Gladiatorenschule in Carnuntum entdeckt   

erstellt am
06. 09. 11

Neues Licht auf den Alltag der römischen Gladiatoren wirft eine sensationelle Entdeckung des LBI ArchPro, die durch den Einsatz von speziell entwickelten Bodenradargeräten möglich wurde.
Wien (archpro) - Ein weiterer Erfolg des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro): nach der Entdeckung eines "Woodhenge" nahe des berühmten Steinkreises von Stonehenge und dem Fund von Wikinger-Siedlungen in Skandinavien, gelang nun die Sichtbarmachung der Überreste einer römischen Gladiatorenschule in Carnuntum bei Wien.

Die jahrtausendelange Besiedelung hinterließ Spuren im Boden, die mit Hilfe modernster Meßtechnik am Computerbildschirm sichtbar gemacht werden kann. Das internationale Teams des LBI ArchPro, bestehend aus Archäologen, Geophysikern und Computerexperten, entwickelte Geräte, die höchst effizient zur Auffindung archäologischer Überreste eingesetzt werden und Bilder des Untergrunds bis in mehrerer Meter Bodentiefe in erstaunlicher Präzision liefern können.

Ein neues motorisiertes Multikanal-Bodenradargerät wurde nun auch in einem verdächtigen Bereich in Carnuntum in enger Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Einsatz gebracht. Dabei ist in der größten archäologischen Landschaft Österreichs eine sensationelle Entdeckung westlich des Amphitheaters in Petronell geglückt.

Das Amphitheater wurde in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts außerhalb der Zivilstadt von Carnuntum erbaut. Es nahm bis zu 13.000 Zuschauer auf und wurde in römischer Zeit intensiv für Gladiatorenspiele genützt. Über das Umfeld des Amphitheaters gaben bisher nur Luftbilder nähere Hinweise. Entlang der Ostseite der römischen Straße, die aus der antiken Stadt zur Arena führte, konnten einige Gebäude dokumentiert werden, die entlang der Straße Verkaufsräume und Tavernen aufgewiesen haben dürften.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte bisher jedoch keine entsprechende Bebauung nachgewiesen werden. Erste Hinweise aus Luftbildern deuteten auf ein größeres freistehendes Gebäude westlich des Amphitheaters hin, welche nun mit Bodenradarmessungen überprüft wurden. In wenigen Stunden Meßeinsatz wurden nun die Reste einer in ihrer Vollständigkeit und Größe international einzigartigen Gladiatorenschule entdeckt.

Die Gladiatorenschule (lat. ludus) von Carnuntum, ein abgeschlossener Gebäudekomplex mit einem Ausmaß von 2800 m2, liegt in einer 11.000 m2 umfassenden, mit einer Mauer umgebenen Parzelle. Die Gebäudeteile sind um einen großen Innenhof angelegt, in dem die Radarmessungen eine kreisrunde Trainingsarena mit einem Durchmesser von 19 m mit hölzernen Zuschauertribünen aufgedeckt haben. In den detailreichen Radarbildern lassen sich deutlich die Fundamente einer 100 m2 großen beheizbaren Trainingshalle, einer ausgedehnten Badeanlage, des 300 m2 umfassenden Verwaltungstrakts bzw. des Wohnbereichs des Besitzers der Gladiatorenschule und die durchschnittlich 5 m2 großen Wohnzellen der Gladiatoren erkennen.

Aber auch die notwendige Infrastruktur wie Wasserleitungen, Fußbodenheizungen und Abwasserkanäle sowie Zugangswege zum Amphitheater, Portale oder die Fundamente von Memorials sind deutlich in den hochauflösenden Radardaten erkennbar. Die Archäologen vermuten direkt hinter der Gladiatorenschule auch das zugehörige Gräberfeld mit einzelnen großen Grabmonumenten, steinernen Sarkophagen und verschiedenen einfacheren Grablegungen gefunden zu haben.

An Deutlichkeit der erfassten Baustrukturen ist Carnuntum derzeit nur mit der größten Gladiatorenschule, dem ludus magnus neben dem Kolosseum in Rom zu vergleichen. In seiner Vollständigkeit und Dimension ist dieser sensationelle archäologische Befund anhand modernster, zerstörungsfreier Methoden derzeit weltweit einzigartig und wurde als virtuelles Modell rekonstruiert ohne in den Boden einzugreifen.
     
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