Ernteverlauf wirft Österreichs Prognosen wiederum über den Haufen   

erstellt am
22. 07. 11

Schwarzmeerländer unterbieten die EU und USA mit großen Ernten am Weltmarkt
Wien (aiz) - Der Verlauf der Getreideernte in Österreich scheint wieder einmal alle Prognosen über den Haufen zu werfen. Die Berichte über die an Winter- und Sommergerste, Raps und auch Weizen eingefahrenen Erträge und deren Qualität legen nahe, dass die von den Landwirtschaftskammern Ende Juni prognostizierte "mäßige bis durchschnittliche Ernte" von knapp 2,7 Mio. t Getreide (2010: 2,76 Mio. t, minus 2,2%) und "hervorragenden Weizenqualitäten" bei der Menge nach oben und speziell beim Proteingehalt des Weizens nach unten revidiert werden muss. Mitte der Woche stoppte Regen die Mähdrescher. Die Landwirte hoffen nun auf ein Schönwetterfenster und vor allem darauf, dass die Niederschläge nicht die Fallzahlwerte des Weizens in Mitleidenschaft ziehen. Nach wie vor haben sich am heimischen Kassamarkt abgesehen von Futtergerste und Raps noch keine Preise gebildet. Die internationalen Terminmärkte ringen derweil um Orientierung und können auch kaum Anhaltspunkte liefern. Dennoch hielten sich die Kurse an der Pariser Euronext die Woche über meist auf den für die Erntezeit immer noch respektablen Werten von knapp Euro 200,- pro t für den Weizenfutures, über Euro 200,- für den Mais- und über Euro 440,- pro t für den Rapsfutures jeweils zur Lieferung im November.

Druck auf die Warenterminbörsen in Paris und Chicago geht vor allem aber von den aggressiven Billigangeboten von Getreide am Weltmarkt aus den Schwarzmeerländern aus. Russland und die Ukraine setzen offenbar alles daran mit Diskontpreisen für Getreide ihre führenden Stellungen am Weltmarkt als Exporteure nach ihrem Ausfall in der Saison 2010/11 wieder zurückzuerobern. Um praktisch jeden Preis zu verkaufen, soll offensichtlich auch möglichst rasch Bares in die Kassen der unter Liquiditätsmangel leidenden Produzenten in diesen Ländern spülen.

Schwarzmeerländer unterbieten mit großen Ernten am Weltmarkt EU und USA
Russland und die Ukraine unterbieten am Weltmarkt, speziell im Nahen Osten, mit aggressiven Kalkulationen europäische und US-amerikanische Exporteure - beim Weizen zurzeit etwa um USD 40,- bis 50,- (Euro 28,13 bis 35,16) pro t - und steigen dick ins Geschäft ein. Russland hob zuletzt seine Ernteprognose auf 85 bis 90 Mio. t (2010: 61 Mio. t) und die für die Exporte von 15 Mio. t auf 18 Mio. t Getreide an und die Ukraine ihre Ernteerwartung von 45 Mio. t auf 47 Mio. t (2010: 39 Mio. t) an. Damit soll das Exportpotenzial von 20 auf 23 Mio. t anwachsen.

Ukraine vor Comeback auf weltgrößten Weizenzuschussmarkt Ägypten
Die ukrainischen Exporteure beklagen zwar, von einer Exportsteuer und der Streichung der Mehrwertsteuerrückvergütung benachteiligt zu werden, können sich aber Hoffnungen machen, wieder auf dem größten Weizenimportmarkt der Welt, nämlich Ägypten, mit jährlich rund 10 Mio. t Zuschussbedarf Fuß fassen zu können. Die staatliche ägyptische Getreideaufkaufsagentur GASC will nämlich die Ukraine bei künftigen Importausschreibungen wieder als Herkunft anerkennen, nachdem sie ihr Ende 2008 wegen Qualitätsproblemen die Zulassung entzogen hatte. Wenn auch die Ägypter weiterhin eher russischer Herkunft die Treue halten dürften, so wird die Einladung der Ukraine zu den Tendern als taktisches Manöver im Land am Nil gesehen, den Wettbewerb und darüber die Aggressivität der Preisgebote anzuheizen. Denn auch mangelnde Qualität russischen Weizens geriet in Ägypten 2009 schon in die Schlagzeilen. Auch die Russen wurden deshalb von der GASC erst kürzlich wieder als Lieferant akzeptiert. Es heißt, dass sich die staatliche ägyptische Getreideimportagentur durch die Wiederzulassung Russlands binnen Wochenfrist USD 4 Mio. (Euro 2,81 Mio.) gegenüber den Einkäufen bei ihren früheren Lieferanten wie Frankreich oder die USA erspart hätten.

Europäische Anbieter können zurzeit nur tatenlos zusehen
Die Europäer, speziell die Franzosen, können dem bei ihrem aktuellen Preisniveau zurzeit nur tatenlos zusehen. Sie können nur auf ihren Qualitätsvorteil setzen, dafür zahlt aber momentan niemand was. Russland bekam erst dieser Tage den Zuschlag für einen 180.000 t schweren Weizentender Ägyptens und eine Ausschreibung Jordaniens über 50.000 t soll zu Preisen von USD 293,- (Euro 206,19) pro t c&f (cost and freight) auch an einen der beiden Schwarzmeer-Exporteure Russland oder Ukraine gegangen sein, wobei europäische und US-amerikanische Exporteure mit ihren Angeboten allesamt deutlich über USD 300,- (Euro 210,94) gelegen seien. Zuvor schon deckte sich Jordanien mit 150.000 t russischem Weizen ein. Es wird auch spekuliert, dass Russland versucht über die Diskontpreise vorerst aus dem Exportstopp der Saison 2010/11 übrig gebliebene alterntige Weizenpartien an den Mann zu bekommen, ehe man die neue Ernte vermarktet. Nicht zuletzt steht Russland auch im Verdacht, mit Subventionen, etwa für den Transport, seinen Exportgeschäften nachzuhelfen.

EU ist zurzeit Nettoimporteur von Getreide
Die EU bleibt damit im drei Wochen jungen Wirtschaftsjahr 2011/12 Nettoimporteur von Getreide, obwohl auch unionsweit die Ernteberichte höhere Erträge signalisieren als lange Zeit in den Ertragsprognosen vorhergesagt. Laut EU-Kommission wurden in der abgelaufenen Woche bis 21.07.2011 Lizenzen für 236.000 t Weichweizenexport ausgegeben, womit sich der Export 2011/12 auf 595.000 t summiert (gleicher Zeitraum 2010/11: 670.000 t). Die gesamten Getreideexporte der EU legten in der letzten Woche um 430.000 t auf 942.000 t zu (2010/11: 1,14 Mio. t).

Gleichzeitig aber schnellten die Weizenimportzahlen der EU im Wochenabstand um 837.000 t auf 2,5 Mio. t (2010/11: 71.000 t) in die Höhe und die gesamten Getreideeinfuhren der Union im laufenden Wirtschaftsjahr auf 2,48 Mio. t nach nur 231.000 t im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Insbesondere die Schweinemastindustrie auf der iberischen Halbinsel saugt gierig billigen Futterweizen aus dem Schwarzmeerraum auf, nachdem man vorige Saison auf teuren europäischen Weizen angewiesen war.

Die USA meldeten für die abgelaufene Woche ebenfalls eher maue Exportzahlen von 344.400 t Weizen - um 34% weniger als in der Vorwoche - und 428.700 t Mais - ein Minus von 11% im Wochenabstand.

Die Schwäche des US-Dollars gegenüber dem Euro bremst die Wettbewerbsfähigkeit von Anbietern aus der EU zudem relativ gesehen auch noch gegenüber dem US-Mitbewerb. Auch sind 2011 die Transportkosten zur See dramatisch verfallen. Der Baltic Dry Index (BDI), die in London notierten Kassamarktpreise für die Seefrachtkosten von Schüttgut wie Getreide oder Erze, hat wegen eines Überangebots an Schiffsraum und der unsicheren Stimmung der Weltwirtschaft seit Jahresbeginn um 20% nachgegeben.

Überraschend hohe Erträge werfen Österreichs Ernteprognose über den Haufen
Definitiv müsse man die Ernteprognose für Österreich von 2,7 Mio. t Getreide beziehungsweise 4,7 Mio. t Mais nach oben revidieren, heißt es auf Anfrage von aiz.info von Experten sowohl in der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer als auch in der AMA. Von einer mäßigen bis durchschnittlichen Ernte könne nicht mehr gesprochen werden, es werden schon mehr als 5 Mio. t genannt. Der Regen im Juni habe die Kornfüllung über Erwarten begünstigt. Vor allem die Sommerungen hätten die Trockenheit im Frühjahr überraschend gut weggesteckt, sodass etwa bei der Sommergerste neben den Erträgen auch die Qualitätsparameter wie Siebung sehr gut seien. Auch Durum hat sich bestens gemausert.

Bei den Winterungen erbringt Weizen ebenfalls Erträge, die man nicht mehr erhofft hatte, und weist ein sehr gutes Hektolitergewicht auf. Fallzahlen und Proteinwerte sind allerdings schwächer als in Normaljahren. Noch bereitet der Regen keine Sorgen für die Fallzahlwerte, doch sollte es nicht mehr allzu lang nass bleiben. Nunmehr müsse man sich die inneren Werte des eingebrachten Weizens ansehen.

Mehr Futter-, Ethanol- und Mahlweizen dank Industriekapazitäten am Markt unterzubringen
Wenn auch die Ernte 2011 höhere Anteile an Futter-, Ethanol- und Mahlweizen bringt und relativ weniger Qualitätsweizen und einen geringen Anteil Premiumweizen, stehen dem die Vermarkter dennoch relativ gelassen gegenüber: In den letzten Jahren seien in Österreich derart viele industrielle Verarbeitungskapazitäten geschaffen worden, dass die Ware neben den Mischfutterwerken auch anderswo locker bei Verarbeitern unterzubringen ist. Auch die inländischen Mühlen dürften nicht unglücklich über einen höheren Mahlweizenanteil im Rohstoffangebot sein, weil sie damit nicht wiederum zwangsweise auf oftmals nicht in diesem Umfang benötigte höhere Qualitätssegmente zugreifen müssen.

Stärkere Differenzierung der Weizenpreise nach der Qualität zu erwarten
Die starke Streuung der heimischen Weizenqualitäten und ein durch Produktionsausfälle in USA und Kanada weltweit nur sehr knapp versorgtes Marktsegment für hochwertige Aufmischweizen lassen in Österreich heuer eine ungewöhnlich starke Differenzierung der Weizenpreise nach der Qualität erwarten. Zwar ist noch nicht absehbar, auf welchem Level sich die Preise für Basisqualität etablieren werden - an der Euronext in Paris hielt sich einfacher Mahlweizen zuletzt immer noch knapp unter Euro 200,- pro t -, doch dürften sich die Preise für Qualitäts- und Premiumweizen ordentlich davon absetzen.

Raps erzielt trotz überraschend hoher Erträge Spitzenpreise
Auch die Rapsbestände, die vielerorts sehr traurig ausgehen und Schlimmes für die Ernte hätten befürchten lassen, liefern Erträge, die man niemals zu erhoffen gewagt hätte. Hinter vorgehaltener Hand ist in Niederösterreich von durchschnittlich 35 dt pro ha zu hören. Und trotz der hohen Erträge hält sich Raps auf einem seit Jahren nicht dagewesenen Preisniveau. In Wien notierte der Kassamarktpreis für inländischen Raps der Ernte 2011 dank der europaweit engen Versorgungslage am Mittwoch dieser Woche mit Euro 445,-. Dies lag sogar noch einen Tick über der Pariser Rapsnotierung an der Euronext.

Futtergerstenmarkt vor ungewissen Aussichten
Der heimische Futtergerstenmarkt plätscherte in der Vorwoche seicht weiter, wobei die obere Notierung an der Wiener Produktenbörse eine Spur auf Euro 180,50 pro t nachgab. Interessant für diesen Markt wird aber, wie viel von der Sommergerste - von der ebenfalls hohe Erträge und gute Qualitäten berichtet werden - braufähig ist und wie viel im Futtertrog landen wird. Dementsprechend reichen die Aussichten von Unterversorgung bei Futtergerste mit festen Preisen und Importbedarf beziehungsweise teilweiser Substitution durch Futterweizen bis hin zum Einbruch der Futtergerstenpreise.

Bio-Getreideernte: Mehr Futter- und weniger Speisegetreide - Vermarktung sollte gelingen
Die Bio-Getreideernte bringt ebenfalls hohe Erträge, nicht aber die erhofften Spitzenqualitäten. Bei Weizen mangle es insbesondere an den Fallzahlen, ist zu hören. Damit wird dem Markt aus der Ernte 2010 mehr Bio-Futtergetreide und weniger Speisegetreide zur Verfügung stehen, als man angenommen hatte. Da von Umstellerbetrieben 2011/12 weniger Futtergetreide nachdrängt, besteht aber ohnehin ein Versorgungsdefizit, das sich nun auflösen lässt. "Die Vermarktung der Bio-Getreideernte 2011 sollte in aller Ruhe gelingen", heißt es dazu im Handel.

Bio-Bauern warten noch immer auf ohnehin magere Nachzahlung der BQG aus 2010
Weiter warten auf das Geld der vertraglich für 20.06.2011 vereinbarten Endabrechnung heißt es für Bio-Bauern, die ihre Ernte 2010 über die Bio-Qualitätsgetreide GmbH (BQG) vermarktet haben. Bekanntlich wurden für 80% des Speiseweizens Euro 170,- pro t an Akontozahlung geleistet, bei Dinkel und Roggen waren es Euro 160,- und stellte die BQG dann am 24.06.2011 nach eigenen Angaben "nicht zufriedenstellende" Nachzahlungen für Weizen von Euro 50,- bis 65,- und bei Roggen und Dinkel im Schnitt von Euro 40,- in Aussicht, wobei bei den Gesamtpreisen noch Dienstleistungskosten für die BQG von etwa Euro 38,- pro t abzuziehen sind. Die angekündigte Nachzahlung ist aber noch immer nicht erfolgt.
     
Informationen: http://www.aiz.info/    
     
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