Neues Tieftemperaturlabor soll "QuantumPuzzle" lösen helfen   

erstellt am
22. 06. 11

Wien (tu) - Tiefste Temperaturen spielen in der quantenphysikalischen Forschung von Prof. Silke Bühler-Paschen eine große Rolle. Durch einen ERC-Grant ist es nun gelungen, das „Vienna Microkelvin Laboratory“ an der Technischen Universität (TU) Wien einzurichten. Offiziell eröffnet wurde das neue Labor bei einem ERC-Symposium am 22.06.

Bis knapp an den absoluten Temperatur-Nullpunkt von minus 273.15 Grad Celsius muss man gehen, um die quantenphysikalischen Phänomene untersuchen zu können, für die sich Prof. Silke Bühler-Paschen interessiert. Sie erforscht „Quantenphasenübergänge“ – abrupte Änderungen von Materialeigenschaften, die sich nahe am absoluten Nullpunkt ereignen. Ihr ERC-Grant „QuantumPuzzle“ ermöglichte ihr, neue Wege einzuschlagen und eine Mikrokelvin- Tieftemperaturanlage aufzubauen. Das neue Gerät (ein Mischkühler mit Kernentmagnetisierungsstufe) soll schon bald zu den weltweit besten seiner Art gehören. Im Rahmen eines ERC-Symposiums wird der Forschungsbereich am 22. Juni 2011 vorgestellt.

Ungelöste Probleme der Quantenphysik
Quantenphysik wird umso komplizierter, je mehr Teilchen an den Quanten-Prozessen beteiligt sind. Gerade Quantenphänomene in Festkörpern, in denen eine große Anzahl von Teilchen mitwirkt, halten daher noch offene Geheimnisse und große Überraschungen bereit. Zu den noch immer nicht völlig verstandenen Phänomenen gehört auch die Supraleitung – die Eigenschaft gewisser Materialien, unterhalb einer bestimmten Temperatur elektrischen Strom zu leiten, ohne dabei Energie zu verlieren – also ganz ohne elektrischen Widerstand. „Unser Forschungsgebiet ist sehr vielfältig“, meint Silke Bühler-Paschen. „Ganz unterschiedliche Aufgaben – von der Erzeugung der Materialproben über Kühltechnologie bis hin zu theoretischen Berechnungen – müssen gelöst werden.“

Hundert Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt
Schon in der Vergangenheit konnte Silke Bühler-Paschen mit ihrem Team aufsehenerregende Forschungsergebnisse präsentieren. Mit der bisher verwendeten Kühlanlage waren immerhin Temperaturen von zehn bis zwanzig Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt möglich – kalt genug, um exotische Eigenschaften an Quanten-Phasenübergängen verschiedener Materialien aufzuspüren. Im neuen Mikrokelvin-Labor sollen nun Temperaturen in der Größenordnung von hundert Millionstel Grad Kelvin möglich sein – also hundertmal kälter als bisher. Damit hofft man, den bisherigen Beobachtungen wirklich auf den Grund gehen zu können. Um das zu erreichen, war eine Reihe technischer Tricks nötig. So musste etwa ein eigenes Dämpfungssystem installiert werden, um minimale Schwingungen des Gebäudes auszugleichen. Das für Menschen unmerkliche Schwingen der Wände und des Fußbodens würde Energie auf das Gerät übertragen und es damit erwärmen.

Rekordverdächtig

„Bei Experimenten zu Quanten-Phasenübergängen zu solch niedrigen Temperaturen zu gehen ist eine Weltneuheit – damit sind wir international ganz vorne mit dabei“, freut sich Silke Bühler-Paschen. Ein echter Tieftemperatur-Weltrekord ist es nicht – sogenannte Bose-Einstein-Kondensate, wie sie etwa am Atominstitut der TU Wien erzeugt werden, sind noch kälter – allerdings werden dort nur verhältnismäßig wenige Atome abgekühlt. In Bühler-Paschens Labor hingegen werden massive Festkörper (ganze sechs Kilogramm Kupfer) auf die unvorstellbar tiefen Temperaturen im Millikelvin-Bereich gebracht. Die Wärmemenge, die entzogen werden muss, ist damit unvergleichlich viel größer.

Für Silke Bühler-Paschen ist das neue Mikrokelvin-Labor ein bedeutender Schritt nach vorne. „Um die Materialien von morgen zu verstehen, brauchen wir quantenphysikalische Forschung“, betont sie. Das Mikrokelvin-Labor wird wichtige Puzzle-Teile liefern, um das „QuantumPuzzle“ der Tieftemperatur-Festkörperphysik lösen zu können.
     
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