LR Mussner im Halbzeitgespräch  

erstellt am
05. 08. 11

Bozen (lpa) - Mit knapper werdenden Haushalten müsse sich auch das öffentliche Bauen ändern: Qualität, Nachhaltigkeit und Einfachheit müssten im Vordergrund stehen, betonte heute (4. August) Landesrat Florian Mussner am 04.08. im Gespräch zur Halbzeit der Legislaturperiode. Zudem müssten heimischen Betrieben neue Märkte in den Nachbarländern erschlossen werden.

Mussner zeigte sich überzeugt davon, dass man im Baubereich bereits den richtigen Weg eingeschlagen habe: "Wir planen gut, wir bauen und verwalten gut, unsere Betriebe - große wie kleine - bieten höchste Qualität", so der Landesrat im heutigen Halbzeitgespräch im Garten des Kindergartens von Überwasser. Bewährt habe sich vor allem das Zuschlagen öffentlicher Arbeiten nach dem Prinzip von Preis und Qualität, das die größte Nachhaltigkeit gewährleiste.

Preis und Qualität seien zudem nicht unbedingt Gegensätze: "Wir haben bereits bewiesen, dass man qualitativ hochwertig bauen kann, ohne dass dies wesentliche teurer wäre", so Mussner, der diesen Weg für den zukunftsträchtigsten hält. So müsse man die einfache Architektur fördern: "Wir haben schließlich gesehen, dass eine Architektur, die sich auf das Wesentliche konzentriert, nicht nur die funktionellsten, sondern auch die schönsten Bauten hervorbringt", so Mussner.

Neben dem infrastrukturellen und dem Qualitäts-Aspekt liegt dem Landesrat auch am Herzen, dass heimische Unternehmen bei öffentlichen Bauaufträgen zum Zuge kommen. Und mehr noch: den heimischen Betrieben sollen auch die Tore zu den Märkten der Nachbarländer aufgestoßen werden. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass unsere Betriebe mehr Aufträge aus Mailand bekommen, als aus dem Trentino, Tirol oder Belluno", so Mussner. Allerdings sei hier auch politischer Druck gefragt. "Heute ist es teilweise so, dass unsere Unternehmen nicht einmal die Dokumentation bekommen, um sich an einem Wettbewerb zu beteiligen", erklärte der Landesrat.

Den heimischen Unternehmen zugute kommen soll auch der Technologiepark, für den Mussner heute eine Lanze brach. Er sei, so der Landesrat für die Entwicklung des Landes notwendig, hier könnten auch kleine Unternehmen den größeren wie den Forschungseinrichtungen auf Augenhöhe begegnen. "Wir haben uns in der Landesregierung aber bereits darauf geeinigt, dass man zwar ein Gesamtkonzept für den Park hat, dass dieses aber nicht auf einen Schlag verwirklicht wird", so Mussner, der daran erinnerte, dass dies weder sinnvoll noch finanzierbar sei. Vielmehr soll der Technologiepark in Bozen Süd modular errichtet werden. Neue Gebäude entstünden also erst, wenn die Nachfrage gesichert sei.

Auf konkrete Bauvorhaben angesprochen, erläuterte Mussner heute auch den Stand der Planungen der Umfahrungsstraßen von Bozen. Derzeit denke man an eine Tunnelverbindung von St. Jakob nach Bozen Nord, über die der Verkehr an der Stadt vorbeigeschleust werden solle. Bisher sei immer von einer Tunnellösung mit zwei Röhren gesprochen worden, technisch sei man aber seit Neuestem auch imstande, das Vorhaben mit einer einzigen Röhre zu verwirklichen. Er persönlich, so der Landesrat, könne sich auch eine andere Lösung vorstellen: die Verlegung der Brennerautobahn in den Berg. "Ich weiß zwar, dass die Bozner danach für einen Abbruch der Autobahn wären, ich würde diese aber als innerstädtische Nord-Süd-Verbindung nutzen", so Mussner. Allein der Abbruch des Betonmonstrums koste nämlich rund 40 Millionen Euro.

Auch auf seine Vorstellungen einer Regelung des Verkehrs auf den Dolomiten-Passstraßen wurde der Landesrat heute angesprochen. Er betonte, dass man das Thema nicht länger vor sich herschieben dürfe und eine Entscheidung treffen müsse. Eine Entscheidung, die laut Mussners Vorstellungen drei Bereiche umfassen solle: zum ersten eine Maut, zum zweiten die bessere Nutzung der Aufstiegsanlagen auch im Sommer, zum dritten die Ankurbelung des Radtourismus', etwa auch über Radtage auf den Passstraßen. Es brauche jedenfalls eine Gesamtlösung für alle Pässe und einen geregelten Verkehr. So gebe es auch bereits die Idee, Parkplätze zu schaffen, um dem wilden Parken ein Ende zu bereiten. Und auch ein Radweg aufs Sellajoch sei schon einmal angedacht worden.
   

Ladinische Kultur lebendiger gestalten
„Vom Kindergarten bis zur Universität und im Alltag muss die ladinische Kultur aufgewertet werden. Die ladinische Sprachgruppe muss sich öffnen, auch gegenüber den anderen Sprachgruppen“, ist Mussner überzeugt. In einer ladinischen Bildungseinrichtung, dem Kindergarten in Überwasser (Kastelruth), hat Mussner im Gespräch mit den Medien seine Pläne zur ladinischen Kulturpolitik definiert.

Für Mussner, der in der Landesregierung für die ladinische Kultur, öffentliche Bauten und Vermögen zuständig ist, geht es in den kommenden Jahren darum, die ladinische Kultur zu erhalten, sie zu pflegen, vor allem aber sie weiter zu entwickeln: „Wir tragen die Verantwortung für die Zukunft der ladinischen Minderheit und deshalb müssen wir mehr Leben, mehr Lebendigkeit in den Erhalt und die Entwicklung unserer ladinischen Eigenart stecken.“

Landesrat Mussner will die gesamte ladinische Gesellschaft sensibilisieren und das ladinische Kulturgut nicht nur im Bildungsbereich, sondern vor allem auch im Alltag stärken. Wichtig ist dem Landesrat jedoch, dass sich die Ladiner nicht abkapseln: „Die Kommunikation mit der Außenwelt, mit den Nicht-Ladinern, muss intensiviert werden. Es ist mir ein Anliegen, dass die Ladiner ihre Kultur auch außerhalb der ladinischen Täler vertreten und die ladinische Kultur sich allen öffnet.“

Konkret wird die Stärkung der ladinischen Kultur bereits ab dem kommenden Schuljahr in den ladinischen Oberschulen vornagetrieben. Das Schuljahr 2011/12 ist das erste, in dem die Oberstufen-Reform umgesetzt wird. Dabei werden erstmals zwei Stunden pro Woche ladinisch unterrichtet. Doch auch was die Öffnung nach außen angeht, setzt sich Mussner dafür ein, dass auch an den deutschen und italienischsprachigen Schulen im Land ladinisch etwa im Rahmen der Wahlfächer gelehrt werden kann. In den ladinischen Oberschulen soll hingegen in Zukunft die Möglichkeit bestehen, bestimmte Fächer in anderen Sprachen außer den drei Landessprachen zu unterrichten. Landesrat Mussner schwebt etwa vor, dass künftig die Fächer Mathematik oder Informatik in englischer Sprache unterrichtet werden könnten.
   

Sparsamkeit, neue Finanzierungsformen
Sich aufs Notwendige konzentrieren, Vorhandenes besser nutzen und neue Finanzierungsmodelle erschließen: Dies sind die Rezepte, mit denen Landesrat Florian Mussner knapper werdenden Haushalten in der Infrastrukturpolitik entgegen treten will.

Es gelte, so Mussner heute in Überwasser, die Kultur des Sparens zu forcieren. "Im Baubereich heißt dies, dass wir noch sparsamer, noch nachhaltiger bauen müssen und auf alles verzichten, was nicht notwendig ist", so der Landesrat. Dazu komme, dass man künftig in der Infrastrukturpolitik der Landesregierung noch mehr Zeit der Planung und Entscheidungsfindung widmen müsse. "Es kann nicht angehen, dass wir nicht imstande sind, die Kosten eines Bauwerks im Vorfeld exakt festzulegen", so Mussner, der betonte, dass Varianteprojekte und daraus folgende Kostensteigerung der Vergangenheit angehören müssten.

Vermehrt konzentrieren müsse man sich auch darauf, Vorhandenes besser zu nutzen. "Neu zu bauen, ist nicht immer die beste, sparsamste und nachhaltigste Lösung", so der Landesrat. Vielmehr verfüge das Land bereits über zahlreiche Immobilien, mit jenen des Staates, die im Rahmen der Tauschgeschäfte ans Land übergehen, kämen noch weitere interessante dazu. Sie gelte es, in die Planung einzubeziehen und entsprechend zukunftsträchtige Konzepte zu entwickeln.

Müsse doch neu gebaut werden, so setzt Mussner auf neue, innovative Finanzierungsmodelle. "Wir müssen in viel größerem Ausmaß auf die Zusammenarbeit mit Privaten setzen, auf Formen der Public Private Partnership oder des project financing", so der Landesrat. In beiden Bereichen geht es darum, die Vorteile von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen abzuwägen und so zu gemeinsam getragenen Finanzierungen zu kommen. Als mögliches Projekt, an dem solche Modelle erprobt werden könnten, nannte Mussner die Verlegung der Straße in der Örtlichkeit Forst.

"Damit Modelle der Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privaten allerdings funktionieren, und zwar für beide Seiten, sind eine exakte Planung, eine detaillierte Kostenschätzung sowie eine verlässliche Berechnung eventueller Einnahmen, die sich aus dem Bauprojekt ergeben, notwendig", so Mussner. Und auch in diesem Zusammenhang böten die nach und nach ans Land übergehenden Staatsimmobilien eine Ressource. "Man kann schließlich auch andenken, mit Privaten Kubaturen oder Flächen zu tauschen", erklärte der Landesrat.
   

Volkszählung, Proporz, Zweisprachigkeitsnachweis
Die Volkszählung im kommenden Oktober und die damit verbundene Sprachgruppenerhebung ist laut Landesrat Florian Mussner besonders für die ladinische Sprachgruppe wichtig: „Nur wenn sich die Ladiner bei der Volkszählung auch als solche erklären, können wir unseren Anteil an der Bevölkerung halten und unsere Rechte auch in den nächsten Jahren sichern.“

Der 9. Oktober 2011 ist der Stichtag für die Volkszählung. Neben der Erhebung statistisch relevanter Daten zur Bevölkerung wird in Südtirol auch die zahlenmäßige Stärke der drei Sprachgruppen erhoben. Das Datenmaterial dient als Grundlage für den ethnischen Proporz bei der Ausschreibung von öffentlichen Stellen, der Zuteilung von Wohnungen oder der Aufteilung von Fördergeldern. Bei der letzten Sprachgruppenerhebung im Jahr 2001 ist festgestellt worden, dass 69,15 Prozent der Südtiroler der deutschen, 26,47 Prozent der italienischen und 4,37 Prozent der italienischen Sprachgruppe angehören.

Für Landesrat Mussner ist die Volkszählung besonders für die Ladiner eine Chance für die Zukunft: „Ich denke dabei nicht nur an die Volkszählung 2011, sondern an die Zukunft und hoffe, dass wir 2021 die Fünf-Prozent-Schwelle überschreiten. Auch wenn wir im Oktober den Ladineranteil um nur 0,1 Prozent im Vergleich zur letzten Volkszählung steigern, so ist das ein Erfolg. Je mehr sich zur ladinischen Sprachgruppe bekennen, desto besser können wir unsere Bedürfnisse durchsetzen.“

Dass eine Steigerung überhaupt möglich ist, hängt mit der Entscheidung der Landesregierung zusammen, eine minderheitenfreundliche Zählweise anzuwenden. In Südtirol werden nur die italienischen Staatsbürger gezählt und nicht – das wäre die zweite Option gewesen – alle zum Stichtag in Südtirol ansässigen EU-Bürger. Dies sei vor allem für die Ladiner und deren Rechte eine grundlegende Entscheidung, so Mussner. Hätte man alle EU-Bürger gezählt, hätte dies dazu geführt, dass der Ladiner-Anteil an der Bevölkerung tendenziell abgenommen hätte. "In Gröden und im Gadertal wächst die Bevölkerung weniger als im übrigen Land und außerdem ist es wahrscheinlich so, dass sich ein Bürger eines anderen EU-Staats in Südtirol kaum als Ladiner sondern als deutsch- oder ladinischsprachiger Südtiroler erklären würde", so Mussner.

Für die Stärkung des Ladinertums sei nicht nur ein möglichst hoher Bevölkerungsanteil wichtig, sondern auch die Weiterentwicklung des ethnischen Proporzes, so Landesrat Mussner: „Ich bin ein überzeugter Anhänger des Proporzes. Er ist ein unverzichtbarer Pfeiler unserer Autonomie und hat besonders auch den Ladinern viel gebracht. Allerdings bleibt uns, der kleinsten Sprachgruppe im Land, der Zugang zu Führungspositionen oftmals verwehrt.“ Mussner will sich in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode für einen leichteren Zugang einsetzen und glaubt, dass keine Änderung der bestehenden Normen notwendig sei, sondern ein flexibler Umgang mit der bestehenden Norm ausreiche: „Ich will nicht, dass die Gremien aufgestockt werden, nur um Platz für die Ladiner zu schaffen. Ich bin überzeugt, dass es in Absprache aller Beteiligten möglich sein wird, Stellen, die der deutschen und italienischen Sprachgruppe vorbehalten wären, Ladinern zur Verfügung zu stellen.“

In Zusammenhang mit der Besetzung öffentlicher Stellen und dem Proporz ist Landesrat Mussner auch auf den Erwerb des Zweisprachigkeitsnachweises eingegangen. „In Zukunft sollen die Absolventen einer Oberschule im Gadertal oder in Gröden den Zweisprachigkeitsnachweis B erhalten, ohne eine Prüfung ablegen zu müssen. Als Voraussetzung und Hürde für Trittbrettfahrer ist ein zehnjähriger Schulbesuch an einer ladinischen Schule vorgesehen“, erklärte Mussner.

Auf Landesebene ist die Erlangung des Zweisprachigkeitsnachweises ja bereits im vergangenen Jahr neu geregelt worden. Unter anderem ist es nun möglich, den Zweisprachigkeitsnachweis der Laufbahn A zu erlangen, wenn man die Oberschule in der einen und ein Universitätsstudium in der jeweils anderen Sprache absolviert. Kann jemand beispielsweise das Maturadiplom einer italienischsprachigen Oberschule vorweisen und hat ein deutschsprachiges Universitätsstudium absolviert, wird dies als Zweisprachigkeitsnachweis A anerkannt.
   

Breitband ist eine Priorität
Nicht weniger als 30 Millionen Euro steckt die Landesregierung in dieser Amtszeit in einen nahezu flächendeckenden Ausbau des Breitbandnetzes in Südtirol. "Die Breitbanderschließung ist eine unserer Prioritäten, ohne den Anschluss an moderne Datenleitungen sind wir nicht wettbewerbsfähig", so Mussner.

Mussner zitierte heute Altlandeshauptmann Silvius Magnago, der in den 60ern die Devise ausgegeben habe, alle Höfe an das Strom-, Wasser- und Straßennetz anzubinden. "Das ist ein Ziel, dem wir uns noch verpflichtet fühlen, nur ist eine weitere Herausforderung dazu gekommen: die digitale Erreichbarkeit", so der Landesrat. Einen ersten Schritt dahin habe man bereits gesetzt, und zwar mit dem Aufbau eines nahezu alle Betriebe und Haushalte abdeckenden Funknetzes. Allerdings ist die Breitbandanbindung per Funk eine zwar relativ schnell verwirklichte, allerdings technisch nicht optimale Lösung. "Wir sehen die Funknetze als Zwischenlösung", so Mussner.

Auf die Zwischenlösung folgen wird die technisch als optimal geltende Anbindung an das Glasfasernetz. Daran wird bereits mit größten Einsatz gearbeitet, 2013 sollen alle Gemeinden mit Glasfasern erschlossen sein. "Das ist unser Ziel, daran werden wir gemessen werden", erklärte der Landesrat. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, hat die Landesregierung bereits in den vergangenen beiden Jahren rund zehn Millionen Euro investiert, weitere acht Millionen Euro stehen in diesem Jahr zur Verfügung, 2012 und 2013 folgen jeweils weitere sechs Millionen Euro.

Insgesamt wird die Landesregierung am Ende der Amtszeit damit rund 30 Millionen Euro in die Breitbandoffensive investiert haben. Viel Geld, allerdings auch eine strategische Investition: "Unsere Betriebe, unsere Familien brauchen eine funktionierende Anbindung ans weltweite Datennetz, es ist also notwendig, dass diese Anbindung besser morgen als übermorgen zur Verfügung steht", so Mussner. Der Landesrat betonte heute allerdings auch, dass es nicht Sache des Landes allein sein könne, die Breitbandoffensive voranzutreiben. Vielmehr sei auch der Einsatz von Bezirken, Gemeinden, Gesellschaften und anderen Unternehmen gefragt.
 
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