LR Reheis fordert Aufhebung der Verjährung für sexuellen Missbrauch   

erstellt am
19. 08. 11

ARGE Missbrauch präsentiert Statistik für die Jahre 2009 und 2010
Innsbruck (lk) - Die Anzahl der bei der Tiroler Jugendwohlfahrt eingegangenen Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Tirol ist rückläufig. Dieses Ergebnis aus den Jahren 2009 und 2010 präsentierte die Arbeitsgemeinschaft Missbrauch.

Der Jugendwohlfahrt wurden 2010 insgesamt 72 Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen bekannt: 2009 belief sich diese Zahl auf 105. Infolge einer nicht immer stichhaltigen Beweislage oder anderweitiger Schutzmaßnahmen wurde nicht in allen Fällen Anzeige erstattet. Betroffen waren jedenfalls wesentlich mehr Mädchen als Buben. Gestiegen ist die Anzahl der Opfer im Alter von drei Jahren und jünger: 2010 waren zehn Kinder, 2009 sogar elf Kinder unter drei Jahren von sexuellem Missbrauch betroffen.

Die Kinderschutz GmbH des Landes Tirol ist die Tiroler Facheinrichtung für sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Für den zuständigen LR Gerhard Reheis besitzen Hilfe und Schutz für die Opfer höchste Bedeutung: „Diese Kinder und Jugendlichen können sich mit ihren Vertrauenspersonen an das Kinderschutzzentrum mit seinen vier Beratungsstellen in Innsbruck, Wörgl, Imst und Lienz wenden, wo man ihnen mit Beratung und Therapie bis hin zur Prozessbegleitung zur Seite steht.“ Außerdem wiederholte Reheis die Forderung, die Verjährung für diese Delikte aufzuheben, „um Täter auch dann zur Rechenschaft ziehen zu können, wenn die Opfer nach jahrelangem Schweigen zu sprechen beginnen“.

Die Sicherheitsdirektion für Tirol verzeichnete im Vorjahr 24 Fälle, die polizeiliche Ermittlungen wegen Missbrauches an Unmündigen zum Gegenstand hatten – eine Anzeige weniger als 2009. Beim als eigene Kategorie geführten „schweren sexuellen Missbrauch“, also im Falle eines Beischlafes oder einer damit gleichzusetzenden Handlung, sind bei der Polizei im Vorjahr 28 Anzeigen eingegangen: Dieser Zuwachs resultiert auch aus bereits länger zurückliegenden Ereignissen im Rahmen der Aufarbeitung der Übergriffe in Tiroler Heimen im Zeitraum von 1940 bis 1990.

Die Statistik der Staatsanwaltschaft Innsbruck ergibt 2009 insgesamt 58 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs an Unmündigen, 2010 wurden 43 solche Anzeigen erstattet.

Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser appellierte nicht nur an die Medien, im Sinne der Opfer und eines entsprechenden öffentlichen Bewusstseins eine sensible Sprache abseits von „Sexspielen oder Sexopa“ zu wählen. Für Edelbert Kohler von der Sicherheitsdirektion geht es vor allem darum, „jenen das Handwerk zu legen, die sich an Kindern vergreifen“. Und Staatsanwältin Erika Wander sieht durch die neue Strafprozessordnung den Opferschutz noch besser gewährleistet. LR Reheis dankte der ARGE Missbrauch für ihre professionelle übergreifende Zusammenarbeit und ihr engagiertes Eintreten: „Wenn wir die Leiden der Opfer vor Augen haben, müssen wir hinschauen und uns einmischen!“

ARGE Missbrauch
Die Arbeitsgemeinschaft Missbrauch besteht seit 1997 und wurde vom damaligen Leiter der Landesabteilung Jugendwohlfahrt Manfred Weber ins Leben gerufen. Die Gruppe trifft sich auf Einladung der Kinder- und Jugendanwaltschaft zweimal pro Jahr, um sich im Sinne eines umfassenden Opferschutzes auszutauschen, Missstände zu besprechen und Verbesserungen anzuregen.

Ziel ist es unter anderem, zusätzliche Beeinträchtigungen der Opfer von sexuellem Missbrauch durch unsachliche Medienberichterstattung möglichst einzudämmen. Dafür wurde nach Rücksprache mit den Tiroler Medien vereinbart, dass die aktuellen Zahlen zum sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in einer jährlichen Pressekonferenz präsentiert werden. Außerdem einigte man sich dahingehend, dass bei allfälliger Berichterstattung keinesfalls Rückschlüsse auf Wohnort und Identität der Opfer möglich sein sollten.

Mitglieder der ARGE Missbrauch: Silvia Rass-Schell (Landesabteilung Jugendwohlfahrt), Erika Wander (Staatsanwaltschaft Innsbruck), Edelbert Kohler (Sicherheitsdirektion Tirol), Karin Hüttemann (Tiroler Kinderschutz GmbH) und Elisabeth Harasser (Kinder- und Jugendanwaltschaft).
     
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