VfGH: Studienbeiträge: Regelungen verfassungswidrig  

erstellt am
07. 07. 11

Bestimmungen zu Studienbeiträgen aufgehoben
Wien (vfgh) - Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die Regelungen zu den Studienbeiträgen und zur Befreiung davon verfassungswidrig sind. Das aufgehobene Gesetz regelt nicht präzise genug, wann Studienbeiträge zu bezahlen sind und wann nicht, weil dafür auf "Studienzeit pro Studienabschnitt" abgestellt wird. Nun gibt es aber nur mehr für (die auslaufenden) Diplomstudien Studienabschnitte. Für alle anderen Studien ist diese Gliederung nicht mehr vorgesehen. Daher bleibt unklar, wie nun die Studienzeit, die für die Befreiung von Studienbeiträgen maßgeblich ist, zu bestimmen ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat daher die gesetzlichen Bestimmungen über die Studienbeiträge sowie eine Verordnung des Bundesministers dazu als verfassungswidrig bzw. gesetzwidrig aufgehoben und eine Reparaturfrist bis zum 29. Februar 2012 eingeräumt.
Zahl der Entscheidung: G 10/11, V 6/11

 

Töchterle: Neue Regelung muss Flickwerk ersetzen
Derzeitige Regelung unpräzise und verfassungswidrig
Wien (bmwf) - "Der Verfassungsgerichtshof stellt die Einhebung von Studiengebühren nicht in Frage. Allerdings kritisiert er zu Recht die derzeit geltende, unpräzise Regelung. Eine neue Regelung muss das Flickwerk ersetzen", so Wissenschafts- und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs.

Die Regelungen für die Studiengebühren wurden 2001 eingeführt. Sie galten sowohl für Österreicher/innen, EU-Bürger/innen als auch Drittstaatsangehörige. Im September-Plenum 2008 wurden durch einen Beschluss von SPÖ, Grünen und FPÖ weitgehende Ausnahmen von dieser bestehenden Regelung eingeführt. Der Verfassungsgerichtshof sagt heute im Wesentlichen: Die Gesetzesbeschlüsse zum § 91 Universitätsgesetz (UG) sind zu unpräzise und daher in zentralen Punkten verfassungswidrig. Die Einhebung von Studiengebühren selbst wird vom VfGH nicht in Frage gestellt. Seitens des VfGH gibt es eine Frist zur Reparatur der gegenständlichen Regelungen bis 29.2.2012. Bis dahin bleibt die jetzige Regelung in Kraft.

Die Bestimmung des § 91 Abs 1 UG bzw. die damit in untrennbaren Zusammenhang stehenden Absätze betreffend Studiengebühren wurden - wie der VfGH feststellt - zu unbestimmt formuliert ("(...) wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als zwei Semester überschreiten (...)"). Die Regelung kennt nur den Begriff "Studienabschnitt": Das heutige Bologna-System hat aber keine Studienabschnitte mehr - daher ergibt sich, dass diese Gesetzesformulierung nicht verfassungskonform ist. (RZ 20 der VfGH Entscheidung: "Wenn der Gesetzgeber es für notwendig erachtet, diese Frage (Anm.: eine entspr. klare gesetzliche Grundlage) im Beihilfenrecht exakt zu regeln, ist es verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen, dass sie dort, wo es um die Studienbeitragspflicht geht, ungeregelt bleibt.")

"Damit zeigt sich, dass wir hier ein Flickwerk haben", so der Minister. "Dies sollte der Anlass sein, es nicht durch ein neues Flickwerk zu ersetzen, sondern wir sollten eine solide, neue und umfassende Regelung der Studiengebühren schaffen", plädiert Töchterle. "Es braucht eine zukunftsorientierte Regelung mit Hand und Fuß. So können wir Österreich weiterbringen und einen Schritt für unsere Universitäten schaffen."

 

Mailath warnt vor schleichender Einführung von Studiengebühren
Sinnvolle Justierungen - aber nicht auf Kosten der Studierenden
Wien (pid) - "Die Akademikerquote in Österreich liegt weit unter dem OECD-Schnitt. Im universitären Bereich sind Maßnahmen zu treffen wie die Wiedereinführung studentischer Mitbestimmung und finanzielle Unterstützung für Studierende, um den Wissensstandort Österreichs zu halten. Studiengebühren sind diesbezüglich kontraproduktiv und lösen auch nicht die Finanzmisere der Unis", so Wiens Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny zum Studienbeitragserkenntnis des VfGH.

"Durch das Bologna-System wird natürlich eine neue Regelung der Studienbeiträge nötig. Das ist unbestritten. In den Master- und Bachelorlehrgängen gibt es keine Studienabschnitte mehr wie bei den alten Diplom- und Dokotoratsstudien, auf die sich das Gesetz zur Befreiung von Studiengebühren beziehen könnte. Dennoch darf es hier nicht zu einer schleichenden Einführung der Studiengebühren kommen. Bis 2012 besteht genug Zeit um eine sinnvolle Lösung zu erarbeiten - hoffentlich auch unter Einbeziehung der neu gewählten ÖH", so Mailath abschließend.

 

Graf: Studiengebührenbefreiungen müssen transparent neu geregelt werden
ÖVP will offenbar weiterhin alle Studenten zur Kasse bitten
Wien (fpd) - "Die Befreiung einer bestimmten Gruppe von Studenten von den Studiengebühren war richtig und sinnvoll, muss allerdings den aktuellen Erfordernissen angepasst und weiterentwickelt werden", stellt der Obmann des parlamentarischen Wissenschaftsausschusses und FPÖ-Wissenschaftssprecher NAbg. Martin Graf zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs fest. "Tatsächlich ist die Regelung durch die weitgehende Umstellung auf das dreigliedrige Studium nach dem Bologna-Prinzip sehr intransparent geworden. Wir Freiheitlichen bekennen uns allerdings weiterhin dazu, dass Studenten mit guter Leistung, Berufstätige oder auch Studierende mit Kindern keine Gebühren zahlen müssen", hält Graf fest.

Wissenschaftsminister Töchterle sei nun aufgefordert, raschestmöglich eine transparente Lösung vorzulegen, die den vom VfGH erkannten Erfordernissen entspricht und in keinem Fall für die Studenten ungünstiger ausfallen dürfe als die jetzige. "Es besteht jedoch der Verdacht, dass die ÖVP das Erkenntnis nutzen will, um einen weiteren Schritt in Richtung Studiengebühren für alle zu setzen. Das scheint ja ein maßgeblicher, wenn nicht gar der einzige Grundpfeiler der schwarzen Uni-Politik zu sein", so Graf. Dass insbesondere die Durchführungsverordnung heute der Zeit nicht mehr entspreche und daher vom VfGH aufgehoben wurde, liege auch in der Verantwortung der ÖVP-Wissenschaftsminister seit Johannes Hahn: "Die Volkspartei hat sich von Anfang an gegen die gerechtfertigte Befreiung mancher Gruppen von den Studiengebühren gesträubt und daher durch Nicht-Handeln einen Zustand herbeigeführt, der nun nicht mehr gerecht administrierbar ist. Ich fordere die ÖVP auf, ihre Mentalreservation gegen die Studiengebührenbefreiung endlich aufzugeben."

 

Widmann fordert Wiedereinführung der Studiengebühren
Widmann warnt aufgrund der Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland im Herbst vor einem noch größeren Ansturm von deutschen Studenten auf die heimischen Unis.
Wien (bzö) - BZÖ-Wissenschaftssprecher Rainer Widmann fordert nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, wonach die rot-schwarzen Regelungen zu den Studienbeiträgen verfassungswidrig sind, die rasche Wiedereinführung der Studiengebühren. "Im Jahr 2008 haben SPÖ, FPÖ und Grüne völlig verantwortungslos die Studiengebühren abgeschafft. Die Folge daraus sind überfüllte Hörsäle, ein Run ausländischer Studenten auf die österreichischen Unis sowie eine chronische Unterfinanzierung der Universitäten. Jetzt zwingt der Verfassungsgerichtshof die rot-schwarze Koalition zum Handeln und diese Missstände zu beseitigen", zeigt sich Widmann erfreut.

Widmann warnt aufgrund der Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland im Herbst vor einem noch größeren Ansturm von deutschen Studenten auf die heimischen Unis. Er verlangt daher die sofortige Wiedereinführung der Studiengebühren in der Höhe von 500 Euro pro Semester mit dazugehörigen leistungsorientierten und sozial gestaffelten Studienbeihilfen sowie die sofortige Umsetzung des BZÖ-Uni-Bonus-Modells. "Wir wollen eine Einschreibgebühr von 5.000 Euro, wobei die Inländer diese Gebühr in Form eines Uni-Bonus ersetzt bekommen. Bei 28.000 ausländischen Studenten, erhalten die Universitäten so weitere 140 Millionen Euro", erklärt der BZÖ-Wissenschaftssprecher.

 

 Grünewald: Rasche Lösung unter Einbeziehung der Studierenden und Unis
Grüne warnen: Keine Studiengebühreneinführung durch Hintertür!
Wien (grüne) - Bei der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über Studiengebühren- zahlerInnen und -befreiten geht es hauptsächlich darum, dass frühere Diplomstudien bereits in das Bologna-System (Bachelor, Master, PhD) umgestellt wurden. Seither gibt es keine Studienabschnitte mehr, auf die sich die Befreiung von Studiengebühren bezogen hat. Dazu sagt Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen: "Dieses Erkenntnis ist für mich nachvollziehbar und bei gutem Willen kann leicht und rechtzeitig bis zum Februar 2012 eine verfassungskonforme Lösung gefunden werden. Dabei müssen Unis und Studiernde einbezogen werden."

Grünewald erinnert aber auch daran, dass die zu komplizierte und bürokratische Umsetzung des Gesetzes vielfach auch durch Verordnungen des Wissenschaftsministeriums mitverschuldet war.

 

Tumpel: Studiengebühren abschaffen
Entscheidung des Verfassungsgerichts: Studiengebühren müssen flächendeckend abgeschafft werden, es darf keine finanziellen Hürden geben
Wien (ak) - „Es darf keine finanziellen Hürden beim Studium geben. Ziel muss es vielmehr sein, dass Studiengebühren insgesamt abgeschafft werden“, sagt AK Präsident Herbert Tumpel angesichts der bekanntgegebenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. „Zur Behebung der Finanznöte der Unis und zum Ausbau des Fachhochschulsektors brauchen wir endlich einen längerfristigen Finanzierungplan.“ Außerdem verweist Tumpel auf die nach wie vor geringe Studierendenquote. Österreich braucht mehr AkademikerInnen, nicht weniger – das zeigt auch der Vergleich mit anderen OECD-Ländern. „Es wäre höchst an der Zeit, endlich den gesamtgesellschaftlichen Stellenwert von Bildung zu erkennen und Bildung auf allen Stufen zu fördern. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Studienbedingungen an den österreichischen Hochschulen endlich verbessert werden und das Stipendiensystem ausgebaut wird“, so Tumpel

 

uniko: Kompletter Wegfall ist für Unis nicht verkraftbar
Wien (uniko) - Zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, der die Regelungen zu den Studienbeiträgen als verfassungswidrig einstuft, hält die Österreichische Universitätenkonferenz (uniko) Folgendes fest: Ein gänzlicher Wegfall der Studienbeiträge, auch für Langzeitstudierende, würde für die österreichischen Universitäten einen weiteren finanziellen Aderlass bedeuten und ist in der derzeitigen angespannten Budgetsituation nicht verkraftbar. Der Präsident der uniko, Rektor Hans Sünkel, fordert daher den Gesetzgeber auf, rasch für eine verfassungskonforme Neuregelung der Studienbeiträge zu sorgen bzw. den Ersatz bei einem gänzlichen Entfall der Studienbeiträge sicherzustellen.

 

ÖH: Studiengebühren für alle abschaffen
VfGH-Entscheid bietet Möglichkeit mit Altlasten aufzuräumen
Wien (öh) - Die Österreichische HochschülerInnenschaft ist höchst erfreut über die Aufhebung der Studiengebühren durch den Verfassungsgerichtshof, denn entgegen der allgemeinen Darstellung müssen noch immer unzählige Studierende Gebühren zahlen. "Studiengebühren wirken klar sozial selektiv - mit Einführung der Studiengebühren haben 45.000 Studierende ihr Studium abgebrochen", so Angelika Gruber vom ÖH-Vorsitzteam.

"Jetzt ist die Chance gekommen um mit den Altlasten der ÖVP-FPÖ-Koalition endgültig aufzuräumen", sagt Janine Wulz vom Vorsitzteam. "Durch die katastrophale finanzielle Absicherung von Studierenden ist die Belastung auch ohne Studiengebühren immens hoch. 60% der Studierenden müssen im Schnitt 20 Stunden pro Woche arbeiten, um sich ein Studium überhaupt leisten zu können. Der Europa-Vergleich zeigt, dass nur in der Slowakei Studierende noch mehr arbeiten müssen", so Wulz weiter.

"Österreich hat noch immer zu wenige StudienanfängerInnen im Vergleich zum OECD-Schnitt. Um Studieren für mehr junge Menschen attraktiv zu machen, müssen die Studiengebühren für alle abgeschafft werden - auch für FH-Studierende", so Martin Schott vom Vorsitzteam abschließend.  
     
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