SIDDHARTA - Schlüsselexperiment gelungen   

erstellt am
17. 10. 11

Wien (öaw) - Einer Forschungsgruppe des Stefan-Meyer-Instituts für subatomare Physik (SMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gelang im Rahmen der internationalen Kollaboration SIDDHARTA die bisher genaueste Bestimmung des Effekts der starken Kraft zwischen Teilchen mit „Strangeness“. Das Schlüsselexperiment eröffnet erstmals einen direkten Zugang zu diesem Effekt. Es wurde mit kaonischem Wasserstoff, einem exotischen Atom bestehend aus Proton und Kaon, durchgeführt. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Physics Letters B“ erschienen.

„Strangeness“ bezeichnet eine Eigenschaft von Teilchen, die unter anderem dadurch charakterisiert ist, dass die Teilchen nicht über dieselbe Kraft zerfallen, durch die sie entstehen. Das Kaon ist das leichteste Teilchen, das ein „Strange Quark“ enthält, das nächst schwere Quark nach „Up“ und „Down“, aus denen alle uns umgebende Materie besteht. Die starke Kraft dominiert auf kurzen Distanzen die Wechselwirkung zwischen den uns umgebenden „alltäglichen“ Teilchen wie Protonen und Neutronen. Diese Teilchen bestehend aus Quarks und Gluonen werden „Hadronen“ genannt.

„Die Beschreibung der starken Wechselwirkung bei niederen Energien ist schwierig und benötigt genaueste Resultate aus Experimenten“, sagt Michael Cargnelli vom Stefan-Meyer-Institut für subatomare Physik der ÖAW. Insbesondere werden von theoretischen Physikern seit vielen Jahren genaue Resultate über die Kaon-Proton Wechselwirkung gefordert, die im einfachsten Atom mit „Strangeness“, dem kaonischen Wasserstoff, ideal untersucht werden kann.

Das Experiment SIDDHARTA (Silicon Drift Detector for Hadronic Atom Research by Timing Application) am Elektron-Positron-Collider DAFNE der Laboratori Nazionali di Frascati (LNF) in Italien erzielte die bisher genauesten Messungen des Effekts der starken Kraft auf das am stärksten beeinflusste Energieniveau (Grundzustandsniveau) von kaonischem Wasserstoff. Zur Erzeugung von kaonischem Wasserstoff werden negativ geladene Kaonen in Wasserstoffgas gestoppt. Das Elektron eines Wasserstoffatoms wird durch das Kaon ersetzt und ein kaonisches Atom entsteht. In diesem elektromagnetisch gebundenen System modifiziert die starke Wechselwirkung die Energiezustände und führt zur Absorption des Kaons am Proton. Es entsteht eine Verschiebung und Verbreiterung der atomaren Energieniveaus und damit der Energien der emittierten Röntgenstrahlung, die gemessen wurde.

Präzisionsmessungen wie diese stellen höchste Anforderungen an die dafür eingesetzten Technologien. Der Elektron-Positron-Collider DAFNE der Laboratori Nazionali di Frascati in Italien bietet die einzigartige Möglichkeit Kaonen zu verwenden, die niederenergetisch genug sind, um in einem kleinen Volumen Gas gestoppt zu werden. „Die experimentelle Herausforderung lag darin, die empfindlichen Röntgendetektoren im Strahlungsumfeld eines Beschleunigers zu betreiben und in der Notwendigkeit, die sehr seltenen Röntgensignale des kaonischen Wasserstoffs aus einer enormen Anzahl von Hintergrundsignalen herauszufiltern“, erklärt Cargnelli. Für diese Messungen wurden neuartige Röntgendetektoren (Silicon Drift Detektoren) verwendet, die innerhalb des europäischen Projektes „Hadron Physics“ für dieses Experiment entwickelt und gebaut wurden. Diese neuen Detektoren besitzen ein großes Anwendungsspektrum, das von der Grundlagenforschung in der Physik bis zur Medizin reicht. Die österreichischen Forscher waren in allen Phasen des Experiments von der Konzeption und Realisierung bis zu den aufwändigen Messdatenanalysen führend beteiligt.

„Dieses Experiment ist ein Schlüsselexperiment, das den direkten Zugang zur starken Kraft zwischen Teilchen mit Strangeness mit einer einzigartigen Methode ermöglicht“, freut sich Eberhard Widmann, Direktor des Stefan-Meyer-Instituts für subatomare Physik der ÖAW. „Es liefert entscheidende Resultate zum besseren Verständnis der starken Wechselwirkung bei niedrigsten Energien und rief bereits große internationale Resonanz hervor, da nun ein neuer Startpunkt für die Beschreibung der starken Wechselwirkung zwischen Teilchen mit Strangeness im Rahmen moderner Theorien gegeben ist.“
     
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