Leitl und Felderer fordern von Regierung: Sanieren und Investieren   

erstellt am
24. 08. 11

WKÖ legt mehr als 100 Deregulierungsvorschläge vor - IHS für Pension ab 65 ohne Ausnahmen - Pensionssystem steuert ohne Reform auf Unfinanzierbarkeit zu
Wien (pwk) - Mit konkreten Reformvorschlägen ließen Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und IHS-Chef Bernhard Felder am zweiten Tag der Alpbacher Reformgespräche (23.08.) aufhorchen: Leitl legte mehr als 100 Vorschläge für eine Verwaltungsreform und Deregulierungsmaßnahmen vor, die von der WKÖ in den kommenden Tagen an die Bundesregierung übermittelt werden. Das Konvolut umfasst Einsparungs- und Vereinfachungsmöglichkeiten von der Bauordnung über das Bildungswesen bis zu Gemeindekooperationen. Eine Umsetzung peilt Leitl bis zum Finanzausgleich 2014 an.

Felderer sprach sich für ein Auslaufen der vorzeitigen Alterspension, also vor allem der Invaliditätspension, aus. Keiner solle in Österreich vor 65 in Pension gehen. Ein ähnliches Modell werde bereits in Dänemark erfolgreich praktiziert: "Auch wenn manche ihren ersten Beruf nicht mehr ausüben können, wird sich für sie eine andere Aufgabe finden." Denn Jobs gebe es laut Felderer genug. Sollte es keine deutliche Anhebung des faktischen Pensionsalters von 58 auf 62 oder 63 Jahre geben, werde das Pensionssystem zunehmend unfinanzierbar. In diesem Fall sei dann auch nicht mehr ausgeschlossen, dass es eine faire Beteiligung der Bestandspensionen geben werde, etwa was die jährliche Inflationsanpassung betrifft. Schließlich ist das österreichische Pensionssystem nach Italien das zweitteuerste Pensionssystem Europas, und die Lebenserwartung der Österreicher steigt weiter an. Inklusive Beamtenpensionen werden jährlich mehr als 14 Prozent des BIP für Pensionszahlungen aufgewendet.

Leitl attestierte der Regierung eine ordentliche Arbeitsleistung, die großen Problemfelder würden jedoch mutlos und zaghaft angegangen: "In Wahrheit haben wir ein Nulldefizit seit einem halben Jahrhundert nicht mehr erreicht." Wenn laut IHS-Studie bis 2011 ein Nulldefizit nicht mit dem bisherigen Politikkurs zu erreichen ist, so sei dies keinesfalls Finanzministerin Maria Fekter anzulasten, die in der Krise sehr gute Arbeit leiste. Dieses Ziel müsste die gesamte Bundesregierung verfolgen, auch Länder und Gemeinden. Angesichts der aktuellen Wirtschafts- und Verschuldungskrise müsse, so Leitl, als Maxime gelten: "Sanieren und Investieren." Leitl skizzierte als vordringlichste Problembereiche: Österreich hat bereits heute das teuerste Spitalswesen Europas. Innerhalb der OECD weist Österreich das zweitniedrigste effektive Pensionsantrittsalter auf. Und von zwei Euro im Schulsystem komme nur einer bei den Schülern an, der andere Euro versande in der Verwaltung.

Als weitere Einsparungsmöglichkeiten hob der WKÖ-Präsident vor allem die Gemeindekooperationen hervor. Auf Initiative des Bundesrates wurden vor der Sommerpause stärkere Kooperationen der Gemeinden ermöglicht. Nun liegt es laut Leitl an den Gemeinden, diese Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen und die Synergiepotenziale zu heben. Durch Gemeindeverbände für Angelegenheiten der hoheitlichen oder privatwirtschaftlichen Verwaltung über Landesgrenzen hinweg könnten mehrere hundert Millionen Euro eingespart werden.

Investieren will Leitl vordringlich in Bildung sowie Forschung und Entwicklung. Im Bereich der Forschung liegt Österreich in der Gruppe der "Innovation Followers": "Unser Land muss zur Gruppe der Innovations-Leader, wie Schweden, Dänemark, Finnland und der Schweiz, aufschließen." Ein Beitrag dazu wäre die Deckelung des Steuervorteils bei der Auftragsforschung von 100.000 Euro auf fünf Millionen Euro. Kosten würde diese Maßnahme lediglich zehn Millionen Euro jährlich. Doch der Nutzen wäre insbesondere für forschungsaktive kleine und mittlere Betriebe, die über kein eigenes Forschungspersonal oder eigene Forschungsinfraktruktur verfügen, groß. Das würde Anreize darstellen, um die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen voranzutreiben.

Felderer mahnte ebenso eindringlich Sanierungsmaßnahmen an, denn die Finanzmärkte würden auch Österreich ganz genau beobachten. Der Blick in die USA würde zeigen, dass "niemand das Triple-A-Ranking gepachtet hat. Selbst die heiligsten Kühe werden einmal geschlachtet." Bei den Pensionen forderte der IHS-Chef ein rascheres Reformtempo ein. Die Vorschläge von Sozialminister Rudolf Hundstorfer würden ihm zu wenig weit gehen. Mit den derzeitigen Konsolidierungsmaßnahmen lasse sich die Staatsschuldenquote nicht unter die angepeilte Maastricht-Grenze von 60 Prozent drücken, sondern würde nur auf etwa 65 Prozent zurückgehen. Ab 2015 würde zudem das Wachstum an Geschwindigkeit verlieren, weil die Anzahl der Beschäftigten sinke. Bezüglich der Verwaltungsreform betonte Felderer: "Eine Fülle von Vorschlägen liegt auf den Tisch. Wir wissen, was zu tun ist, wir müssen es aber auch tun." Weiteres setzte sich der IHS-Chef für eine rasche, bundesweite Spitalsreform ein. Auch wenn die Länder in den vergangenen 1,5 Jahren Reformen angegangen sind, würden diese nicht ausreichen: "Wenn wir so weitermachen, werden wir bei den Spitalskosten bald Weltmeister sein."
     
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