EUGh-Urteil in der Rechtssache C-442/09 betr. "Gen-Honig"  

erstellt am
07. 09. 11

Honig und Nahrungsergänzungsmittel…
… die den Pollen eines GVO enthalten, sind aus GVO hergestellte Lebensmittel, die nicht ohne vorherige Zulassung in den Verkehr gebracht werden dürfen
Luxemburg (curia.europa.eu) - Dieser Pollen stellt selbst keinen GVO mehr dar, wenn er seine Fortpflanzungsfähigkeit verloren hat und in keiner Weise genetisches Material übertragen kann. Die Richtlinie über genetisch veränderte Organismen (GVO)1 sieht vor, dass diese nur nach einer Zulassung absichtlich in die Umwelt freigesetzt oder in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Außerdem bestimmt die Verordnung über genetisch veränderte Lebensmittel2, dass zur Verwendung als Lebensmittel oder in Lebensmitteln bestimmte GVO, Lebensmittel, die GVO enthalten oder aus solchen bestehen, sowie Lebensmittel, die aus GVO hergestellt werden oder Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt werden, vor ihrem Inverkehrbringen einer Zulassung bedürfen.

Im Jahr 1998 erhielt das Unternehmen Monsanto eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais des Typs MON 810. Dieser Mais enthält ein Gen eines Bakteriums, das zur Bildung von Toxinen führt, durch die die Larven eines parasitären Schmetterlings, die bei einem Befall die Entwicklung der Pflanze gefährden, getötet werden.

In einem Rechtsstreit stehen sich Herr Bablok, der Betreiber einer Liebhaberimkerei, und der Freistaat Bayern (Deutschland) gegenüber, dem verschiedene Grundstücke gehören, auf denen in den vergangenen Jahren zu Forschungszwecken MON 810-Mais angebaut wurde. Herr Bablok produziert in der Nähe dieser Grundstücke Honig zum Verkauf und für den Eigenbedarf. Bis zum Jahr 2005 produzierte er auch Pollen zum Verkauf als Lebensmittel in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Im Jahr 2005 wurden im Maispollen, der von Herrn Bablok in Bienenstöcken geerntet worden war, die sich in 500 m Entfernung von den Grundstücken des Freistaats Bayern befanden, DNA von MON 810-Mais sowie genetisch veränderte Proteine festgestellt. Ferner wurden in einzelnen Proben des Honigs von Herrn Bablok sehr geringe Mengen der DNA von MON 810-Mais nachgewiesen.

Herr Bablok ist der Ansicht, dass das Vorhandensein von Spuren des genetisch veränderten Maises dazu führe, dass seine Imkereiprodukte nicht mehr verkehrs- und gebrauchsfähig seien, und geht deshalb vor den deutschen Gerichten gegen den Freistaat Bayern vor; vier andere Betreiber von Liebhaberimkereien haben sich ihm angeschlossen

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) hat dargelegt, dass der streitige Pollen zu dem Zeitpunkt, zu dem er in den Honig oder in die Nahrungsergänzungsmittel auf der Grundlage von Pollen gelange, seine Fähigkeit zur Befruchtung verloren habe. Er ersucht um Klarstellung der damit verbundenen Folgen. Er möchte vom Gerichtshof in erster Linie wissen, ob der bloße Umstand, dass in den fraglichen Imkereiprodukten genetisch veränderter Maispollen vorhanden ist, der seine Fortpflanzungsfähigkeit verloren hat, zur Folge hat, dass das Inverkehrbringen dieser Produkte einer Zulassung bedarf.

In seinem heutigen Urteil legt der Gerichtshof zunächst dar, dass der fragliche Pollen nur dann als GVO eingestuft werden kann, wenn er einen "Organismus" im Sinne der Richtlinie und der Verordnung darstellt, d. h. eine "biologische Einheit, die fähig ist", "sich zu vermehren" oder "genetisches Material zu übertragen". Dazu führt er aus, dass das vorlegende Gericht, da feststeht, dass der in Rede stehende Pollen jede konkret-individuelle Fortpflanzungsfähigkeit verloren hat, zu prüfen hat, ob er in anderer Weise fähig ist, "genetisches Material zu übertragen", wobei es die verfügbaren wissenschaftlichen Daten gebührend zu berücksichtigen und jede wissenschaftlich erwiesene Form der Übertragung von genetischem Material in Betracht zu ziehen hat.

Der Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass ein Stoff wie der Pollen einer genetisch veränderten Maissorte, der seine Fortpflanzungsfähigkeit verloren hat und in keiner Weise fähig ist, in ihm enthaltenes genetisches Material zu übertragen, nicht mehr von diesem Begriff erfasst wird.

Der Gerichtshof führt sodann aus, dass Produkte wie Honig und Nahrungsergänzungsmittel, die solchen Pollen enthalten, gleichwohl im Sinne der Verordnung Lebensmittel darstellen, die Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt werden. Dazu stellt er fest, dass der streitige Pollen als "hergestellt aus GVO" anzusehen ist und eine "Zutat" des Honigs und der Nahrungsergänzungsmittel auf der Grundlage von Pollen darstellt. In Bezug auf den Honig hebt er hervor, dass der Pollen kein Fremdstoff und keine Verunreinigung, sondern ein normaler Bestandteil dieses Produkts und deshalb als "Zutat" einzustufen ist. Demzufolge wird der in Rede stehende Pollen vom Geltungsbereich der Verordnung erfasst und muss vor seinem Inverkehrbringen der darin vorgesehenen Zulassungsregelung unterworfen werden. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es für die Anwendung dieser Zulassungsregelung auf ein Lebensmittel, das aus GVO hergestellte Zutaten enthält, nicht darauf ankommt, ob der Pollen dem Honig absichtlich hinzugefügt oder zufällig eingetragen wurde. Schließlich besteht die Zulassungspflicht nach Ansicht des Gerichtshofs unabhängig vom Anteil des genetisch veränderten Materials in dem fraglichen Erzeugnis.

http://www.curia.europa.eu

Hinweis: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

1) Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 und die Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 (ABl. L 268, S. 24) geänderten Fassung.
2) Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268, S. 1).

 

Kadenbach: EU-Urteil zum Gen-Honig stärkt die Verbraucherrechte
Entscheidung gegen Gentechnik in der Nahrung und für mehr Lebensmittelsicherheit - Grundlage waren die Vorgaben des Europäischen Parlaments
Wien (sk) - Die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach begrüßt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Honig, der Pollen eines gentechnisch veränderten Organismus (GVO) enthält. "Ohne strenge Sonderzulassung darf Honig mit GVO-Spuren nun nicht mehr in den Handel kommen. Das ist im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa ein enorm wichtiges EU-Ergebnis", so Kadenbach am 07.09. gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Mindestens so wichtig sei aber auch, dass Imker nun Schadenersatz gegenüber Gentech-Konzernen geltend machen können. Kadenbach dazu: "Außerdem wird es nun für den Gentech-Konzern Monsanto schwieriger werden, eine erneute Zulassung der Genmaissorte MON 810 etwa in Deutschland zu erhalten."

Die SPÖ-Europaabgeordnete macht auch darauf aufmerksam, dass die wesentliche Grundlage der Entscheidung des unabhängigen EU-Gerichtshofs verhandelte Richtlinien waren, etwa jene Vorgaben des EU-Parlaments, die "besonderen Schutz der menschlichen Gesundheit infolge der absichtlichen Freisetzung von GVO in die Umwelt" festlegen. Karin Kadenbach sieht sich in der Arbeit des Ausschusses für Lebensmittelsicherheit bestärkt und will weiter dafür sorgen, dass Honig als gesundes Lebensmittel bestehen bleibt. "Neben dem Nulltoleranzprinzip gegenüber Gentechnik in Nahrungsmitteln, für das ich als sozialdemokratische EU-Abgeordnete vehement eintrete, arbeiten wir derzeit auch daran, konkrete Maßnahmen gegen das Bienensterben in Europa voranzutreiben", sagt Kadenbach, Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Zum Hintergrund des Rechtsstreits: 1998 erhielt das Unternehmen Monsanto eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von genetisch verändertem Mais des Typs MON 810. Karl Heinz Bablok, der Betreiber einer Liebhaberimkerei in Bayern, produziert in der Nähe eines Grundstücks, auf dem zu Forschungszwecken MON-810-Mais angebaut wurde, Honig. 2005 wurde im Maispollen, der von Herrn Bablok in Bienenstöcken geerntet worden war, die sich in 500 Meter Entfernung von den Grundstücken des Freistaats Bayern befanden, DNA von MON 810-Mais sowie genetisch veränderte Proteine festgestellt. Ferner wurden in einzelnen Proben des Honigs von Herrn Bablok sehr geringe Mengen der DNA von MON 810-Mais nachgewiesen. Karl Heinz Bablok kann nun Schadenersatzansprüche geltend machen.

 

 Pirklhuber: Honig mit Gentech-Pollen ist Sondermüll
Grüne fordern klare Schutzregelungen für Imker und Haftung für Biotech-Konzerne bei Kontamination
Wien (grüne) - "Das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dass nicht zugelassene Gentech-Pflanzen nichts in unseren Lebensmitteln verloren haben, bestätigt die Grüne Position. Es ist ein klares Bekenntnis zur Nulltoleranz gegenüber diesen Risikoprodukten und stärkt damit die Position der gentechfreien Regionen sowie das Recht auf Gentechnik-Freiheit. Honig, in dem sich Pollen des Gentech-Mais von Monsanto befinden, darf nicht mehr verkauft werden, er ist Sondermüll", freut sich Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen.

"Das Urteil ist ein Schritt hin zu mehr Transparenz und Schutz für die KonsumentInnen. Gentech-Pollen sind eine Zutat und sie müssen, so der EUGH, bevor sie in ein Lebensmittel dürfen, als solche zugelassen werden. Die Zulassung des Monsanto-Mais MON810 ist beschränkt und erstreckt sich nicht auf Lebensmittel. Mit Gentech-Pollen verunreinigter Honig muss damit aus dem Handel genommen werden. Die Forderung der Grünen, bei der Debatte um Koexistenz auch die Interessen der ImkerInnen zu berücksichtigen, hat sich als richtig erwiesen. Unsere Initiativen für gentechnikfreie Regionen, an erster Stelle der Versuch des grünen Landesrates Rudi Anschober in Oberösterreich, Gentechnikanbau per Gesetz zu verbieten, sehe ich hiermit bestätigt ", analysiert Pirklhuber.

"Dieses Urteil ist eine schallende Ohrfeige für die EU-Kommission, die sich bisher über die Interessen der Imker und Imkerinnen hinweggesetzt hat. Jetzt ist die Lehre aus diesem Urteil zu ziehen. Die Imker haben ein Anrecht darauf, vom unerwünschten Eintrag genetisch veränderten Materials geschützt zu werden. Das Recht auf Gentechnikfreiheit muss EU-weit verankert werden. Dafür braucht es klare europaweite Schutzregelungen. Im Fall einer etwaigen Kontamination, muss das Verursacherprinzip gelten: diejenigen, die mit der Risikotechnologie Gewinn machen wollen, sollen den entstandenen Schaden der Imker und Imkerinnen begleichen. Dafür brauchen wir EU-weite Haftungsregelungen", fordert Pirklhuber.

"Minister Berlakovich ist jetzt gefordert, den Rückenwind für die Gentechnikfreiheit durch dieses Urteil zu nutzen und einen sofortigen Anbaustopp von Gentechpflanzen in Europa einfordern, bis das Recht auf Gentechnikfreiheit verbindlich in der EU verankert ist", meint Pirklhuber.
     

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