Strengere Regeln für Ratingagenturen   

erstellt am
08. 06. 11

EU-Parlament: Ratings zivilrechtlich verantwortlich gemacht werden
Brüssel (europarl) - Das Europaparlament hat am 08.06. gefordert, dass Ratingagenturen für ihre Ratings zivilrechtlich verantwortlich gemacht werden und dass eine Europäische Rating-Stiftung geschaffen wird. Besondere Aufmerksamkeit soll der Bewertung von Staatsschulden gelten und die neuen Regeln für Ratingagenturen sollen auch deren Arbeitsmethoden klären, den Wettbewerb fördern und die Abhängigkeit von Ratings verringern.

Die von Wolf Klinz (FDP, Deutschland) verfasste nicht-legislative Entschließung wurde per Handzeichen angenommen, einige Wochen bevor die Kommission voraussichtlich Gesetzesvorschläge zur besseren Regulierung von Ratingagenturen vorlegen wird.

Bewertung von Staatsschulden
Die Abgeordneten fordern in der Entschließung, dass die Art und Weise, wie Ratingagenturen zur Bewertung von Staatsschulden gelangen, transparenter wird. Sie sollen eindeutige Kriterien zur Leistungsbewertung eines Landes zugrunde legen müssen. Der Sektor wird aufgefordert, zu erläutern, welche Verfahren und Beurteilungen herangezogen werden, um die Ratings von Staatsschulden auszutarieren und Abweichungen von entsprechenden modellbezogenen Ratings und von Prognosen der wichtigsten internationalen Finanzinstitutionen zu erklären. Auch sollen die Auswirkungen von Ratings auf CDS-Spreads besonders berücksichtigt werden. Ursprünglich hatten die S&D- und die VGL/NGL-Fraktionen gefordert, dass die Möglichkeit privater Ratingagenturen, die Staatsschulden zu bewerten, signifikant verringert werden sollte.

Europäische Rating-Stiftung
Uneinigkeit bestand auch darüber, was für eine Struktur vorgeschlagen werden sollte, um ein europäisches Gegengewicht zu den drei größten Ratingagenturen zu schaffen, die als zu dominant auf der europäischen Bühne angesehen werden. Die Kommission wird aufgefordert, eine ausführliche Folgenabschätzung und eine Durchführbarkeitsstudie in Hinblick auf die Kosten, Vorteile und möglichen Leitungsstrukturen einer völlig unabhängigen Europäischen Rating-Stiftung vorzunehmen. Für höchstens fünf Jahre soll es eine Anlauffinanzierung geben. Das linke Spektrum der Abgeordneten hätte eine öffentliche Ratingagentur bevorzugt, ohne Details über die Finanzierung nach der Start-up-Periode.

Verringerung der Abhängigkeit
Die Resolution nennt eine Reihe von Maßnahmen, um die derzeitige Abhängigkeit von einigen wenigen Quellen für Ratings zu reduzieren. Dazu gehören die Erhöhung der Inanspruchnahme von internen Rankings, insbesondere durch große Finanzinstitute mit der Fähigkeit zur Durchführung ihrer eigenen Risikobewertungen sowie die Ankurbelung des Wettbewerbs. Marktteilnehmer sollten nicht in strukturierte oder andere Produkte investieren, wenn sie nicht die zugrunde liegenden Kreditrisiken selbst bewerten können, oder sie sollten alternativ dazu die höchste Risikogewichtung anwenden.

Um den Wettbewerb zu stärken, fordert die Entschließung die Kommission auf, Möglichkeiten für die Einrichtung eines Netzwerks europäischer Ratingagenturen zu bewerten, wodurch kleinere Agenturen mit den "großen drei" konkurrieren könnten. Dies dürfe jedoch nicht zu einem "Rating-Shopping" und niedrigeren Standards führen.

Haftung und Transparenz
Die Entschließung befasst sich auch mit Möglichkeiten, Ratingagenturen für ihre Beratung zur Rechenschaft zu ziehen. Die Kommission sollte ermitteln, wie eine zivilrechtliche Haftung der Ratingagenturen im Zivilrecht der Mitgliedstaaten verankert werden könnte.

Die Abgeordneten schlagen auch vor, dass jede registrierte Ratingagentur eine jährliche Überprüfung ihrer durchgeführten Ratings vornehmen und diese Information in einen Rechenschaftsbericht an die Aufsichtsbehörde aufnehmen sollte. Die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde sollte die Rechenschaftsberichte regelmäßig stichprobenartig überprüfen, um einen hohen Qualitätsstandard der Ratings sicherzustellen.

Die Kommission sollte in Erwägung ziehen, ob unter gewissen Umständen die Durchführung von zwei obligatorischen Ratings etwa für strukturierte Finanzinstrumente und sämtliche für Regulierungszwecke eingesetzte externe Kreditratings angemessen ist. Sie sollte eine entsprechende Folgenabschätzung vorlegen.

 

 Regner: EU-Parlament will mehr Kontrolle für Ratingagenturen
Ratingagenturen müssen zur Verantwortung gezogen werden können
Wien (sk) - "Ratingagenturen haben maßgeblich zur Verschärfung der Wirtschaftskrise beigetragen. Nicht nachvollziehbare Ratings haben dazu geführt, dass die Anleger in Panik gerieten und sich die Situation für einzelne Staaten verschlechtert hat", so die SPÖ-EU- Abgeordnete Evelyn Regner am 08.06. nach der gestrigen Abstimmung zum Initiativbericht über die Zukunftsperspektiven der Ratingagenturen. "Die Kommission hat zwar auf die Kritik an den Ratingagenturen reagiert, jedoch ist die Verordnung von 2009 nicht ausreichend, um vor allem die großen Unternehmen wie Moody's, Standard & Poor's und Fitch Ratings in die Schranken zu weisen", unterstreicht Regner. Es sei also an der Zeit, die Verordnung zu überarbeiten und die Regulierungslücken zu schließen.

Der Bericht des EU-Parlaments umfasst unter anderem die Forderung nach einer Verringerung der Wettbewerbsverzerrung durch die gängige Praxis, dass Agenturen Marktteilnehmer prüfen und gleichzeitig Aufträge von ihnen erhalten. Des Weiteren soll die EU-Aufsichtsbehörde, die ESMA (European Securities and Markets Authority), mehr Kapazitäten und Befugnisse erhalten, beispielsweise soll sie unangekündigte Kontrollen vor Ort durchführen dürfen, und es soll eine Europäische Ratingstiftung gegründet werden. "Gerade beim letzten Punkt wäre mehr Mut von den EU-Parlamentariern angebracht gewesen. Wäre es nach dem Willen der Sozialdemokraten gegangen, dann hätte man eine öffentliche EU-Ratingagentur eingefordert", unterstreicht Regner, die in diesem Zusammenhang auch kritisiert, dass im Bericht keine genaue Definition der Aufgaben der gewünschten Ratingstiftung gegeben wird.

Positiv hervorzuheben sei, so Regner, dass der Kommission der Auftrag erteilt wird, zu überprüfen, wie eine zivilrechtliche Haftung im neuen Regelwerk verankert werden könne. "Ratingagenturen müssen bei fahrlässigem Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden können. Es bleibt zu hoffen, dass die Kommission hier den Wünschen der Europaparlamentarier Folge leistet und wirksame Maßnahmen beschließt, die dazu beitragen, dass Ratings in Zukunft nicht mehr dazu dienen, um von Investoren gewünschte Markteffekte zu erzielen", bemerkt Regner, die die Stellungnahme für den Rechtsausschuss verfasst hat.

 

Karas will Macht der amerikanischen Ratingagenturen brechen
EU-Kommission wird im Herbst umfassende Maßnahmen bei Ratingagenturen vorschlagen
Straßburg (övp-pd) - "Es kann nicht sein, dass die Kreditwürdigkeit von europäischen Staaten und Firmen de facto ausschließlich von drei amerikanischen privaten Ratingagenturen bestimmt wird. Dieses Monopol muss gebrochen werden", fordert der Vizepräsident der EVP-Fraktion Othmar Karas anlässlich der Abstimmung des EU-Parlaments zur Zukunft der Ratingagenturen. Die größten Probleme seien die Intransparenz der Bewertungsmethoden und der Interessenskonflikt der Agenturen, die sowohl beraten als auch bewerten. "Dass Finanzmarktakteure, die eine so zentrale Funktion haben, niemandem außer der eigenen Bilanz gegenüber rechenschaftspflichtig sind und 40 Prozent des Umsatzes als Gewinn erwirtschaften, ist hochgradig problematisch", so Karas. Die aktuelle Krise habe gezeigt, dass Interessenskonflikte nicht ausgeschlossen seien.

Die EU-Kommission hat angekündigt, im Herbst einen Gesetzesvorschlag zur Regulierung von Ratingagenturen zu machen. Mit der heutigen Abstimmung legt das Parlament seine Grundsatzposition dazu fest und beauftragt die Kommission, die Einrichtung einer "unabhängigen europäischen Ratingstiftung" zu prüfen. Dabei sollen sowohl private als auch öffentliche Start- Finanzierungsmodelle geprüft werden. Für Karas steht aber fest, dass die öffentliche Hand keine Ratingagenturen betreiben soll.

"Jede registrierte Ratingagentur soll jährlich die eigenen durchgeführten Ratings auf ihre Aussagekräftigkeit überprüfen und den Aufsichtsbehörden einen Rechenschaftsbericht vorlegen", fordert Othmar Karas. Die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA solle stichprobenartig die Qualität der Ratings überprüfen. Auch die Haftung für falsche Ratings innerhalb eines kurzen Zeitraums muss geklärt werden. Karas warnt jedoch davor zu glauben, dass mehr Ratingagenturen mit Sitz in der EU automatisch bessere Ratings bedeuten.
     

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