Österreichische Getreideernte heuer um 11% über Vorjahresniveau   

erstellt am
05. 08. 11

Schleppender Ernteverlauf - Qualitäten sehr unterschiedlich
Wien (aiz) - "Das österreichische Getreidejahr 2011 ist von den Erwartungen her ein Wellental von Hochs und Tiefs", berichtete heute Günter Griesmayr, Vorstandsvorsitzender der Agrarmarkt Austria (AMA), bei der traditionellen Erntebilanz-Pressekonferenz. Entgegen den ursprünglichen Schätzungen wird mit einer prognostizierten Ernte von rund 3,16 Mio. t eine um 11% höhere Menge als im Vorjahr erwartet. Inklusive Mais ergibt sich voraussichtlich eine Gesamternte von rund 5,3 Mio. t, was einem Plus von 13% entspricht. "Damit liegt die heurige Menge deutlich über dem langjährigen Durchschnitt, erreicht jedoch nicht den Rekordwert des Jahres 2008", erklärte Griesmayr. Der Witterungsverlauf und die Bodenbonitäten sind die Hauptfaktoren für die sehr deutlichen Unterschiede in Menge und Qualität der einzelnen Kulturen. Daraus dürfte auch eine stärkere Differenzierung bei den Preisen resultieren.

Aufgrund des sonnigen und sehr trockenen Frühjahrs musste laut Griesmayr von einer geringeren Erntemenge ausgegangen werden. Umso mehr überraschten die erfreulichen Ergebnisse an Mengen und Qualitäten zum Ernteauftakt. Der Regen Ende Mai und im Juni kam doch nicht zu spät und hatte eine äußerst positive Auswirkung auf die Entwicklung der Kornbildung. Somit konnten Erträge eingefahren werden, die bei optischer Beurteilung der Bestände nicht zu erwarten waren. Doch wie schon im letzten Jahr wurde der Ernteverlauf Mitte Juli abrupt von nasskaltem Wetter gestoppt. "Mittlerweile sind rund 85% der Ernte eingefahren. Bei den noch immer am Feld stehenden Weizenbeständen kann es bei anhaltend schlechter Witterung zu Auswirkungen bei der Fallzahl kommen", informierte Griesmayr.

Gezielte Vermarktung der Ernte wichtig
"Das im Vergleich zum Vorjahr höhere Angebot im Inland darf aufgrund des steigenden Verbrauchs durchaus berechtigte Hoffnungen auf zufriedene Erlöse für die heurige Ernte machen", erläuterte der Vorsitzende des Verwaltungsrates der AMA, Franz Stefan Hautzinger. Für Top-Weizen bestehe sicher ein guter Absatzmarkt, auch in Italien. Vor allem die Vermarktung der schwächeren Qualitäten bei Weizen stelle heuer eine Herausforderung dar. Ziel sei weiterhin eine wertmäßig positive Handelsbilanz, um höhere Bauernerlöse in der Qualitätsvermarktung zu erreichen.

Markt benötigt zusätzliche Mengen
Die in den letzten Jahren geschaffenen alternativen Verarbeitungswege sind laut Hautzinger für den österreichischen Getreidemarkt ein nicht mehr wegzudenkender Faktor. Ab 2013 entsteht weiterer Bedarf durch die geplante Inbetriebnahme einer Stärkefabrik mit einer jährlichen geplanten Verarbeitungskapazität von 250.000 t Weizen. Trotz dieser neuen Vermarktungschancen stellt Hautzinger klar: "Für die Landwirtschaft hat sich die Prioritätenliste nicht geändert. An erster Stelle steht die Verwendung von Getreide für die Lebensmittelerzeugung, dann kommen die Futtermittel und zuletzt erst die Belieferung des Energiebereiches."

Vom Nettoexporteur zum Nettoimporteur
Österreich hat in den letzten fünf Jahren die Inlandsvermarktung von Getreide um 50% gesteigert. Waren es im Zeitraum 2007/2008 noch rund 2 Mio. t, so werden es 2011/2012 bereits rund 3 Mio. t sein. "Grund dafür sind die gesteigerten Verarbeitungskapazitäten der letzten Jahre. Der erhöhte Inlandsverbrauch hat unter anderem zur Folge, dass die Alpenrepublik auf dem Weg vom Nettoexporteur zu einem Nettoimporteur ist", unterstrich Hautzinger. Dies gelte nicht für Weizen, sehr wohl aber für Mais. "Nur so gute Ernten wie die heurige lassen Österreich ausgeglichen bilanzieren, es wird also jeder Hektar Getreide gebraucht. Solange aber Zentraleuropa eine bedeutende Überschussregion mit einem Potenzial von etwa 10 Mio. t darstellt, ist die Versorgung Österreichs mit Getreide gesichert und wir können weiterhin die traditionellen Exportmärkte mit Qualitätsgetreide bedienen", hielt der Vorsitzende des AMA-Fachbeirats für Getreide fest.

Getreideanbaufläche um 3% zurückgegangen
Die Getreideanbaufläche ist laut Erhebungen der AMA österreichweit gegenüber dem Vorjahr um 17.800 ha oder 3% zurückgegangen. Die Biogetreidefläche verringerte sich um 1,6%, die gesamte Biofläche wurde jedoch erneut gesteigert. Bei Weichweizen wurde der Anbau heuer ausgedehnt, wenn auch in geringem Umfang. Die Roggenfläche blieb nahezu gleich, bei den übrigen Getreidearten wurde der Anbau zum Teil stark reduziert. Wintergerste und Sommergerste wurden um 8,2% beziehungsweise 10,2% verringert, auch Hafer und Triticale wurden weniger angebaut. Stark verkleinert wurde die Fläche bei Hartweizen, und zwar um 12,5%. Bei den Ölsaaten blieb der Rapsanbau annähernd gleich, ein deutlicher Zuwachs ist bei Sojabohne und Ackerbohne zu verzeichnen.

Hartweizen: Fläche stark verringert - Qualität bisher zufriedenstellend
Die Hartweizenfläche wurde heuer gegenüber dem Vorjahr um 12,5% auf ca. 15.300 ha stark verringert. In den traditionellen Anbaugebieten Ostösterreichs ist man großteils mit den bisherigen Ergebnissen hinsichtlich Menge und Qualität sehr zufrieden. Die Ernteunterbrechung Mitte Juli trübt jedoch diese äußerst positive Entwicklung. Die Erträge bewegen sich bei Winterdurum im Durchschnitt bei 45 dt/ha, bei Sommerdurum wurden bis zu 60 dt/ha erzielt. Hartweizen (Durum) wird bekanntlich in der Teigwarenherstellung verwendet.

Weichweizen: 10 bis 15% Premium-Qualität erwartet
Bei Weichweizen hat sich die Anbaufläche um etwa 3.500 ha erhöht (+1,2%). Das Ertragsniveau wird derzeit österreichweit im Schnitt auf 58 dt/ha geschätzt. Die Experten gehen davon aus, dass der heurige Weizen zu 10 bis 15% Premium-Qualität (über 15% Protein), zu 20 bis 30% Qualitätsweizen- (mindestens 14% Protein) und zu 60% Mahl- und Futterqualität aufweist. Die bisherigen Ergebnisse zeigen durchwegs Proteinwerte unter jenen des Vorjahres, die Fallzahlen sind jedoch gut. Laut dem ersten Bericht der Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung aus den Frühdruschgebieten weisen die Weizenpartien ein sehr gutes Hektolitergewicht von 83 kg sowie hohe Fallzahlwerte (Mittelwert 337 Sekunden) aus. Durch den Schlechtwettereinbruch Mitte Juli wurde der Weizendrusch im Weinviertel und Oberösterreich unterbrochen, wobei Auswirkungen bei der Fallzahl befürchtet werden.

Die angelieferten Mahlweizenpartien aus den Frühdruschgebieten in Oberösterreich weisen gute Qualitäten auf (Hektolitergewichte über 80 kg) sowie Proteinwerte zwischen 12 und 13,5%. Der Großteil der oö. Ernte liegt beim Ertrag sehr gut, die Proteinwerte erreichen aber bisweilen nicht die für Mahlweizen geforderten 12%. Die heimischen Mühlen dürften ausreichend mit Mahlweizen versorgt werden können und auch die traditionelle Schiene des Qualitäts- und Premiumweizen-Exports nach Italien kann bedient werden, wobei hier mitunter eine geringere Menge als im Vorjahr zur Verfügung stehen dürfte.

Die heurige Roggenanbaufläche ist mit 45.900 ha im Vergleich zum Vorjahr fast gleich geblieben (+0,5%). Die Erträge werden voraussichtlich bei 42 dt/ha liegen. Die bereits geernteten Qualitäten sind zufriedenstellend. Abzuwarten sind allerdings noch die Ernte und deren Ergebnisse im klassischen Anbaugebiet Waldviertel.

Braugerste trotz Flächenrückgang ausreichend vorhanden
Der Anbau der Wintergerste wurde gegenüber dem Jahr 2010 stark reduziert. Die Fläche beträgt heuer rund 78.500 ha (-8,2%). Das Ertragsvolumen schwankt zwischen 40 und 70 dt/ha. Die Qualitäten sind jedoch zum Teil sehr zufriedenstellend, die Hektolitergewichte bewegen sich über 60 kg.

Die Sommergerstenfläche von rund 74.800 ha ergibt zum Vorjahr ein Minus von 10,2%, sie wurde erneut deutlich reduziert. Diese Kultur ist seit 2007 von einem starken Rückgang im Anbau gekennzeichnet. Die heurige Ernte lässt Erträge von 40 bis 65 dt/ha erwarten und überzeugt mit durchwegs guter Qualität (niedriges Protein, hohe Siebung). Somit dürfte der Braugerstenanteil deutlich höher sein als im Vorjahr.

Triticale ist neben seinem Hauptverwendungszweck als betriebseigenes Futtermittel ein wertvoller Rohstoff für die Ethanolproduktion. Die Anbaufläche wurde um 2.200 ha auf 45.600 ha (-4,7%) reduziert. Erträge von 50 dt/ha mit zufriedenstellenden Qualitäten werden erwartet.

Bei Ölraps, der Verwendung als Speiseöl und bei der Biodieselerzeugung findet, ist die Anbaufläche mit 53.600 ha gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert geblieben (-0,3%). Im gesamten Anbaugebiet konnten durchwegs gute Rapserträge erzielt werden. Die Erträge bewegen sich im Schnitt bei 34 dt/ha.

Sojabohne gewinnt wieder an Bedeutung
Die Sojabohne befindet sich als Rohstoff für Nahrungsmittel und Tierfutter weiterhin im Aufwärtstrend. Im Vergleich zum Vorjahr wurde die österreichische Anbaufläche um 11,1% auf 38.000 ha ausgedehnt. Die gute Nachfragesituation bei heimischer Ware sowie zufriedenstellende Erlöse haben zu einem verstärkten Anbau geführt. Die klimatischen Verhältnisse schaffen für diese Kultur zurzeit ausgezeichnete Wachstumsbedingungen.

Die Sonnenblume wurde heuer auf einer Fläche von 26.000 ha (+2,6%) angebaut und ist damit die dritte wichtige Ölsaat nach Raps und Sojabohne. Die Bestände entwickeln sich gut und lassen zufriedenstellende Erträge erwarten. Hauptanbaugebiet ist mit über 20.000 ha Niederösterreich, gefolgt vom Burgenland mit knapp 4.700 ha.

Der Körnererbsenanbau hat in Österreich nur mehr geringe Bedeutung. Bei dieser Kulturart ist ein stetiger Rückgang im Anbau zu verzeichnen. Die heurige Fläche von 11.700 ha zeigt eine weitere Reduktion um 13,7% zum Vorjahr. Die Erträge gelten aber mit 25 bis 40 dt/ha durchaus als zufriedenstellend. Diese Kultur wird als betriebseigenes Futtermittel und aus Gründen der Fruchtfolge angebaut.

Körnermais: Bestände entwickeln sich gut
Bei Körnermais wurde der Anbau auf 196.000 ha ausgedehnt (+8,8%). Die Bestände zeigen sich in einem sehr guten Zustand, die derzeitigen Witterungsbedingungen mit den Niederschlägen im Juli haben die Kultur sehr gut entwickeln lassen. Unabhängig von den Flächenausweitungen wird mit sehr guten Hektarerträgen gerechnet, wobei am Ende eine hohe Gesamtproduktion stehen könnte. Körnermais hat Bedeutung in der Stärke- und Ethanolerzeugung sowie in der Tierfütterung.
     
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