Bundeskanzler Werner Faymann in der ORF-"Pressestunde"  

erstellt am
27. 06. 11

Faymann zu Griechenlandhilfe: Sind darauf angewiesen, dass Währung stabil ist
"Wir sind Risiko eingegangen, abgeschrieben wurde aber noch nichts." - Faymann unterstreicht Bedeutung des Euro für Österreichs Wirtschaft
Wien (sk) - "Bis jetzt ist für uns durch die Griechenlandhilfe noch kein Verlust eingetreten", sagte Bundeskanzler Werner Faymann am 26.04. in der ORF-"Pressestunde". Er betonte aber, dass es wichtig sei, auch der Bevölkerung in Österreich zu sagen, dass ein Risiko bestehe: "Das soll man auch nicht schönfärben", so der Kanzler. Zur Ehrlichkeit mahnte er aber auch all jene, die bereits jetzt behaupten, es gäbe Verluste für Österreich. "Alle, die jetzt schon wissen, es wird Milliarden kosten, sind Scharlatane", sagte Faymann. Weiters betonte der Kanzler die Bedeutung der Gemeinschaftswährung für die österreichische Wirtschaft.

"Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Exporte funktionieren und unsere Währung stabil ist", sagte Faymann. Um dies zu gewährleisten brauche es auch Stabilität in den anderen EU-Mitgliedstaaten. Hilfe für Griechenland liege deswegen im Interesse Österreichs. Ob Griechenland demnächst nochmalige, durch die EU-Partner erhalte, werde gegebenenfalls an strenge Auflagen geknüpft. "Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass sich die Griechen an die auferlegten Bedingungen halten müssen", sagte Faymann. Hierzu zählen neben strikten Sparmaßnahmen auch Verkäufe von Staatseigentum sowie Maßnahmen für mehr Steuermoral und gegen Schattenwirtschaft und Korruption.

Eine herbeigeführte Insolvenz Griechenlands als "Plan B" zum jetzigen Hilfs- und Sanierungskurs wäre für ganz Europa ein Nachteil: "Eine Insolvenz hätte unangenehme Folgen, auch für Österreich. Das wünscht man sich nicht, das redet man nicht herbei", so Faymann. Es gelte dabei auch an die Auswirkungen für die griechische Bevölkerung zu denken, die an den Entwicklungen in Griechenland größtenteils unschuldig ist. "In Griechenland wohnen nicht nur Banker, Spekulanten und Superreiche." Man müsse die Folgen für die Menschen bedenken: "Dann kann das Personal in Schulen und Krankenhäusern nicht mehr bezahlt werden", sagte der Kanzler.

Mittelfristig gehe es darum, Griechenland strukturell zu erneuern - neue Hilfen sollten auch unter der Beteiligung Privater erfolgen. "Das hat aber nur dann Sinn, wenn die Griechen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und etwas gegen Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung unternehmen", sagte Faymann.

Trotz der derzeitigen Turbulenzen rund um den Euro und Griechenland dürfe man nicht vergessen, dass die Österreicherinnen und Österreicher vom Euro insgesamt deutlich profitiert haben. Hierfür verantwortlich sei vor allem die wirtschaftliche Sicherheit, die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt und die stabile Kaufkraft. "Wir haben vom Euro profitiert und wollen ihn deshalb stabil haben, weil wir auch in Zukunft profitieren wollen", sagte Faymann. Am Export in die Eurozone alleine hängen in Österreich eine halbe Million Arbeitsplätze.

Österreich ist Modellregion in Europa
Mit seiner hervorragenden Wettbewerbsfähigkeit bei starker Kaufkraft und sozialem Ausgleich sei Österreich eine "Modellregion in Europa". "Wir müssen uns mehr für soziale Gerechtigkeit stark machen, sonst geht der Punkt, der Österreich zu einer Modellregion macht, verloren", so Faymann. Er sei daher ein "überzeugter, aber nicht unkritischer Europäer". Wesentliche Fragen der Zukunft würden nicht im eigenen Land, sondern gemeinsam in Europa entschieden, daher sei es wichtig, sich auf europäischer Ebene für und gegen etwas zu engagieren.

Zur Frage der Staatsverschuldung sagte der Bundeskanzler: "Wenn Schulden, auch die zukünftigen, so aufgebaut sind, dass man in Bildung, Infrastruktur und Forschung investiert, dann ist das zukunftsorientiert", sagte Faymann. Wenn man allerdings Schulden mache, weil etwa Doppelgleisigkeiten in der Bürokratie nicht abgeschafft würden, dann bereite ihm das Sorgen. "Unser Land ist nicht nur neutral, sondern auch unabhängig. Wir müssen diese Unabhängigkeit erhalten, indem wir unsere starke wirtschaftliche Position und unser Triple-A-Rating halten", so der Bundeskanzler.

Eine kommende Steuerreform müsse durch Wirtschaftswachstum finanziert werden, führte Faymann weiter aus. Angesichts der aktuellen guten Daten für Konjunktur und Arbeitsmarkt gehe er davon aus, dass "wir das verdienen". 2013 wäre ein guter Zeitpunkt für eine Steuerreform, bis dahin müsse man sich um das Wirtschaftswachstum kümmern. Im Rahmen einer Steuerreform sei es notwendig, über soziale Gerechtigkeit zu reden. "Wir müssen darüber reden, wie gerecht es zugeht, wen wir entlasten wollen, nämlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und wie man mit vermögensbezogenen Maßnahmen auch die richtigen trifft, nämlich die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung", sagte der Bundeskanzler.

Die gute Wirtschaftslage in Österreich sei gemeinsam durch die "fleißigen Unternehmerinnen und Unternehmer, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und mit den Rahmenbedingungen, die wir ihnen gegeben haben", zustande gekommen, sagte Faymann. Die Steuerreform 2008 mit drei Mrd. Euro habe die Kaufkraft gestärkt und mit Konjunkturpaketen, Investitionen, Ausbildungsgarantie und Hilfe durch Kurzarbeit habe man in der Krise gegen gehalten, so Faymann. "Das alles ist die richtige Politik, auf die ich stolz bin. Da darf man nicht nachlassen, aber auch dort einsparen, wo man einsparen muss."

Die Bundesregierung werde weiterhin in den wesentlichen Bereichen wie Bildung, Forschung, Abbau von Bürokratie, Transparenz und Korruptionsbekämpfung geschlossen vorgehen. "Wir haben 90 Punkte mit einem konkreten Zeitplan vorgestellt, das ist in Summe ein großer Wurf. Unsere Aufgabe ist es, mit der Summe dieser Maßnahmen so stark zu sein, dass wir weiterhin Modellregion in Europa bleiben", sagte Faymann. Bei 90 Prozent der Aufgaben sei man sich in der Regierung einig. In verschiedenen Bereichen, wie etwa der Wehrpflicht, müsse es einer Partei erlaubt sein, die Gesellschaft von morgen anders zu sehen. Der Bundeskanzler stellte klar, dass er für ein Profiheer sei, der Übergang dazu müsse aber gut vorbereitet sein. Es sei eine Möglichkeit, bei den nächsten Nationalratswahlen zeitgleich mit einer Volksabstimmung "eine Entscheidung herbeizuführen", sollte es vorher nicht gelingen, den Koalitionspartner zu überzeugen.

Zur Bildungspolitik sagte der Bundeskanzler, dass diese nicht nur aus einer Notendebatte bestehen dürfe, sondern es darum gehe, das Gesamte zu diskutieren, wie Schülerinnen und Schüler leistungsfähig gemacht und ideal vorbereitet werden. Die Frage der modularen Oberstufe werde in der jetzt laufenden Begutachtungsphase weiter diskutiert werden. Er sei überzeugt, dass man zu eine sachlich richtigen Lösung kommen werde. Wichtig sei unter anderem, dass dadurch für Eltern hohe Kosten für Nachhilfelehrer reduziert werden könnten.

Faymann sagte, dass er sich als jemand verstehe, der sich ganz besonders der Frage der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühle. "Ich finde eine schönere Vision, als die, dass jedes Kind durch eine gute Schule die gleichen Chancen hat, ganz gleich wo es geboren worden ist, dass jeder, der arbeiten gehen möchte, auch eine Arbeit findet, dass jeder respektvoll behandelt wird - eine schönere Vision gibt es nicht."

 

Strache: Mehr als drei "Nicht Genügend" für den Kanzler
Wen Faymann von einem "mittelfristigen Szenario" für Griechenland spreche, bereite er die Österreicher auf weitere Zahlungen vor.
Wien (fpd) - "Genauso farblos wie sein schwarz-weiß Outfit waren auch die Aussagen des Bundeskanzlers in der heutigen ORF-,Pressestunde‘", sagte der freiheitliche Bundesparteiobmann HC Strache, der Faymann mehr als drei "Nicht Genügend" für dessen Regierungsarbeit gibt. Gleich einen "Römischen Fünfer" verdiene der Kanzler für seine Griechenlandpolitik, denn er sage der Bevölkerung bewusst nicht die Wahrheit, so Strache, der Faymann aufforderte nicht wie in einem Wunschkonzert ausschließlich die positiven Möglichkeiten zu verkünden, sondern die weitaus realistischere Variante eines Scheiterns der Griechenlandhilfe in Erwägung zu ziehen. "Faymann soll die Leute nicht anschwindeln, sondern den offenbar vorhandenen Plan B ehrlich auf den Tisch legen", so Strache.

Wen Faymann von einem "mittelfristigen Szenario" für Griechenland spreche, bereite er die Österreicher auf weitere Zahlungen vor, warnte Strache, der in der aktuellen Griechenlandpolitik der österreichischen Bundesregierung keinen eigenen Weg erkennen kann. "Faymann agiert wie ein Ministrant der EU-Sekte, der bei jedem Klingeln den Geldbeutel zückt", so Strache.

Ein weiteres "Nicht Genügend" erhalte Faymann für seine Haltung zur von ihm selbst via Leserbrief angekündigten Volksabstimmung zu EU-bedingten Verfassungsänderungen, von der er nun nichts mehr wissen wolle. Die "Hätti-Wari"-Ausrede, sei sehr schwach und verdiene ein "Nicht Genügend" in Betragen der österreichischen Bevölkerung gegenüber, die nun wisse, dass das Wort des Kanzlers nichts wert sei, so Strache.

Ebenfalls mit einem "Pinsch" bewertete Strache die Aussagen Faymanns zur sogenannten Reichensteuer, die ausschließlich den Mittelstand treffen werde. "Die wirklich Reichen haben ihr Geld längst so geparkt, dass sie davon nicht betroffen sind. Leidtragende werden die kleinen Häuselbauer und Wohnungsbesitzer sein", warnte Strache vor der sozialistischen Umverteilungspolitik.

Jeweils noch einen "Fünfer" verdiene Faymann für den Reformstillstand auf allen Linien, für die Abschaffung der Wehrpflicht, die die Pflegeversorgung der Österreicher ins Chaos stürzen werde und nicht zuletzt auch für die Schulreform, die die völlige Schnapsidee eines Aufsteigens mit drei "Nicht Genügend" als Reform darstellen wolle, so Strache.

"Dazu passt die beharrliche Weigerung des Kanzlers eine Koalition mit der FPÖ in Erwägung zu ziehen, denn dann wäre Schluss mit dem Reformstau und Faymann müsste endlich für die Österreicher arbeiten", schloss Strache.

 

Bucher: Faymann widerspricht Fekter bei Rückzahlung von Griechenland-Hilfe
Bundeskanzler kann Rückzahlung der Milliarden nicht versprechen - BZÖ-Chef: Österreicher haben "Genug gezahlt!"
Wien (bzö) - "Während ÖVP-Finanzministerin Fekter ständig garantiert, dass das nach Griechenland überwiesene Geld inklusive Zinsen wieder zurückfließt, widerspricht SPÖ-Bundeskanzler Faymann dieser Darstellung. Faymann konnte heute nicht versprechen, dass die Milliarden Steuergeld, die nach Griechenland überwiesen wurden, jemals zurückgezahlt werden. Warum will er dann weitere Milliardenzahlungen in ein Fass ohne Boden? Es ist abstrus, dass ein Regierungschef den Österreichern erklärt, dass ihr Geld möglicherweise verloren ist, aber sie noch mehr für finanzmarode Länder und Banken zahlen sollen", so BZÖ-Bündnisobmann Josef Bucher in einer Reaktion auf die Aussagen des Bundeskanzlers in der ORF-"Pressestunde".

Bucher fordert von Faymann und Fekter endlich Klarheit sowie einen sofortigen Zahlungsstopp. "Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht darauf zu wissen, was mit ihrem Geld passiert. Mit dieser Verwirrungstaktik muss endlich Schluss sein. Die Bürger haben für die Pleiteländer und die Banken "Genug gezahlt!", betont der BZÖ-Chef.

"Faymann hat heute auch einmal mehr bewiesen, dass die rot-schwarze Bundesregierung nur den Stillstand verwaltet. In den Kernbereichen Steuern, Bildung und Wehrpflicht geht überhaupt nichts weiter. Die verheerende Schuldenpolitik wird weiter fortgesetzt. Seine Forderung nach Reformen und Verwaltung und Bürokratie sind reine Lippenbekenntnisse. Seit Jahren haben SPÖ und ÖVP alle Reformvorschläge von Rechnungshof und Opposition ignoriert", so Bucher.

 

 Glawischnig: Griechenland nicht schönreden
Kanzler bleibt Konkretes im Anti-Atomkampf schuldig
Wien (grüne) - "Faymann verschließt die Augen vor der Realität, wenn er die budgetäre Situation Griechenlands schönredet. Das Land ist nicht bloß illiquid, es ist teilinsolvent", kritisiert Grünen-Chefin Eva Glawischnig die Aussagen des Bundeskanzlers in der ORF-"Pressestunde". Daher führe an einem Schuldennachlass nichts vorbei, um die griechische Volkswirtschaft wieder auf tragfähige Basis zu bringen. "Nur so müssen und können Banken, die bisher von den fetten Zinsen profitiert haben, auch an der Last beteiligt werden." Zudem mahnt die Grüne Klubobfrau einen Investitionsplan für das angeschlagene Land ein, um es in den nächsten fünf bis zehn Jahren wieder wettbewerbsfähig zu machen. Glawischnig: "Für Griechenland wäre eine Investitionsoffensive in Erneuerbare Energien ein guter und zukunftsweisender Weg aus der Krise." Faymann bleibt für die Grüne "Ankündigungskanzler", fehlten doch nach wie vor konkrete Anstrengungen seinerseits in Europa, um neue Spielregeln für die Finanzmärkte festzulegen.

Verwundert ist Glawischnig darüber, dass der SPÖ-Chef wenig zum dringend notwendigen Atomausstieg Europas hören ließ. "Nächste Woche findet bereits der Atomgipfel statt, aber rechtliche Schritte also Klagen gegen die schrottreifen AKW nahe Österreichs vermisse ich noch immer."
     

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