Lebensbedrohliche Durchblutungsstörung von eineiigen Zwillingen mit minimal-invasivem Laser-Eingriff behandelbar   

erstellt am
25. 08. 11

Kompetenzzentrum für komplizierte Mehrlingsschwangerschaften an der Medizinischen Universität Graz
Graz (medunigraz) - In Österreich werden jährlich rund 1.200 Zwillinge geboren und die Tendenz ist steigend. Gründe für die Zunahme von Mehrlingsschwangerschaften sind das generell höhere mütterliche Alter bei Schwangerschaftseintritt sowie der zunehmende Einsatz reproduktionsmedizinischer Maßnahmen (wie IVF oder hormonellen Stimulationstherapien) bei unerfülltem Kinderwunsch. Zwillingsschwangerschaften gelten grundsätzlich als Risikoschwangerschaft, da die körperlichen Anforderungen für Mutter und Babys höher sind und ganz spezielle Komplikationen auftreten können. Aufgrund der guten Vorsorge in unseren Breiten verläuft ein Großteil der Schwangerschaften ohne ernsthafte Probleme. Besonders wichtig sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen von Beginn an, um mögliche Risikofaktoren früh zu erkennen und bestmöglich behandeln zu können. Entscheidend ist hierbei die Bestimmung der Mutterkuchenverhältnisse, also ob funktionell getrennte (dichoriale) oder ein gemeinsamer (monochorialer) Mutterkuchen (Plazenta) vorliegt. Letzteres kommt nur bei eineiigen Zwillingen vor und kann, neben anderen Problemen, zum Auftreten des für die ungeborenen Zwillinge lebensbedrohlichen feto-fetalen Transfusionssyndroms (FFTS) führen, das meist zwischen der 16.-26. Schwangerschaftswoche auftritt und einer sofortigen Behandlung bedarf. „Eine eindeutige Identifizierung eines monochorialen Mutterkuchens ist mittels Ultraschall am besten im ersten Schwangerschaftsdrittel möglich und unbedingt notwendig, um eine entsprechende engmaschige Betreuung zu gewährleisten“, betont Prof. Dr. Philipp Klaritsch von der Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Minimal-invasiver Lasereingriff hat sich als Behandlung erster Wahl durchgesetzt
Rund zwei Drittel der eineiigen Zwillinge (ca.1:400 Schwangerschaften) müssen sich eine Plazenta teilen. Das FFTS kommt ausschließlich bei diesen monochorialen Schwangerschaften vor, da auf der Oberfläche dieser Mutterkuchen Blutgefäße laufen, die die beiden kindlichen Nabelschnüre und damit die Kreisläufe verbinden. In den meisten Fällen kommt es zu einem ausgeglichenen Blutaustausch (Transfusion) zwischen den Kindern. In 10% der Fälle entwickelt sich allerdings ein erhebliches Ungleichgewicht im Blutaustausch, was eine Kreislaufüberlastung des einen und eine Unterversorgung des anderen Zwillings zur Folge hat. Ohne Behandlung führt das FFTS meist zum Versterben der betroffenen Kinder. In der Vergangenheit war die einzig mögliche Behandlung, überschüssiges Fruchtwasser mittels Fruchtwasserpunktionen abzulassen und somit Komplikationen wie vorzeitigen Blasensprung oder Frühgeburt zu verringern. Da hiermit aber nicht die Ursache der Erkrankung behandelt wird, gilt dies heute als Therapie zweiter Wahl.

In den letzten Jahren hat sich weltweit die Unterbindung der verbindenden Gefäße mittels Laser durchgesetzt, da hierbei die Ursache der Erkrankung beseitigt wird und weit bessere Behandlungserfolge beobachtet wurden. „Der Eingriff ist minimal-invasiv, kann also mit direktem Blick auf den Mutterkuchen über eine sehr kleine Kamera unter regionaler Anästhesie („Kreuzstich“) durchgeführt werden und ist mit einem stationären Aufenthalt von 24-48 Stunden verbunden“, erklärt Prof. Dr. Klaritsch. Möglich wurde diese neue Methode mit der Weiterentwicklung endoskopischer Instrumente, die nur mehr 2mm Durchmesser aufweisen. Überwacht wird der Eingriff zusätzlich per Ultraschall. Mit dieser Behandlung kann ein Gesamtüberleben von 70-80% und eine normale neurologische Entwicklung in 85% der Fälle erreicht werden. Als Komplikationen können ein vorzeitiger Blasensprung und der Fruchttod eines Kindes auftreten.

„Bei der Betreuung dieser komplizierten Schwangerschaften arbeiten wir sehr gerne mit den niedergelassenen Fachärzten und peripheren Krankenhäusern zusammen. Idealerweise sollten monochoriale Zwillingsschwangerschaften schon im ersten Schwangerschaftsdrittel zu einer Risikoevaluierung zugewiesen werden und die weiteren Kontrollen alternierend mit den Fachärzten durchgeführt werden. Bei Problemen müssen die betroffenen Frauen aber unbedingt in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden. Einer der großen Fortschritte für unsere Patientinnen ist, dass die Laserbehandlung nun ohne Zeitverzögerung durchgeführt werden kann und die früher dafür notwendigen Auslandsaufenthalte entfallen“, führt Prof. Dr. Klaritsch weiter aus.

Kompetenzzentrum an der Medizinischen Universität Graz
An der Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe hat sich ein Kompetenzzentrum für komplizierte Mehrfachschwangerschaften und insbesondere für die Behandlung des FFTS mittels Lasertherapie etabliert. „Mit dem hervorragenden Team um Prof. Dr. Philipp Klaritsch, Dr. Bence Csapo und Prof. Dr. Martin Häusler, der langjährigen Erfahrung und der entsprechenden, hochmodernen technischen Ausstattung zählen wir zu den wenigen europäischen Zentren, die diese Behandlungstechnik mit gutem Erfolg durchführen“, erklärt Prof. Dr. Uwe Lang, Vorstand der Grazer Klinik. Prof. Klaritsch setzte sich im Rahmen eines 2jährigen Forschungsaufenthalts über ein Marie Curie Fellowship in fetaler Medizin und minimal-invasiver intrauteriner Chirurgie an der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Katholischen Universität in Leuven (Belgien) intensiv mit komplizierten Mehrlingsschwangerschaften, ihren Risikofaktoren und Behandlungsmöglichkeiten auseinander. Leuven zählt zu den erfahrensten Zentren weltweit und gehört auch in der Forschung auf diesem Gebiet zu den führenden Institutionen. „Wir kooperieren auch weiterhin mit den Kollegen in Leuven, insbesondere bei der Behandlung besonders komplizierter Schwangerschaftsverläufe“, betont Prof. Lang. In Graz wurden im letzten Jahr 10 der komplexen Fälle behandelt.

Facts & Figures

  • 1/3 aller Zwillingsschwangerschaften sind eineiig, wovon wiederum 2/3 dieser Schwangerschaften monochorial sind. Das bedeutet, dass die Zwillinge eine gemeinsame Plazenta mit Gefäßverbindungen zwischen den kindlichen Kreisläufen aufweisen. Rund 10% dieser Zwillinge entwickeln eine lebensbedrohliche Komplikation, das feto-fetale Transfusionssyndrom (FFTS), das zu einem massiven Ungleichgewicht in der Versorgung der Kinder führt.
  • 1.200 Zwillingsgeburten pro Jahr in Österreich, davon 400 eineiig und davon wiederum 280 monochorial. Die tatsächliche Anzahl der Mehrlingsschwangerschaften ist höher, da ein Teil noch vor der Geburt an Komplikationen verstirbt.
  • Die Zahl der Zwillings- und Mehrlingsgeburten ist in den letzten Jahren gestiegen. Gründe dafür sind höheres mütterliches Alter sowie reproduktionsmedizinische Therapien (z.B. In-vitro Fertilisation, eine Methode künstlicher Befruchtung).
  • Besonders wichtig bei Zwillingsschwangerschaften ist die frühzeitige Identifizierung eines monochorialen Mutterkuchens: Im ersten Schwangerschaftsdrittel kann dies mittels Ultraschalluntersuchung eindeutig bestimmt werden. Ein monochorialer Mutterkuchen ist erkennbar an einer sehr dünnen Trennwand, die T-förmig an der Mutterkuchenoberfläche ansetzt.
  • Die Grazer Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe verfügt über ein führendes Kompetenzzentrum für die Behandlung komplizierter Zwillingsschwangerschaften. Ein Team von Experten führt die Betreuung und die notwendigen Behandlungen nach neuesten Standards durch.
     
Informationen: http://www.medunigraz.at    
     
zurück