene unter uns, die an ein wettbewerbsfähiges Europa glauben", erklärte der Abgeordnete Salvador Garriga Polledo (EVP, Spanien), der für den Initiativbericht des parlamentarischen SURE-Sonderausschusses (Special Committee on Policy Challenges) zum 7-Jahres-Haushaltsplan - auch mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) oder finanzielle Vorschau genannt - verantwortlich zeichnet.

"Der MFR muss die EU2020-Strategie und weitere vereinbarte politische Ziele widerspiegeln. Wenn wir eine Erhöhung fordern, dann geschieht dies nicht, weil wir neue Dinge erfinden, sondern bloß weil wir einen realistischen und umsetzbaren Haushalt brauchen", fügte Jutta Haug (S&D, Deutschland) als Vorsitzende des Sonderausschusses hinzu, der ein Jahr lang an der Ausarbeitung dieses Berichts gearbeitet hat.

Der Bericht wurde am 08.06. mit 468 Ja-Stimmen gegen 134 Nein-Stimmen bei 54 Enthaltungen angenommen.

Die Abgeordneten vertreten die Auffassung, dass ein Einfrieren des EU-Haushalts auf dem Niveau von 2013 „keine gangbare Option“ ist. Die vom Ausschuss vorgeschlagene Erhöhung des EU-Haushalts um 5 % über dem Niveau von 2013 würde bedeuten, dass der EU-Haushalt rund 1,11 % des gesamten Bruttonationaleinkommens (BNE) der Europäischen Union in Anspruch nimmt, gegenüber erwarteten 1,06 % im Jahre 2013.

Die Abgeordneten fordern von den Mitgliedstaaten, die für ein Einfrieren oder eine Kürzung des langfristigen Haushalts eintreten, detaillierte Angaben, welche politischen Prioritäten oder Projekte sie im Zuge der Haushaltskürzung fallen lassen wollen. Das Parlament befürchtet, dass bereits vereinbarte Offensiven (3 % statt 1,9 % des BIP) im Bereich Forschung und Entwicklung und geplante Investitionen für Infrastruktur sowie für Außen- und Erweiterungspolitik den Haushaltseinsparungen zum Opfer fallen könnten.

Mittel für Regional- und Agrarpolitik sollten auf dem derzeitigen Ausgabenniveau bleiben, fordern die Abgeordneten in ihrer Entschließung. Für Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP zwischen 75 % und 90 % des BIP der EU sollte die Kommission nach Auffassung des Sonderausschusses eine Zwischenkategorie für die nächste Haushaltsperiode einführen, um diesen Regionen einen klareren Status und mehr Planungssicherheit zu geben. Überdies fordern sie höhere Investitionen in Energieinfrastrukturen. Hingegen könnte bei den Verwaltungskosten der EU gespart werden, etwa durch die Festlegung eines einzigen Sitzes des Parlaments.

Neue Finanzierungsquellen, Schluss mit Rabatten
Die Abgeordneten kritisieren das derzeitige Finanzierungssystem, das fast zur Gänze auf nationalen Beiträgen beruht und außerordentlich kompliziert geworden ist. Laut EU-Vertrag "soll der Haushaltsplan der Union (...) in seiner Gesamtheit aus Eigenmitteln finanziert werden". Das derzeitige Finanzierungsmodell legt einen unverhältnismäßigen Schwerpunkt auf die Nettosalden zwischen den Mitgliedstaaten und widerspricht damit dem Grundsatz der Solidarität der EU, verwässert das gemeinsame europäische Interesse und verkennt weitgehend die Vorteile einer Finanzierung bestimmter Politbereiche auf EU-Ebene.

Ein System echter Eigenmittel wäre "fairerer, transparenter, einfacher und gerechter", meinen die Abgeordneten, weisen zugleich aber darauf hin, dass die Reform weder den Umfang des Haushalts beeinflusst noch die Steuerbelastung insgesamt für die Bürger erhöht. Sie fordern zudem "das Auslaufen der bestehenden Rückzahlungen, Ausnahmen und Korrekturmechanismus", die sich im derzeitigen System angesammelt haben.

Flexibilität
Ein Problem der derzeitigen Funktionsweise des MFR ist mangelnde Flexibilität, die den jeweiligen Jahreshaushalten zugestanden wird. Neuen oder unerwarteten Ereignissen kann damit nicht in entsprechendem Umfang Rechnung getragen werden. Die Abgeordneten sprechen sich daher für die Einrichtung einer globalen MFR-Gesamtmarge aus, um nicht genutzte Spielräume sowie freigegebene und nicht verwendete Mittel des Vorjahres nutzen zu können.

Nächste Schritte
Das Parlament ist die erste EU-Institution, die ihre Position in Bezug auf den nächsten langfristigen Haushalt festlegt. Am 29. Juni wird die Kommission zwei Vorschläge zum MFR und den Eigenmittel vorlegen. Dann werden die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten beginnen. Der laufende mehrjährige Finanzrahmen endet 2013.

 

 Schieder: Bekenntnis des EU-Parlaments klares Zeichen
Finanztransaktionssteuer umsetzen! Jetzt!
Wien (sk) - "Es ist ein weiteres positives und klares Zeichen, wie die Mehrheit in Europa - die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger und die Mehrheit der gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter - zur Finanztransaktionssteuer steht. Sie soll kommen", so SPÖ- Finanzstaatssekretär Andreas Schieder am 08.06. als Reaktion auf die Abstimmung im europäischen Parlament, in der eine Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa gefordert wird. "Die Gründe für eine solche Steuer sind hinlänglich bekannt und die Zustimmung ist wieder einmal unterstrichen. Es wäre nun höchst an der Zeit, dass jene Kräfte in Europa, die sich bisher gegen diese Steuer wehren, ihren Widerstand aufgeben und grünes Licht für die Finanztransaktionssteuer geben."

Die Finanztransaktionssteuer sei nicht nur als eine richtige Antwort auf die Krise notwendig, sondern auch, um eine nachhaltige, vernünftige Finanzierung der Europäischen Union auf zusätzliche Beine zu stellen. "Eine europäische Steuer, die europäische Projekte und europäische Politik im Sinne und Interesse der Menschen Europas finanzieren kann, ist nicht nur aus finanzpolitischer Sicht der absolut richtige Weg, sondern würde dem europäischen Projekt und dem europäischen Gedanken massive Unterstützung zukommen lassen." Wenn hier weiterhin Widerstände eine solche Einführung verhindern, dann müsse es eine Alternative sein, in einer "Koalition der Willigen" eine Einführung in jenen Ländern, die dazu bereit sind, zu ermöglichen, so Schieder. "Die österreichische Bundesregierung und Bundeskanzler Werner Faymann haben sich bisher intensiv für eine Finanztransaktionssteuer eingesetzt und wir werden das - unterstützt auch durch diesen Beschluss - weiterhin tun."

 

Karas: Ohne Geld keine Musi
Europäisierung schafft Einsparungspotentiale für Österreich
Straßburg (övp-pd) - "Die Diskussion um das EU-Budget wurde bisher von der falschen Seite angepackt. Die Frage ist nicht, wie hoch darf der Mitgliedsbeitrag sein, sondern welche Aufgaben muss und soll die EU erfüllen können und wie werden diese finanziert", sagt EVP-Vizepräsident Othmar Karas anlässlich der Debatte im EU-Parlaments über den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der EU. "Ein Einfrieren des EU-Budgets ist keine Lösung, sondern unverantwortlich. Das EU-Budget ist ein Investitionsbudget für mehr Wachstum und Beschäftigung und keine Bürde in der staatlichen Bilanz."

Europa verliert an Boden im globalen Wettbewerb: China und die USA haben momentan ein höheres Wirtschaftswachstum. "Es geht um die Rolle Europas in der Welt. Wir müssen Schwerpunkte setzen und es mit den Herausforderungen, die uns die Globalisierung sowie die Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Schuldenkrise gesetzt haben, aufnehmen. Investitionen in Forschung und Entwicklung, Bildung und Jugend sind nicht nur Wirtschaftsmotor, sondern auch Mittel zur Senkung der Arbeitslosenquote und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit", unterstreicht Karas.

Dass die Mitgliedstaaten ihren Mitgliedsbeitrag nicht als Investition sehen, stößt bei Karas auf Unverständnis. "Die nationalen Budgets sind in den letzten Jahren stärker gestiegen als das EU-Budget, während immer mehr Aufgaben von der nationalen Ebene auf die Gemeinschaftsebene verlagert wurden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben gemeinsam Verpflichtungen übernommen und strategische Ziele gesetzt, die nun finanziert werden müssen", so Karas. Ein Lösungsansatz sind eigene Einnahmen für die EU, wie beispielsweise aus der Finanztransaktionssteuer. "Damit kommen wir auch weg von der 'Nettozahlerdebatte', die momentan nur Egoismen schürt und irreführend ist, weil 95 Prozent des EU-Budgets ohnehin in die Mitgliedstaaten zurückfließen", unterstreicht Karas.

Die Vergemeinschaftung einzelner Politikbereiche bietet auch größere Einsparpotentiale - in Zeiten von Wirtschaftskrise und wachsenden Staatsschulden unumgänglich. "Wir müssen Doppelgleisigkeiten vermeiden und mit einer stärkeren Stimme im globalen Wettbewerb auftreten. Dazu sind jedoch eingehende Struktur- und Verwaltungsreformen notwendig. Alle Länder sind gefordert diese nun aktiv anzupacken", so Karas abschließend.

 

 Lunacek: Europaparlament unterstützt Einführung der Finanztransaktionssteuer - in der EU und weltweit
Grüne: Kein Einfrieren und keine Kürzung des EU-Haushaltes für die Zeit nach 2013
Straßburg (grüne) - "Das Europaparlament hat heute für ein zukunftsorientiertes europäisches Budget gestimmt", kommentiert Ulrike Lunacek, Europasprecherin der Grünen, die Annahme des Berichts über den EU-Haushaltsrahmen nach 2013. Besonders wichtig ist Lunacek dabei, dass sich das Europäische Parlament dabei auch klar für die Einführung eines echten und wirksamen Eigenmittel-Systems zur Finanzierung der EU-Haushalte ausgesprochen hat: "Wir Grüne haben lange auf die Einführung eines solchen Eigenmittel-Systems gedrängt und begrüßen, dass das Parlament nun dieses Anliegen unterstützt. Die für uns entscheidende Forderung nach der Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung dieses neuen Eigenmittelsystems ist trotz der gespaltenen Haltung der Europäischen Volkspartei in dieser Frage ebenfalls vom Europaparlament angenommen worden. Damit wird die EU auf die Erhebung einer Finanztransaktionssteuer innerhalb ihrer Grenzen gedrängt und zum Einsatz für eine derartige Steuer weltweit verpflichtet."

Lunacek: "Das ist ein wichtiger Meilenstein, damit es endlich zur Umsetzung der Finanztransaktionssteuer in Europa und in der Welt kommt. Ein wesentlicher Beitrag des Finanzsektors zu den Kosten der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Krise ist längst überfällig. Außerdem würde die Finanztransaktionssteuer zu einer Kürzung der Beiträge aus den Mitgliedstaaten ins EU-Budget beitragen. Das würde die leidige Debatte über die nationalen Beiträge zum EU-Budget beenden."

"Der EU-Haushalt kann erheblichen Mehrwert schaffen, indem er Ressourcen bündelt, als Katalysator wirkt, Kosten spart und positive Anreize für die gesamte Wirtschaft im Sinne des Grünen New Deal schafft", ist Lunacek überzeugt: "Wir brauchen gewaltige Investitionen in die Infrastruktur, um die Klima- und Energieziele der EU zu erreichen. Wir brauchen mehr Geld für die Wissensgesellschaft, für Forschung und Entwicklung, für Innovation und Bildung. Ein Einfrieren oder gar eine Kürzung des EU-Haushaltes für die Zeit nach 2013 steht nach dem heutigen Votum des Europaparlaments jedenfalls außer Frage - und das ist gut so!"
     

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